SPD

Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt stellen

Im Vorfeld der Bundestagswahl hat die E+Z/D+C-Redaktion die entwicklungspolitischen Sprecher der Fraktionen gebeten, zu erläutern, welche konzeptionellen Vorstellungen ihre Parteien in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen. Hier die Position der SPD-Bundestagsfraktion.
Frauen erbringen den Großteil der wirtschaftlichen Leistung in Entwicklungsländern; die SPD will sie stärker fördern. Näherinnen in Bangladesch. sb Frauen erbringen den Großteil der wirtschaftlichen Leistung in Entwicklungsländern; die SPD will sie stärker fördern. Näherinnen in Bangladesch.

Die durch die aktuellen gewaltsamen Krisen ausgelöste Flucht und Migration haben unser übergeordnetes Ziel der global strukturbildenden Entwicklungspolitik verdeutlicht: jedem Menschen auf der Welt ein Leben in Würde zu ermöglichen. Wir wollen hierzu unter anderem die Agenda 2030 verwirklichen. Ferner wollen wir den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) wesentlich ambitionierter umsetzen, als es bisher in der Koalition möglich war. Auch die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU (EU-WPA) müssen entwicklungsfreundlich ausgestaltet werden und eine verbindliche Einhaltung von sozialen, Umwelt- und Menschenrechtsstandards beinhalten. Ziel ist es, vom Freihandel zum Fairhandel zu kommen.

Die aktuelle Befassung der Bundesregierung mit Afrika ist viel zu stark auf wirtschaftliche Investitionen konzentriert. Afrika ist dreimal so groß wie Europa und hat 1,2 Milliarden Einwohner. Man kann hier nicht mit einem Plan alles regeln wollen. Bedarfsorientierung und regionale Differenzierung müssen daher wieder Einzug in die Entwicklungspolitik halten. Staatliche Gelder sind weiterhin für fragile Saaten und Least Developed Countries (LDCs) dringend notwendig. Zudem werden wir die Armutsbekämpfung wieder in den Mittelpunkt stellen und nicht die Investitionsförderung (deutscher) Unternehmen in Afrika.

Wir haben nur noch 13 Jahre Zeit, die 17 Ziele der Agenda 2030 umzusetzen. Das ist sehr wenig. Allein mit der Fortschreibung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie versucht das Kanzleramt die Agenda umzusetzen. Da werden Rosinen herausgepickt und nicht einmal mit Ist-Zustand und Zielwerten versehen. Hier muss mehr geschehen. Es ist dabei aber nicht Aufgabe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dies allein leitend zu übernehmen. Die Umsetzung der Agenda 2030 muss breit innerhalb der Regierung angesiedelt und permanent gesteuert werden.

Frauen erbringen den Großteil der wirtschaftlichen Leistung in den Partnerländern, sei es auf dem Feld in kleinbäuerlichen Strukturen oder im verarbeitenden Gewerbe. Frauenförderung muss wieder viel größer geschrieben werden. Bildung ist der Grundstein für Entwicklung. Hierbei muss ein ganz besonderer Fokus auf Frauen und Mädchen gelegt werden. Dazu gehört auch die reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung.

Angesichts des globalen Klimawandels und des schon alleine wegen des Bevölkerungswachstums steigenden Energiebedarfs setzen wir uns für eine konsequente Förderung von erneuerbaren Energien und den Aufbau einer dezentralen und demokratisch kontrollierten Versorgung ein. Dies betrifft auch den Bereich der Urbanisierung, da hier 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stattfinden. Wir wollen daher die schnell wachsenden Städte im globalen Süden durch Urbanisierungspartnerschaften stärker fördern. Auch wollen wir die vom Klimawandel bedrohten ärmeren Staaten besonders unterstützen.

Wir beobachten immer wieder, wie sich deutsche und europäische entwicklungsfördernde Maßnahmen in den Ländern des globalen Südens widersprechen oder bestenfalls ohne Kenntnis voneinander parallel abspielen. EU-Maßnahmen, nationale staatliche Maßnahmen und die vielfältigen Tätigkeiten von privaten Organisationen und Stiftungen müssen besser abgestimmt werden. Kohärenz ist ein strapaziertes Wort, doch vor dem Bohren dicker Bretter werden wir uns nicht scheuen.

Die Sonderinitiativen des BMZ haben zu einer Menge Irritationen und Verwirrung in der Landschaft der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) geführt. Projekte bekamen immer nur eine jährliche finanzielle Zusage. So kann man keine nachhaltige EZ leisten. Das BMZ muss weg von einem Aktionismus-Ministerium wieder hin zu einem verlässlichen Gegenüber für die Partnerländer und Durchführungsorganisationen.

Zurzeit wird das zweifelsfrei vorhandene umfangreiche Wissen des Ministeriums ausgebremst. Die Führungsetage ist vollkommen entkoppelt von den Mitarbeitern. Pläne werden nicht mehr im Haus geschrieben, und auf Reisen werden sachkundige Mitarbeiter mit Journalisten und Fotografen ausgetauscht. Aber ohne das interne Wissen verkommt die sachliche Kompetenz der Führung. Das Team gewinnt, nicht der Top-Manager.


Stefan Rebmann ist Sprecher der Arbeitsgruppe wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der SPD-Bundestagsfraktion.
stefan.rebmann@bundestag.de

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