Geschlechtergerechtigkeit

Mexiko will eine “feministische” Außenpolitik betreiben

Mexiko will eine “feministische” Außenpolitik betreiben. Allerdings steht es im Inland mit Frauenrechten nicht zum Besten.
Frauen in Führungspositionen: sechs Gouverneurinnen und die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt. picture alliance / NurPhoto / Eyepix Frauen in Führungspositionen: sechs Gouverneurinnen und die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt.

Im internationalen Vergleich sticht Mexiko durch seine vielen Femizide hervor (siehe Beitrag von Sheila Mysorekar und mir auf www.dandc.eu). 948 Frauen wurden 2020 ermordet – 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Seit Jahren steigt die Zahl der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. Letzteres weißt zwar auch darauf hinweisen, dass immer mehr Frauen das Selbstbewusstsein haben, ihr Leid nicht mehr schweigend zu akzeptieren, sondern vor Gericht zu ziehen. Gewaltopfer klagen aber auch, der Staat schütze sie nicht ausreichend. Feministinnen ärgern sich jedenfalls darüber, dass Präsident Andrés Manuel López Obrador sich über Frauenrechtsdemonstrationen zum 8. März abfällig geäußert hat.

Derweil beansprucht seine Regierung, eine „feministische Außenpolitik“ zu betreiben, die Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte fördere. Sie ist stolz auf eine Reform zur Geschlechterparität und die Tatsache, dass mehr Frauen politische Führungspositionen innehaben. Im Bundeskabinett besetzen Frauen acht von 19 Plätzen. Acht von 31 Bundesstaaten werden von Gouverneurinnen regiert. Laut nationalem Statistikinstitut INEGI hat jede vierte Kommune eine Bürgermeisterin. Geschlechterparität ist das nicht, Frauen sind aber auch keine Ausnahmen mehr.

Stichworte der Regierung

2020 sagte Außenminister Marcelo Ebrard, die Regierung sei feministisch, also gelte das auch für die Außenpolitik. Frauenrechtsaktivistinnen finden das grundsätzlich gut, fragen sich aber, was das konkret bedeutet. Relevante Stichworte gibt dazu die Website der Bundesregierung:

  • Außenpolitik mit Geschlechterperspektive,
  • eine paritätisch besetzte Behörde,
  • ein Außenministerium frei von Gewalt,
  • sichtbare Gleichheit und
  • intersektionale Politik.

Gut ist, dass Mexiko als erstes lateinamerikanisches Land in der Außenpolitik Geschlechterperspektiven formuliert. Fraglich bleibt jedoch, ob ein Staat im Ausland fördern kann, was daheim noch aussteht. Gleichstellung ist nicht erreicht, und um die Achtung der Menschenrechte von Frauen – besonders das Recht auf ein Leben ohne Gewalt – steht es schlecht.

Bei anderen Punkten geht es dem Ministerium offensichtlich um sich selbst – und auch da gibt es noch viel zu tun. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen (Botschafterinnen und Konsularinnen) ist mit knapp 30 Prozent praktisch unverändert, seit die feministische Außenpolitik proklamiert wurde. Die Aufstiegschance von Frauen haben sich also wohl nicht verbessert.

Anfang des Jahres musste das Außenministerium die Ernennung des mexikanischen Botschafters in Panama zurückziehen. Es hatte Belästigungsvorwürfe gegen ihn gegeben und eine wirksame Kampagne in sozialen Medien nutzte das Motto „Ein Belästiger wird nicht Botschafter“. Pikant war allerdings, dass Panama den Mann ablehnte, die Entscheidung also nicht von Mexikos feministischer Politik inspiriert war.

Andererseits bemüht sich das Ministerium darum, Leistungen von Frauen im Auswärtigen Dienst bekannt zu machen. Es veröffentlicht entsprechend Biografien und Profile. Es finden auch Schulungen statt, um Personal auf geschlechtsspezifische Themen aufmerksam zu machen. Unter anderem soll es effizienter auf Fälle von Gewalt und Belästigung reagieren können – und zwar nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch, wenn sich Menschen an eine mexikanische Auslandsvertretung wenden. Interessant war der Fall einer Mitarbeiterin, die in Katar Missbrauchsopfer wurde. Ihr Minister wurde darauf erst aufmerksam, als ein Medienwirbel entstand, unterstützte sie dann aber juristisch.

„Intersektionalität“ bedeutet, dass Geschlechterthemen im Zusammenhang mit anderen Diskriminierungsformen wie etwa Rassismus behandelt werden. Relevante Fragen sind also, wie Mexiko mit Migrantinnen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen umgeht, und ob sie beispielsweise auf der Durchreise durch Mexiko von Kindern getrennt werden. Nicht nur was Migration angeht (siehe meinen Kommentar auf www.dandc.eu), gibt es im mexikanischen Alltag klare Defizite.


Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México (UNAM) und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
virmercado@yahoo.com.mx

 

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