Editorial

Vernetzte Herausforderungen

Seit der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen vor zehn Jahren wurden weltweit Fortschritte im Kampf gegen die Armut erzielt. Die große Ausnahme des insgesamt erfreulichen Trends bilden Länder, in denen Bürgerkriege und Gewalt den Alltag prägen oder das kürzlich taten. Sicherheit ist mithin ein zentrales Thema der Entwicklungspolitik.

Besonders deutlich wird das in Afghanistan. Dieses Land beherrscht die Diskussion in den Gebernationen, weil sie Truppen dorthin geschickt haben. Offensichtlich ist die Lage in den vergangenen Jahren nicht besser, sondern schlimmer geworden. Also werden Fragen nach dem Sinn der Mission und der Wirkung der Entwicklungspolitik gestellt. Die Holländer haben beschlossen, ihre Soldaten heimzuholen. Die Bundeswehr und andere NATO-Armeen bleiben dagegen vor Ort.

Vielen entwicklungspolitischen Akteuren ist die Kooperation mit dem Militär nicht geheuer. Sie fürchten, vereinnahmt und instrumentalisiert zu werden. Viele fühlen sich an den Vietnamkrieg erinnert. In Afghanistan sind die Verhältnisse aber ganz anders. Für das ethnisch recht homogene Vietnam hatte der Vietcong Entwicklungspläne. Diese Diagnose fällt im Rückblick leicht, denn nur anderthalb Jahrzehnte nach dem Abzug der US-Truppen schwenkte die kommunistische Führung der besseren Ergebnisse wegen auf Marktwirtschaft um. Im geografisch wie kulturell zerklüfteten Afghanistan haben die Aufständischen dagegen keine kohärente Vision für das Land. Zögen die Alliierten ab, würden sie vermutlich übereinander herfallen, wie das schon der Fall war, als sich die Rote Armee geschlagen gab.

Der Kalte Krieg ist lange vorbei. Heute ist die westliche Militärdoktrin in Afghanistan auf zivilen Aufbau ausgerichtet. Friedensbewegte haben nicht nur in Deutschland immer argumentiert, Sicherheit könne nicht einfach Truppen und Panzern anvertraut werden, sondern sei eine umfassende gesellschaftliche Angelegenheit. Dieser Sicht hat sich längst auch die Bundesregierung mit dem Begriff „vernetzte Sicherheit“ angeschlossen.

Zugleich haben in den vergangenen Jahren entwicklungspolitische Institutionen ihre Konzepte modernisiert. Anstatt nach einer Katastrophe abzuwarten, bis staatliche Strukturen im betroffenen Gebiet wieder einigermaßen leistungsfähig sind, suchen sie schon während der unmittelbaren Nothilfe nach Anknüpfungspunkten für den langfristigen Wiederaufbau. Das entspricht umfassenden Sicherheitsvorstellungen – bedeutet aber auch, dass humanitäres Engagement eine politische Dimension bekommt.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass Entwicklung und Sicherheit eng verwoben sind. Im Einzelfall müssen staatliche wie zivilgesellschaftliche Akteure immer wieder neu abwägen, wie viel Parteilichkeit sein darf und muss. Jede pauschale Antwort auf diese schwierige Frage ist sinnlos.

Afghanistan ist derweil leider nur ein Krisenland von vielen. Die internationale Gemeinschaft ist offenkundig weder bereit noch in der Lage, überall dort militärisch durchzugreifen, wo Menschen Schutz brauchen. Stellvertretend seien hier nur die DR Kongo und Somalia genannt. Deshalb sind – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg in Afghanistan – Initiativen wie der Zivile Friedensdienst sinnvoll. Es kommt in der Tat darauf an, Krisen vorzubeugen und Methoden der friedlichen Konflikt­lösung zu nutzen – denn militärisch allein lässt sich Sicherheit eben wirklich nicht bewirken. (Hans Dembowski)

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