Afrikanisches Unbehagen

Asiaten haben schon lange großen Einfluss auf die Ökonomien südlich der Sahara. Die Chinesen sind nur als letzte hinzugekommen. Zwar freuen sich Verbraucher über günstige Waren aus der Volksrepublik, aber der Wettbewerb wird für heimische Hersteller härter. Aus Sicht vieler Afrikaner unterscheiden sich Chinesen insgesamt kaum von Händlersippen mit Wurzeln in Südasien oder dem Nahen Osten.

[ Von Mohamed Guèye ]

Ende der 1990er Jahre kamen viele Chinesen nach Afrika – vielleicht nicht für immer, aber doch auf längere Zeit. Meist brachten sie ihre Familien mit und eröffneten kleine Läden, in denen sie Waren aus der Heimat verkaufen. Diese Güter sind preiswerter als die in anderen Geschäften. Dank der Chinesen können viele Väter ihrem Nachwuchs heute gute Kleidung zu vertretbaren Preisen kaufen. Auch einfache Arbeiter können ohne schlechtes Gewissen, nur wegen eines Kinderwunsches andere Familienmitglieder zu kurz kommen zu lassen, etwas Geld beiseite legen, um ihren Kids ein Fahrrad oder Spielzeug zu kaufen.

Bevor die Chinesen kamen, verkauften auch andere Händler Schuhe oder Textilien aus der Volksrepublik – neben elektronischem Gerät aus Hongkong oder Tee aus Sri Lanka. Viele Ladenbesitzer waren afrikanischer Herkunft, andere hatten arabischen oder südasiatischen Hintergrund. Ihre Preise waren aber für durchschnittliche Arbeiter zu hoch. Die chinesischen Läden haben den Lebensstandard vieler Afrikaner steigen lassen.

Viele Haushalte können sich mittlerweile sogar Videorekorder oder DVD-Spieler leisten – Kühlschränke nicht zu vergessen. Selbst wenn es nicht die besten japanischen oder deutschen Marken sind, die Geräte funktionieren. Und wenn sie kaputtgehen, wirken afrikanische Reparaturkünstler Wunder.

Wenig überraschend schließen sich afrikanische Kaufleute mit ihrer längst etablierten indischen oder libanesischen Konkurrenz zusammen und jammern über die neuen Rivalen. Ihr Vorwurf ist „unlauterer Wettbewerb“. Denn die Chinesen beziehen Waren direkt von den Herstellern in der Volksrepublik. Dazu sind die anderen Händler nicht in der Lage. Da aus Verbrauchersicht die chinesischen Kaufleute geradezu vom Himmel gesandt scheinen, müssen sich die Konkurrenten vorsichtig artikulieren. In der Tat wird es aber zunehmend schwer, lokal hergestellte Dinge, wie Stielpfannen oder Lederschuhe, zu bekommen. Die traditionellen Lieferanten für Afrikas Verbrauchermärkte kommen im Wettbewerb immer weniger mit.

Asiatische Präsenz hat südlich der Sahara eine lange Geschichte. Während einige Politiker und Wirtschaftsleute sie begrüßen, tut das längst nicht jeder. Zum Teil ist das auch auf das Verhalten mancher Asiaten zurückzuführen. Angesichts der wachsenden Spannungen sah sich Chinas Präsident Hu Jintao zur Klarstellung veranlasst, sein Land beabsichtige nicht, Afrika neu zu kolonisieren. So könnten sich sinnvollerweise auch politische Führer anderer Länder äußern – insbesondere aus dem Nahen Osten, Malaysia und Indien. Auf viele Afrikaner wirken Asiaten heute wie neue Eroberer, die übernehmen wollen, was die ehemaligen Kolonialherren aus Europa zurückgelassen haben.

Postkoloniale Beziehungen

Araber leben schon seit Jahrzehnten südlich der Sahara, viele haben die Staatsangehörigkeit ihrer Wahlheimat angenommen. Es gibt kein Land in West- oder Zentralafrika ohne Bevölkerungsgruppen libanesischen oder syrischen Ursprungs. Im Osten und Süden des Kontinents gibt es kein Land ohne Diasporagemeinschaft mit Wurzeln in Indien und Pakistan. Häufig sind die in zweiter, dritter oder gar vierter Generation in Afrika lebenden Einwanderer in Industrie und Handel tätig, manche verfügen in bestimmten Sektoren über Monopolstellungen. Ihre Rolle in der Wirtschaft ist tendenziell so dominant, dass die Regierungen ihren Wünschen folgen.

Viele asiatische Familien leben seit der Kolonialzeit in Afrika. Libanesen und Syrer, deren Heimat nach dem zweiten Weltkrieg zum französischen Herrschaftsgebiet gehörte, emigrierten in französische Kolonien. Ähnlich kamen Menschen vom indischen Subkontinent in britische Kolonien. Normalerweise hatten sie die Staatsangehörigkeit der Kolonialmacht und waren den Behörden daher willkommen. Oft drangen Familienmitglieder dann weiter in Nachbarländer vor. Die meisten waren so klug, die Nationalität des Landes, in dem sie lebten, anzunehmen, sodass sie heute ihren Geschäften rechtlich ungehindert nachgehen können.
In den meisten ehemals französischen Kolonien in Westafrika waren Libanesen wie Franzosen wichtige Industrieinvestoren. Sie kontrollierten auch Teile der Handelsnetzwerke. Selbst in der ehemals britischen Kolonie Sierra Leone waren Libanesen wichtig. Vor dem Bürgerkrieg, der das Land verwüstete, kontrollierten sie die Diamantenminen dort – und heizten die Spannungen durch Waffenlieferungen an bestimmte Parteien an.

Obwohl viele libanesische, syrische oder indische Familien seit Generationen in Afrika leben, gelten sie immer noch als Fremde. Normalerweise tun sie kaum etwas dafür, das zu ändern. Von einigen wenigen erfolgreichen Integrationsbeispielen abgesehen, leben sie sozusagen in „luxuriösen Ghettos“. Sie haben kaum Kontakt zur indigenen Bevölkerung, abgesehen von der Beziehung von Herren mit Knechten. Obwohl sie die Landessprachen beherrschen und lokale Traditionen kennen, verhalten sie sich nicht, als seien sie Teil des afrikanischen Mainstreams. Sie haben ihre eigenen Schulen und besondere Ecken auf den Friedhöfen. Mischehen kommen praktisch nicht vor. Viele investieren einen Großteil ihres Kapitals im Ausland und nicht dort, wo sie ihr Geld verdienen.

Als die politische Lage in der Elfenbeinküste 2005 so schwierig wurde, dass die französische Armee begann, französische Staatsbürger zu evakuieren, gingen viele ethnische Libanesen mit – dank ihrer französischen Pässe. Die meisten waren zugleich Staatsbürger der Elfenbeinküste, aber das gab ihnen keine Sicherheit. Obwohl sie Muslime sind – wie die Mehrheit der Bevölkerung der Elfenbeinküste –, hatte die libanesische Volksgruppe offenbar nicht das Gefühl, wirklich dorthin zu gehören.

Viele arabische Länder unterstützen afrikanische Länder und Gemeinden. Sie finanzieren Entwicklungsprojekte und fördern religiöse Bildung. Saudi-Arabien, Libyen oder Kuwait gehören zu den wichtigsten Gebern südlich der Sahara. Sie finanzieren viele Vorhaben – etwa in den Bereichen Wasserversorgung, Energie oder Straßenbau. Dieses Geld muss nicht zurückgezahlt werden. Aber es fließt hauptsächlich in Länder, die mit den Gebern die Religion gemein haben oder israelfeindlich eingestellt sind.

Für überwiegend muslimische Länder ist Saudi-Arabien eines der wichtigsten Geberländer. Die Saudis fördern vor allem den Islam. Sie bauen Moscheen, unterstützen religiöse Schulen und verteilen den Koran – sogar dort, wo der Islam nicht die dominante Religion ist. Darüber hinaus propagieren sie strenge Traditionen, wie die Verschleierung der Frau, die sich in vielen Ländern Afrikas schnell ausbreitet.

Dass arabische Regime finanzielle Muskeln spielen lassen, um politischen Einfluss – bis hin zur Destabilisierung ganzer politischer Systeme – auszuüben, heißt nicht, dass ihnen wirklich an den Menschen südlich der Sahara läge. Es geht schlicht um politische und ökonomische Interessen. Da Saudi-Arabien, Libyen, Kuwait und die Emirate indessen nicht immer dieselben Ziele verfolgen, fühlen sich ihre afrikanischen Partner manchmal auch zwischen ihren arabischen „Freunden“ hin- und hergerissen. Normalerweise haben libysche oder syrische Diasporas in Afrika nicht automatisch guten Kontakt zu den arabischen Geberländern – sonst wäre die arabische Präsenz wahrscheinlich noch deutlicher zu spüren. Auch die indische Regierung scheint sich noch nicht lange der großen und einflussreichen südasiatischen Diaspora bewusst zu sein. Es bleibt abzuwarten, wie Delhi versuchen wird, daraus politischen oder wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.

Chinesischer Einfluss

In Folge der Liberalisierungspolitik, die sich in den 90ern im Großteil Afrikas durchsetzte, traten neue Spieler auf. Afrikanische Volkswirtschaften öffneten sich, als China, Indien und auch weniger schnell wachsende asiatische Ökonomien wie Malaysia nach neuen Rohstoffquellen für ihre aufblühenden Industrien zu suchen begannen.

China, die stärkste Kraft, hat noch keine lange Afrika-Erfahrung. Der Kontinent wurde erst 1973, als US-Präsident Richard Nixon nach Beijing reiste, wirklich auf die Volksrepublik aufmerksam. Damals begannen die Chinesen die Eisenbahn von Tansania nach Sambia (Tazara) zu bauen – dieses Projekt befreite das Binnenland Sambia aus der Abhängigkeit von nach Süden führenden Eisenbahnstrecken, welche die Apartheidregierungen in Rhodesien und Südafrika kontrollierten. Darüber hinaus wurden die Chinesen in ganz Afrika für Stadien bekannt, die sie als „Geschenke der Volksrepublik“ in Hauptstädten errichteten. Sie sind auch für einige der riesigen und hässlichen „Volkspaläste“ verantwortlich, in denen Afrikas Diktatoren die Eliten ihrer Regime versammelten oder die Erholungszwecken dienten.

Es dauerte weitere 25 bis 30 Jahre, bis China wirklich eine wichtige Rolle in Afrika übernahm – und zwar eine von wachsender Bedeutung. Die Veränderung des Einzelhandels durch kleine chinesische Läden spiegelt im Kleinen den Einfluss großer chinesischer Unternehmen auf afrikanische Volkswirtschaften wider. Im Bausektor und bei öffentlichen Aufträgen machen chinesische Firmen großen westlichen Konkurrenten ernsthaft Druck. Zu deutlich günstigeren Preisen bauen sie Straßen, Brücken und andere Infrastrukturen.

Außerdem haben sie begonnen, in die Industrie zu investieren. Doch während die Verbraucher chinesische Unternehmen schätzen, sind die, die für sie arbeiten, weniger begeistert. In den meisten von Chinesen geführten Unternehmen klagen afrikanische Mitarbeiter über geringe Löhne und die Missachtung des Arbeitsrechts. In Malawi und Nigeria streikten Arbeiter chinesischer Firmen. In Senegal verschwand das chinesische Management einer Fischverarbeitungsfabrik plötzlich – und hinterließ Schulden in Höhe von rund 150 000 Euro. In Sambia wurden Kupferminenarbeiter brutal gefeuert, weil sie für bessere Löhne demonstrierten. In Guinea drohten Arbeiter, die in der Hauptstadt eine Straße bauten, mit Streik.

Politisch ist Chinas Einfluss nicht begrüßenswert. Im Sudan unterstützt die Volksrepublik eine besonders repressive Regierung. Offenbar ist Beijing an den Ölreserven des Landes interessiert. Verschiedene solcher Beispiele lassen Afrikaner denken, dass die Chinesen auf ihrem Kontinent eigene Interessen verfolgen und sich nicht wirklich um Entwicklung kümmern. In diesem Sinne halten sie die Chinesen nicht für anders als Araber oder Inder.

Heute konkurrieren die asiatischen Schwellenländer mit dem Westen um Afrikas Rohstoffe, und das ist schon auf kleinster Ebene zu beobachten. Indische Hersteller suchen auf den Müllhalden afrikanischer Großstädte nach Alteisen und verschiffen es nach Indien. So treten sie in direkten Wettbewerb mit kleinen Handwerkern, für die Eisenschrott der einzig verfügbare Rohstoff ist. Andererseits hat sich der Stahl-Multi Arcelor Mittal, eine Aktiengesellschaft aus der EU mit indischem Mehrheitseigner, den Zugang zu Eisenerzen in Senegal und anderen afrikanischen Ländern gesichert.

Die Solidarität der Dritten Welt, die den Unabhängigkeitskampf der Gründungsväter in Afrika und Asien prägte, scheint Vergangenheit zu sein. Heute kämpft jedes Land für sein eigenes Wohl. Afrikaner müssen achtgeben, dass andere – wie freundlich sie auch wirken – sie nicht ausbeuten und noch ärmer dastehen lassen als zuvor.

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