Entwicklungskredite

Begrenzte Souveränität

„Süd-Süd-Kooperation" ist kein klarer Begriff. Verschiedene Leute verstehen darunter verschiedene Dinge. Es wäre gut, wenn der UN-Gipfel zum Thema im März in Buenos Aires klarere Definitionen beschlösse.
Ecuador tut sich schwer, chinesische Schulden zu bedienen: Präsident Lenín Moreno zu Besuch bei Präsident Xi Jinping im Dezember 2018. Wong/picture alliance/AP Photo Ecuador tut sich schwer, chinesische Schulden zu bedienen: Präsident Lenín Moreno zu Besuch bei Präsident Xi Jinping im Dezember 2018.

Was als Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) gilt, bestimmen klare Regeln, denn die etablierten Wirtschaftsmächte haben sich verpflichtet, Entwicklungsländer mit ODA zu unterstützen. Süd-Süd-Kooperation ist sicherlich ähnlich wichtig, aber das Konzept ist für sinnvolle Vergleiche zu vage.

Manchmal wird es romantisch überhöht. In einer Veröffentlichung des South Centre (Research Paper 88, November 2018) stand kürzlich, es handele sich um einen „hierarchie-freien Ausdruck der Solidarität zwischen gleichen Partnern". Das South Centre gehört Ländern aus dem globalen Süden. Der Autor schloss jegliche Form des Austauschs zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern in den Begriff ein – von Handel über Direktinvestitionen bis hin zu ODA-ähnlichen Darlehen.

Das kling politisch korrekt, ist faktisch aber falsch. Mächtige Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien sind für die geringstentwickelten Länder keine gleichrangigen Partner. Wer riesige Kredite vergeben kann, ist offensichtlich Partnern, die dieses Geld dringend brauchen, deutlich überlegen. Zudem haben Rohstoffexporteure andere Interessen als ein rohstoffverarbeitendes Zentrum der Industrieproduktion wie China. Relevant ist zudem, dass Chinas Beziehung zu Indien oder Brasilien durchaus spannungsreich ist.

China ist das zweitmächtigste Land der Welt und spielt global eine wachsende Rolle. Seine „Belt and Road Initiative" (BRI) finanziert und baut Infrastruktur in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Europas. Es geht um Straßen, Häfen, Kraftwerke und derlei mehr. Auch in Lateinamerika ist die Volksrepublik entsprechend engagiert.

Alle betroffenen Länder brauchen dringend mehr und bessere Infrastruktur. Dennoch gibt es Kritik an China. Es agiert intransparent; die Öffentlichkeit weiß nicht, welche Finanzverpflichtungen entstehen. Obendrein misslingen manche Vorhaben, und Staaten müssen dann Kredite bedienen, die sich als wertlos erwiesen haben.

Derzeit ringen beispielsweise die Regierungen von Pakistan, Sri Lanka und Ecuador mit Schuldenbergen, die ihre Vorgänger aufgetürmt haben. Die vorherigen Amtsträger sind – milde formuliert – umstritten. Zu den Kritikpunkten gehören Korruption und schlechte Amtsführung.

Derlei zeigt, dass Souveränität Grenzen hat. Grundsätzlich behauptet Peking, es mische sich nicht in interne Angelegenheiten anderer Länder ein. De facto haben chinesische Kredite aber großen Einfluss auf den langfristigen Handlungsspielraum der Partnerregierung. Er wächst, wenn Projekte gelingen, und schrumpft deutlich, wenn sie scheitern. Gelegentliche Schuldenerlasse, für die China bekannt ist, lösen das Problem nicht. Sri Lanka erließ China beispielsweise rund 1 Milliarde Dollar, reklamierte im Gegenzug dafür aber die Nutzung eines neugebauten Hafens für sich – ein Jahrhundert lang. Colombo konnte dieses Angebot nicht ablehnen.

Es ist kurzsichtig, China dafür zu loben, dass es auf die Art von Konditionen verzichtet, an die etablierte Industrieländer ihre ODA knüpfen. Das Handeln einer souveränen Regierung ist nun mal nicht in jedem Fall legitim. Unseriöse Politiker nehmen Darlehen auf, deren Folgen erst zu spüren sind, wenn sie nicht mehr im Amt sind. Aus diesem Grund interessieren sich die etablierten Geber heute für Governance-Themen. Allzu viele ihrer Projekte scheiterten.

In den USA warnen nun konservative Kommentatoren, jeder chinesische Kredit sei eine Schuldenfalle. Das ist überzogen. Selbstverständlich muss China weltweit Beiträge zum Erreichen der Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele leisten. Dafür wären klare Regeln für Süd-Süd-Kooperation nützlich. Sie wären auch im wohlverstandenen Eigeninteresse Chinas und anderer aufstrebender Schwellenländer. Tatsächlich zeigt Peking Bereitschaft, beim Thema Schuldentragfähigkeit mit westlichen Regierungen zu kooperieren und die eigene Kreditpraxis zu überdenken. Angesichts riesiger Herausforderungen braucht die Weltgemeinschaft nüchterne Bestandsaufnahmen – sowie Zusammenarbeit, die zu Resultaten führt. Darauf muss der Gipfel in Buenos Aires hinarbeiten.


Hans Dembowski ist der Chefredakteur von E+Z/D+C.
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Link
Yuefen Li, 2018: Assessment of south-south cooperation and the global narrative on the eve of BAPA+40, Genf: South Centre.

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