Afrikanische Sicht

Dreifache Herausforderung

Mit Blick auf Covid-19 müssen die afrikanischen Länder ihre eigenen Fähigkeiten aktivieren. Die Hoffnung auf Unterstützung von außen macht noch weniger Sinn als vor der Pandemie.
Fotosafari im Masai-Mara-Nationalpark in Kenia: Der Tourismus ist wegen der Pandemie zusammengebrochen. picture-alliance/Godong Fotosafari im Masai-Mara-Nationalpark in Kenia: Der Tourismus ist wegen der Pandemie zusammengebrochen.

Im Vergleich zu anderen Kontinenten hat Afrika bisher nur geringe Corona-Infek­tionszahlen. Dies ist zum Teil auf mangelnde Testmöglichkeiten und einen vergleichsweise geringen Austausch des Kontinents mit Pandemie-Epizentren in Asien, Europa und den USA zurückzuführen. Die politisch Verantwortlichen in Afrika müssen sich aber einer dreifachen Herausforderung stellen. Sie müssen:

  • mit schlecht ausgestatteten öffentlichen Gesundheitssystemen zurechtkommen,
  • Volkswirtschaften verwalten, die durch informelle Geschäfte und Exportorientierung gekennzeichnet sind, und
  • mit einer entstehenden bipolaren internationalen Ordnung umgehen, die durch die wachsende Rivalität zwischen China und den USA gekennzeichnet ist.

In afrikanischen Gesundheitssystemen mangelt es an Fachpersonal, Testkapazitäten und Krankenhausausstattung. Auf der anderen Seite hat Afrika Erfahrungen mit der Eindämmung von HIV/Aids und Ebola. Diese Erfahrungen werden helfen. Die Menschen auf dem Kontinent sind gut darin, Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.

Da medizinische Masken teuer sind – und allzu oft gar nicht erhältlich – verwenden die Afrikaner Textilmasken. Afrikanische Länder stellen Artikel wie Mundschutzmasken und Handdesinfek­tionsmittel her. Einheimische digitale Plattformen bieten Möglichkeiten für Bildung, Gesundheit und Handel – wenn auch nur begrenzt. Der Senegal hat bei der Entwicklung von Testkits eine Vorreiterrolle übernommen.

Es ist jedoch eine Herausforderung, dass die meisten Menschen die Pandemie als ein Problem der Oberschicht betrachten, das weder arme Menschen noch ländliche Gebiete betrifft. Die Regierungen müssen nun gute Aufklärungskampagnen durchführen.

Darüber hinaus wäre es gut, wenn sich der Kontinent auf Standards für den Umgang mit der Pandemie einigen würde. Die meisten afrikanischen Länder haben aus folgenden Gründen einen völligen Lockdown vermieden:

  • ihre Sozialschutzsysteme sind schwach,
  • ihre Wirtschaft ist weitgehend informell und
  • sie wollten möglichen sozialen Unruhen vorbeugen.

Um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, setzten afrikanische Länder meist auf teilweise Lockdowns, nächtliche Ausgangssperren und soziale Distanzierung. Diese Maßnahmen zerstörten jedoch fast 80 Prozent der in den Städten vorhandenen Gelegenheitsjobs im Dienstleistungssektor. Die Mantras „von zu Hause aus arbeiten“ und „digital arbeiten“ ergeben in informellem Gewerbe, das die physische Anwesenheit der Arbeiter erfordert, keinen Sinn.

Bis zu einem gewissen Grad passt sich der Dienstleistungssektor jedoch an. Putzfrauen, die in Haushalten arbeiten, sitzen jetzt an Straßenkreuzungen in den Wohngebieten Nairobis und bieten ihre Dienstleistungen Menschen der Mittelschicht an, die von zu Hause aus arbeiten. Logistik- und Lieferdienste erleichtern den Online-Einkauf. Hauslieferungen und private Dienstleistungen für Menschen in Not werden immer üblicher. Landwirtschaftliche Produkte werden immer noch in die Städte gebracht.

Auf der anderen Seite haben Reisebeschränkungen dem Tourismussektor geschadet. Die Abhängigkeit von Importen hat sich ebenfalls als problematisch erwiesen. Es ist offensichtlich, dass inländische Lösungen erforderlich sind.

Dies gilt umso mehr, als die Covid-19-Pandemie eine neue bipolare Logik beschleunigt, bei der afrikanische Regierungen mit der sich verschärfenden Rivalität zwischen China und den USA umgehen müssen. Die Afrikaner sind sich des Rassismus in beiden Supermächten bewusst. Die Schuldenlast ist ein ernstes Problem – und es wird sich noch verschlimmern, da dieses Jahr durch Covid-19 voraussichtlich 30 Prozent der afrikanischen Steuereinnahmen wegfallen. China ist heute Afrikas wichtigster Gläubiger, aber die USA kontrollieren einen Großteil des internationalen Finanzsystems und sind in Fragen des Schuldenerlasses stets zurückhaltend.

Gegenwärtig wirken die politischen Systeme Afrikas, die lange Zeit von Korruption und Deindustrialisierung geprägt waren, immer dysfunktionaler. Regierungen, die auf die Unterstützung von Gebern hofften, finden nun auch traditionelle Geberländer in Bedrängnis. Afrikanische Länder müssen nun auf die heimischen Fähigkeiten bauen.


James Shikwati ist der Gründer und Direktor des Inter Region Economic Network (IREN Kenya).
james@irenkenya.com
Twitter: @shikwatiJames
https://irenkenya.com/

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