Humanitäre Hilfe

Vorsorge ist besser

Infolge des Klimawandels nehmen Extremwetterereignisse wie starke Stürme und Überschwemmungen weltweit zu. Hilfe für die Betroffenen von Naturkatastrophen kommt in der Regel im Nachhinein. Präventiv würde sie jedoch besser wirken. In Bangladesch werden entsprechende neue Konzepte erprobt.
Bei den diesjährigen Überschwemmungen in Bangladesch hat das Deutsche Rote Kreuz vorab Bargeld an Betroffene verteilt, damit sie sich und ihr Vieh retten konnten. Asad/picture-alliance/ZUMA Press Bei den diesjährigen Überschwemmungen in Bangladesch hat das Deutsche Rote Kreuz vorab Bargeld an Betroffene verteilt, damit sie sich und ihr Vieh retten konnten.

Bangladesch ist aufgrund seiner geografischen Lage im Monsungebiet und im Mündungsdelta mehrerer großer Flüsse, seiner langen Küste und seines flachen Tieflands stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Im langfristigen Klimarisiko-Index der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, der die vergangenen 20 Jahre abbildet, steht das Land auf Rang sechs. In diesem Sommer haben beispielsweise Monsunregen, die deutlich stärker waren als in der Region üblich, die Ernte von 1,5 Millionen Bauern zerstört – und damit ihre Lebensgrundlage.

„Die Folgen des Klimawandels gehören zu den größten Hemmnissen von Entwicklung“, betont Rashedujjaman Rashed vom bangladeschischen Außenminis­terium. Die Situation in seinem Land sei auch deshalb so gravierend, weil es extrem dicht besiedelt ist. Die Regierung gehe das Problem mit mehreren Initiativen an und habe beispielsweise 400 Millionen Dollar eigenes Geld für die Bewältigung von interner Vertreibung aufgrund von Klimawandel und Katastrophen bereitgestellt. Aber: „Wir brauchen auch internationale Unterstützung“, sagte Rashed auf einer Veranstaltung bei der Weltklimakonferenz im November in Bonn. Allein könne Bangladesch es nicht schaffen.

Deshalb und aufgrund seiner hohen Verwundbarkeit gehört Bangladesch zu den Pilotländern, in denen das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ein neues Konzept der Nothilfe erprobt. Bisher war der Ablauf in der Regel so: Eine Naturkatastrophe tritt ein, Menschen geraten dadurch in eine Notlage, ihr Hilfebedarf wird ermittelt. Dann rufen humanitäre Organisationen international zu Spenden auf. Von dem Geld werden Nahrungsmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter gekauft und an die Betroffenen verteilt.

Der neue Ansatz zielt darauf ab, Hilfe zu leisten, bevor eine Katastrophe eintritt. Dazu werden Prognosen wie Wettervorhersagen und satellitendatengestützte Berechnungen genutzt. Laut Stefanie Lux vom DRK sind diese mittlerweile so exakt, dass ziemlich genau berechnet werden kann, wo etwa ein Tropensturm auf Land trifft und wie viele Menschen von seinen Folgen betroffen sein werden. Die Prognosen wirken zusammen mit dem berechneten Risiko als Trigger, der die Auszahlung von Geld auslöst.

Die im Juli dieses Jahres gemachten Erfahrungen sind vielversprechend. Vor den großen Überschwemmungen, die Teile von Bangladesch getroffen haben, verteilte das DRK Bargeld in Höhe von je 55 Euro an 1039 Haushalte. Das entspreche etwa einem monatlichen Durchschnittseinkommen. „Davon konnten die Menschen Nahrungsmittel für sich selbst und Futter für die Tiere kaufen“, berichtet Lux. Zudem konnten die Betroffenen sich selbst und ihr Vieh in Sicherheit bringen.

Eine Analyse nach den Überschwemmungen hat Lux zufolge ergeben, dass deutlich weniger Menschen als bei einer derartigen Naturkatastrophe üblich gezwungen waren, Kühe oder andere Vermögenswerte zu verkaufen. „Vor allem sehr Arme, die keinerlei Rücklagen haben, müssen sonst häufig etwas zu Bargeld machen, um sich auf Überschwemmungen vorzubereiten“, erklärt Lux. In Notsituationen sänken die Preise, was die Menschen weiter benachteilige. Nach der Katastrophe könnten sie das, was nun fehle, oft nicht zurückkaufen, rutschten also noch weiter in Armut ab.

Der neue Ansatz setzt ein ganz neues Finanzierungskonzept von Nothilfe voraus. Ziel ist der Aufbau eines antizipativen Systems, das die heutige Spendenpraxis auf den Kopf stellen würde. Laut Lux besteht darin bisher die größte Hürde.


Neuer BMZ-Fonds

Ein weiterer – ebenfalls vorbeugender – Beitrag, mit den Folgen des Klimawandels fertigzuwerden, sind Klimarisikoversicherungen. Vera Scholz, Leiterin der Abteilung Klima, Umwelt und Infrastruktur der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hält sie für ein „sehr wichtiges, kosteneffizientes und verlässliches“ Instrument, um Leben und Lebensgrundlagen zu retten. Die KfW bietet eine derartige Versicherung in Bangladesch an, finanziert wird sie aus einem neuen Fonds des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Im Fall einer Naturkatastrophe sollen aus dem Versicherungsgeld etwa Nahrungsmittel und Medikamente bezahlt oder Notunterkünfte und Schulen gebaut werden. Weltweit sind derzeit laut Scholz erst 150 Millionen Menschen auf diese Weise abgesichert. Das BMZ will 500 Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern bis 2020 erreichen. Das Ziel sind nicht allein Versicherungsprodukte für Staaten; auch Städte, Unternehmen, Dorfgemeinschaften oder einzelne Haushalte sollen sich versichern können.

Häufig zwingen Extremwetterereignisse Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Gute Vorbereitung kann dazu beitragen, das zu verhindern. Walter Kälin von der Platform on Disaster Displacement (PDD) hält die Unterstützung von Menschen dahingehend, dass sie nicht fliehen müssen, für besonders wichtig. PDD ist die Nachfolge-Organisation der Nansen-Initiative, deren Ziel der Schutz von Menschen ist, die von Naturkatastrophen vertrieben werden (siehe E+Z/D+C e-Paper 2017/04, S. 26). In Bangladesch sind das jedes Jahr Hunderttausende. Wenn das Risiko jedoch zu hoch sei, sei es „besser, Menschen zu evakuieren, bevor sie zu Opfern werden“, betont Kälin. Eine geplante Umsiedlung sei besser als eine überstürzte Flucht. Auch dafür ist der vorausschauende Hilfsansatz gut.

 

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