Außergerichtliche Hinrichtungen

„Krieg gegen die Armen“

In den Philippinen wenden sich christliche geistliche Führer gegen den blutigen Anti-Drogen-Krieg von Präsident Rodrigo Duterte. Diese Haltung wurde kürzlich auf einer ökumenischen Konferenz in Bonn bestätigt.
Andenken an die Opfer von Dutertes Anti-Drogen-Krieg an Allerheiligen in Manila. Marquez/picture-alliance/AP Photo Andenken an die Opfer von Dutertes Anti-Drogen-Krieg an Allerheiligen in Manila.

„Als wir ins Kloster gingen, haben wir nicht unsere Staatsbürgerschaft abgelegt.“ Diese Antwort gibt Schwester Mary John Mananzan Kritikern, die der Ansicht sind, sie solle sich nicht in die Politik einmischen. Doch das hat die Benediktiner-Nonne schon immer getan: Sie kämpfte gegen die Diktatur von Ferdinand Marcos in den 1970er Jahren und gründete 1984 die Frauenorganisation GABRIELA mit, deren Vorsitzende sie mehr als zehn Jahre lang war. Heute beteiligt sich Mananzan an Protesten gegen die Morde im Zusammenhang mit Dutertes sogenanntem Anti-Drogen-Krieg. Ihrer Ansicht nach haben geistliche Führer die moralische Pflicht, sich öffentlich gegen Hinrichtungen auszusprechen.

Offiziellen Daten zufolge töteten philippinische Polizisten zwischen Juli 2016 und September 2018 bei Anti-Drogen-Einsätzen 4 948 Menschen. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um verdächtige Drogen-Dealer oder -Konsumenten, die sich ihrer Festnahme widersetzten. Außerdem brächten sich Drogenhändler auch gegenseitig um.

Nach Schätzungen von Human Rights Watch (HRW) fielen bisher 12 000 Menschen Dutertes Maßnahmen zum Opfer. Polizisten nähmen außergerichtliche Hinrichtungen vor und behaupteten dann, sie hätten in Notwehr gehandelt. Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht stellen Augenzeugen die Hinrichtungen als „kaltblütige Morde unbewaffneter Drogenverdächtiger in Haft“ dar. Für diese Morde sei noch niemand ernsthaft juristisch verfolgt worden. Außerdem hätten es die Philippinen – im Vergleich zu anderen Ländern – gar nicht mit einer ernsthaften Drogenkrise zu tun.

Der Fotojournalist Raffy Lerma zeigte auf der Ökumenischen Philippinenkonferenz Ende Oktober in Bonn seine Bilder – auch von Opfern des Anti-Drogen-Kriegs. Er will, dass die Regierung den illegalen Drogenhandel in den Griff bekommt, zweifelt aber an Dutertes Methoden: „Warum werden arme Menschen ohne Prozess hingerichtet?“ Laut Lerma werden Dealer, die mit Drogen in Millionenwert erwischt werden, vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt. „Sie sterben nicht, anders als die Armen, die wegen Drogen im Wert von 200 Pesos (etwa drei Euro) umgebracht werden.“ Lerma zufolge ist der sogenannte Anti-Drogen-Krieg eigentlich ein Krieg gegen die Armen, denn die meisten Opfer stammen aus den armen Vierteln Manilas und anderer Städte.

Bischof Pablo David rief die Regierung im vergangenen Jahr dazu auf, ihre „grausame und vereinfachte“ Kampagne gegen illegale Drogen zu beenden. Bei der Beerdigung eines von der Polizei getöteten Jugendlichen (siehe Alan Robles in E+Z/D+C e-Paper 2017/10, Debatte) mahnte er, das Rechtsstaatsprinzip nicht aufzugeben. Bischof David ist stellvertretender Vorsitzender der philippinischen Bischofskonferenz und einer der schärfsten Kritiker Dutertes. Andere religiöse Führer schlossen sich seinem Aufruf an. Der bekannteste von ihnen ist Erzbischof Luis Antonio Kardinal Tagle von Manila.

Trotzdem verkündete Duterte in seiner Rede zur Lage der Nation, dass er seinen Kampf gegen illegale Drogen so unerbittlich und abschreckend wie bisher fortsetzen werde. „Sie machen sich Sorgen um Menschenrechte, ich um Menschenleben“, sagte er seinen Kritikern. Mit dieser Aussage sei die katholische Kirche nicht einverstanden, entgegnete Bischof David. Denn sie impliziere, „dass die Opfer von Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogen keine Menschen sind“. Auf Facebook wies der Geistliche darauf hin, dass „Drogenkonsum kein Verbrechen ist, das den Tod verdient“. Vielmehr bräuchten Drogenkranke einen Entzug.

Der Meinung ist auch Pater June Mark Yañez, ein protestantischer philippinischer Pastor, der für die Seemannsmission Hamburg arbeitet. Er betont, dass es eine zutiefst christliche Tradition sei, menschliches Leben wertzuschätzen. Somit verdienten nur Regierungsentscheidungen Unterstützung, die die Menschenrechte und menschliches Leben respektierten.


Emmalyn Liwag Kotte ist freie Journalistin und Mitglied der Arbeitsgruppe, die die jährliche Ökumenische Philippinenkonferenz organisiert.
emmalyn320@hotmail.com


Link

Human Rights Watch World Report 2018:
https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/philippines
 

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