Machtmissbrauch

Zwischen helfen und kuschen

Die Sturmkatastrophe in Birma hat ein weiteres Mal die Gefahren des Klimawandels aufgezeigt. Darüber hinaus macht die desolate Lage im Irrawaddy-Delta deutlich, unter welch machthungrigem Militärregime die Bevölkerung dort leidet – und wie schwierig es für die internationale Gemeinschaft ist, in solchen Ländern Nothilfe zu leisten.

„Ausländische Hilfe ja, ausländische Helfer nein“, lautete das Motto der Regierung. Erst knapp drei Wochen nachdem der Zyklon Nargis das Mündungsdelta verwüstet und die Existenzgrundlage von Millionen zerstört hatte, war sie bereit, asiatische Ärzte ins Land zu lassen.

Das Ausmaß des Elends, das der Wirbelsturm angerichtet hat, ist enorm. Die Medien zeigten Bilder, die an den Tsunami von Weihnachten 2004 erinnern: Leichen, die im brackigen Wasser treiben, Menschen vor den Trümmern ihrer Häuser und Hütten. Noch erschütternder erscheint jedoch die unterlassene Hilfeleistung – nicht des Auslandes, sondern der eigenen Regierung.

Anfang Mai raubte der Zyklon etwa 2,5 Millionen Menschen ihr Obdach. Mittlerweile sind laut Schätzungen bis zu 250 000 Todesfälle zu beklagen. Ausländische Helfer waren sofort einsatzbereit und gut ausgerüstet. Doch das Militärregime weigerte sich, sie ins Land zu lassen.

Daraufhin entbrannte die Diskussion, ob die internationale Gemeinschaft im Zweifel gegen den Willen der Regierung Hilfsprogramme durchführen sollte. Solch einen humanitären Einsatz forderte beispielsweise der französische Außenminister Bernard Kouchner. Allerdings gehören Naturkatastrophen nicht zu den Krisenszenarien, in denen laut UN-Regularien die Staatengemeinschaft eine Verantwortung hat, die Bevölkerung vor ihrer Regierung zu schützen.

Klar war jedoch, dass es nur wenig Sinn hatte, Hilfsgüter an das Regime zu liefern. Zeitungen berichteten von Generälen, die sich internationale Spenden unter den Nagel gerissen haben sollen. Laut UN-Schätzungen kommt von den ausländischen Lebensmittelspenden weniger als ein Drittel bei den am härtesten Betroffenen an.

Erfahrungen mit Birma als problematischem Gegenüber sammelte die Weltöffentlichkeit zuletzt im Herbst. Seinerzeit schlug das Militärregime einen Aufstand buddhistischer Mönche blutig nieder. Eine Handhabe fand die internationale Gemeinschaft nicht. Die Asean (Assoziation Südostasiatischer Nationen), die Birma 1997 als Mitglied aufnahm, sieht als Gründungsprinzip die „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates“ vor. China, Indien und Thailand hätten als Nachbarn und wichtige Wirtschaftspartner vermutlich Einflussmöglichkeiten, doch sie brauchen Ressourcen und fürchten, der Vielvölkerstaat Birma könnte auseinanderbrechen.

Die EU unterhält seit 1994 kaum noch wirtschaftliche Beziehungen zu Birma, weil sie Sanktionen gegen das Regime verhängt hat. Entsprechendes gilt für die USA seit 1997.
Die Bevölkerung Birmas sei mit ihrem Regime ohnehin gestraft, nun dürfe man sie nach der Katastrophe nicht im Stich lassen, meinen die Verantwortlichen vieler Hilfswerke. Vor der Küste des Landes kreuzten Ende Mai Schiffe aus England, Frankreich und den USA und hofften, ihre Hilfsgüter, Medikamente und Ärzteteams endlich dorthin bringen zu dürfen, wo sie dringend gebraucht wurden, weil Menschen an Hunger, Durchfall und Seuchen starben.

Auch auf inoffiziellen Wegen wurden Spenden ins Land geschleust. Birmesen, die derlei unterstützten, nahmen hohe Risiken auf sich.

Erst drei Wochen nach dem verheerenden Sturm hat der internationale Druck immerhin dazu geführt, dass die Junta zusagte, Helfer ins Land zu lassen. Meldungen über destruktives Regierungshandeln rissen indessen nicht ab. Zu Redaktionsschluss Ende Mai sprachen UN-Leute davon, sie würden Hilfsprogramme bald “exponentiell” ausdehnen. Derweil hatte die Regierung den Hausarrest der prominenten Oppostionsführerin Aung Sang Suu Kyi um ein weiteres Jahr verlängert.

Eleonore von Bothmer

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