Klimaschutz

Billiger dank Emissionshandel

Seit Jahrzehnten wird immer wieder versucht, in Nigeria effiziente Herde einzuführen, um zu verhindern, dass Wald für Feuerholz gerodet wird. Der Clean Development Mechanism (CDM) bietet nun erstmals die Möglichkeit, die hohen Anschaffungskosten für die Herde zu senken. Die bürokratischen Hürden bleiben jedoch problematisch.


Von Nataly Jürges

Comfort Benson aus Kaduna im Norden Nigerias hat einen Holz sparenden Herd gekauft und ist nach den ersten Kochversuchen zufrieden. „Zuerst“, erzählt sie lachend, „habe ich mir nicht vorstellen können, dass der Geschmack von Egusi-Suppe ohne den Rauch vom Feuer der gleiche ist!“ Der neue Herd verbraucht 80 Prozent weniger Holz als traditionelle Drei-Steine-Feuer. Um sechs Liter Wasser zum Kochen zu bringen, braucht sie nur eine Handvoll schmale Zweige.

Die ländliche Bevölkerung in Nigeria ist von tradi­tionellen Energiequellen abhängig, in erster Linie von Brennholz, Holzkohle und pflanzlichen Resten. Die Nachfrage übersteigt das Angebot in einigen Gegenden so stark, dass die Energiesicherheit erheblich bedroht ist. Jedes Jahr werden in Afrika rund vier Millionen Hektar Wald abgeholzt. Im Norden Nigerias, der Heimat Comfort Bensons, würden der Welternährungsorganisation zufolge die noch bestehenden Wälder innerhalb der nächsten 50 Jahre komplett vernichtet, sollte der Nutzungsdruck auf dem jetzigen Level bleiben. Die Umweltfolgen der Abholzung sind immer stärker zu spüren – Bodenerosion, Wüstenbildung und Veränderungen des Mikroklimas. Sie bedrohen vor allem die ländliche Bevölkerung. Frauen müssen auf der Suche nach Brennholz immer weitere Wege zurücklegen.

Comfort Benson hat ihren Herd bei der Organisation Nigerian Development Association for Renew­able Energies (DARE) gekauft, die Holz sparende Herde zu subventionierten Preisen anbietet. Bei den Verkaufsveranstaltungen in Kirchengemeinden oder Moscheen wird der Herd vorgeführt, nebenbei werden die Zuschauerinnen über die Folgen von Entwaldung und Klimawandel informiert. Comfort Benson kauft – wie viele Familien – das Brennholz von Holzhändlern in der Stadt. Sie hofft, dass sie den Kaufpreis des Herdes durch den geringeren Holzverbrauch in sechs bis vierzehn Monaten wieder eingespart hat.

Verbesserte Herde werden seit rund 30 Jahren in Entwicklungsprojekten eingesetzt. Sie verbrauchen weniger Brennholz und bilden weniger Rauch. Ihr Einsatz soll nicht nur den Wald schützen, sondern auch die Gesundheit von Frauen und Kindern durch die niedrigere Rauchbelastung verbessern.

Zunächst galten Solarkocher als Königsweg, um Entwaldung zu reduzieren. Alle Versuche, sie im subsaharischen Afrika zu etablieren, scheiterten jedoch. Schließlich brauchen sie Sonnenlicht und sind deshalb während der Regenzeit sowie nach Sonnenuntergang um 19 Uhr nicht funktionstüchtig. Zudem sind sie teuer in der Herstellung. Ingenieure entwickelten daraufhin effizientere Holzherde.

Doch auch viele dieser Modelle konnten sich nicht durchsetzen: Frauen halten häufig am traditionellen Drei-Steine-Feuer fest, da der Glaube weit verbreitet ist, dass die Feuerstelle eine weitere Seele der Familie sei, die nicht entfernt werden darf. Viele Frauen sind zudem skeptisch, ob ihre Gerichte bei weniger Rauch gleich schmecken. Vor allem jedoch hat der hohe Preis die Verbreitung der Herde bislang verhindert: Auch wenn die Herde langfristig deutliche finanzielle Ersparnisse bringen, sind die Anschaffungskosten für viele Haushalte zu hoch.

Subventionierte Kochherde

Seit einigen Jahren besteht jedoch eine neue Finanzierungsmöglichkeit für Herd-Projekte. Der Clean Development Mechanism (CDM), der mit dem Kyoto-Protokoll 2006 in Kraft getreten ist, ermöglicht Industrieländern, Emissionseinsparungen in Entwicklungsländern einzukaufen, anstatt im eigenen Land Treibhausgase zu reduzieren. Er soll als Instrument der internationalen Politik Investionen in Entwicklungsländer lenken. Registriert eine Organisation ihr Herd-Projekt als CDM-Projekt, so kann sie die Emissionseinsparungen der Herd-Nutzung als Emissionszertifikate verkaufen. Dadurch wiederum werden die Herde subventioniert. Somit können auch ärmere Familien solch einen Herd kaufen.

Auch DARE finanziert Herde über den CDM. Ein einziger effizienter Herd setzt pro Jahr knapp drei Tonnen CO2 weniger frei als eine traditionelle Feuerstelle. Die 12 000 Herde, die DARE insgesamt verkaufen will, werden jährlich voraussichtlich den Ausstoß von 30 000 Tonnen CO2 verhindern. Diese Einsparungen verkauft DARE über den CDM. Comfort Benson kommt das Zu­gute: sie brauchte anstelle der 120 Euro, die der Herd eigentlich kostet, nur rund 60 Euro zu zahlen. Bislang verlief das Projekt erfolgreich, und DARE hat bereits über 3000 Herde verkauft.

Doch die Registrierung zum CDM-Projekt ist teuer. Zudem ist unvorhersehbar, wie sich die Märkte für Emissionszertifikate in Zukunft entwickeln werden. Künftige Gewinne sind daher kaum kalkulierbar, weshalb die Registrierungskosten ein erhebliches finanzielles Risiko darstellen. Ohne externe Vorfinanzierung können die meisten lokalen Organisationen daher keine CDM-Projekte starten. DARE beispielsweise hat einen Kredit vom deutschen Verein Lernen-Helfen-Leben erhalten. Zudem hat DARE einen festen Vertrag mit einem Unternehmen, das Klimazertifikate abkauft, um damit den CO2-Ausstoß von Flugreisen zu kompensieren.

Der CDM erfordert eine sehr umfangreiche Dokumentation aller Projektschritte. Jeder verkaufte Herd hat eine individuelle Identifikationsnummer, und auch Name, Adresse und Kontaktdaten aller Käuferinnen werden erfasst, damit die Angaben von DARE jährlich stichprobenhaft überprüft werden können. Das genaue Verfahren muss streng eingehalten werden, sonst verliert DARE den Projektstatus. Anfangs erschien dieser hohe Verwaltungsaufwand manchen Mitarbeitern verrückt, stellt er für die kleine NRO doch eine hohe Belastung dar. Das Gefühl ist geblieben, dass man die Arbeitszeit sinnvoller mit dem Verkauf der Herde als mit dem Ausfüllen von Exceltabellen verbringen könnte.

Noch ernüchternder erscheint die Tatsache, dass auch die ökologische Wirksamkeit der Herd-Projekte fraglich ist. Zwar verbessern sie offensichtlich die Gesundheit der Frauen, die Umwelteffekte sind jedoch nur schwer zu messen. Denn durch den so genannten Rebound-Effekt können effizientere Technologien – wie die Holz sparenden Herde – den paradoxen Effekt haben, den Energieverbrauch insgesamt sogar zu erhöhen. So hat beispielsweise Familie Ali bereits vor zwei Jahren einen neuen Herd gekauft. Von dem Geld, das sie beim Brennholzkauf spart, hat sie sich ein Moped gekauft. Ihre Lebensqualität hat sich verbessert und der Holzverbrauch wurde reduziert – durch das Moped sind die Emissionen jedoch insgesamt gestiegen.

Es ist also schwer abzuschätzen, wie sich die Nutzung der effizienteren Herde langfristig auf den Holzverbrauch auswirken wird – und ob das Projekt tatsächlich die an deutsche Fluggäste vermarkteten Emissionseinsparungen erbringt. Die private Brennholznutzung ist derweil nur einer von vielen Gründen für die Entwaldung in Afrika. Auch für Ackerflächen, Holzkohleproduktion und Holzexporte wird viel Wald gerodet, was mit effizienten Herden nicht verhindert werden kann. Entwicklungspolitisch sind die Herde aber trotzdem wertvoll: Sie verbesseren die Lebens­situation von Menschen, die – gemessen an den Durschnittswerten der reichen Welt – ihre Emissionen noch erheblich steigern dürfen.

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