Steuern

„Heimische Staatseinnahmen fördern“

Im April hat sich erstmals der Rat des afrikanischen Steuerforums (ATAF) getroffen, das 29 Länder im November 2009 gegründet haben. Vorsitzender ist der Südafrikaner Oupa Magashula. Im Interview mit E+Z erläutert er die Ziele und Herausforderungen von ATAF. Im Heft war nur Platz für die gekürzte Fassung, die hier zunächst folgt. Im Anschluss daran finden Sie unten auf dieser Seite das ungekürzte englische Original.

Worauf wird sich ATAF in der ersten Phase konzentrieren?
Auf der Gründungskonferenz vergangenen November in Kampala haben uns die Mitgliederstaaten beauftragt, ATAF zu einem Mechanismus zu machen, der die Effektivität und Effizienz der Steuerverwaltungen stärkt. Wir wollen afrikanische Staaten unterstützen,
– die ihnen zustehenden Steuern einzuziehen,
– die Profite multinationaler Unternehmen, die in Afrika arbeiten, zu besteuern,
– die Transparenz der Steuerverwaltung zu erhöhen und
– internationale Standards zum Austausch von Informationen einzuführen, um Steuerhinterziehung und anderen Missbrauch zu bekämpfen.

Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
ATAF muss den Mitgliedern zeigen, was sich verbessern lässt. Das Steuerforum hat bereits verschiedene Fachtagungen zu zentralen Themen der Steuerverwaltung für afrikanische Steuerbeamte organisiert. Diese Veranstaltungen haben große Wirkung gezeigt; sie sind eine tragende Säule unseres Ansatzes zur Entwicklung effektiver und effizienter Steuerverwaltungen auf dem Kontinent.

Gibt es mehr Ähnlichkeiten oder Unterschiede unter den Mitgliedsstaaten?
Die Steuerverwaltung hat sich auf dem Kontinent unterschiedlich entwickelt. Sie ist mal stärker, mal schwächer von den früheren Kolonialmächten beeinflusst. Allgemein gesprochen, haben viele afrikanische Länder in letzter Zeit die Behörden für Steuern und Zölle zusammengelegt. Egal, wie ein Land seine Steuerverwaltung organisiert, es muss in der Lage sein, alle geschuldeten Steuern einzutreiben, um seine Entwicklungsagenda zu finanzieren. In den letzten zwei Jahrzehnten setzten viele afrikanische Länder auf Reformen, die die Staatseinnahmen erhöhen sollten. Oft wurden Steuerfragen eher technisch und administrativ betrachtet. Außen vor blieben jedoch politische und soziale Aspekte. Sehr häufig haben Reformen Steuern bevorzugt, die leicht einzuziehen sind und die die Wirtschaft weniger verzerren sollten. Der Schwerpunkt lag daher auf der Erhöhung der indirekten Steuern und ihrer Reichweite. Diese Reformen führten nur sehr beschränkt zur Steigerung des Steuereinkommens der afrikanischen Länder. Natürlich bestimmen viele Faktoren das Abschneiden eines Staates beim Einziehen von Steuern. Und der Erfolg war von Land zu Land verschieden. Wir können viel voneinander lernen. Letztlich aber ist Steuerverwaltung selbst für Verbesserungen verantwortlich.

Was sind die größten Herausforderungen für die ATAF-Mitglieder?
Am dringendsten ist, die Abhängigkeit von ausländischer Hilfe und die Verschuldung zu reduzieren. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die internen Staatseinnahmen durch eine breite Besteuerung zu steigern. Erfahrungsgemäß lässt sich die Höhe der Staatseinnahmen dann besser absehen. Außerdem unterstützen eigene Mittel die Nachhaltigkeit von Investitionen, die durch Entwicklungshilfe finanziert werden. Diejenigen, die substantiell Steuern zahlen können, sind in Afrika auf einen kleinen Kreis aus Personen und Firmen reduziert. Und sie wissen häufig, wie sie ihre Macht und ihren Einfluss nutzen können, um keine Steuern zu zahlen. Der Großteil der Menschen hingegen besitzt wenig politische Macht und Einfluss. Ihr Steuerzahlungspotential ist gering. Es kostet viel Geld, bei diesen Menschen Steuern einzutreiben – besonders in den ländlichen Gebieten. Am Ende zahlen tendenziell nur die mittelgroßen Unternehmen Steuern. Wir müssen ein Konzept finden, wie mit den beiden anderen Gruppen umzugehen ist.

Sollten die afrikanischen Regierungen den informellen Sektor formalisieren, um die Steuereinnahmen zu erhöhen?
In den meisten afrikanischen Gesellschaften gibt es viele kleine Unternehmen, die im informellen Sektor arbeiten. Außerdem nimmt die Sorge zu, dass sich größere Unternehmen in der informellen Wirtschaft verstecken. Ein strategisches Ziel ist daher, die Steuerbasis zu erweitern. Anstrengungen, die Ehrlichkeit zu erhöhen, müssen auf die kleinen Unternehmen zielen, die nicht mit Absicht Steuern hinterziehen, sondern Schwierigkeiten haben, die Forderungen zu erfüllen. Gezielte Information und Dienstleistungen können hier helfen. Im Fall der zahlungsunwilligen kleinen Steuerzahler gilt es, effektiv dafür zu sorgen, dass sie durch Steuerregistrierung erfasst werden.

Sind Steuern eine Alternative zu finanzieller Entwicklungshilfe?
Die staatliche Entwicklungshilfe (ODA) ist nur bedingt effektiv. Und obwohl ausländische Direktinvestitionen nach Afrika in den vergangenen Jahren zugenommen haben, sind sie noch zu sehr auf einzelne Gebiete und den Bergbau beschränkt. Daher haben sie bisher keine nennenswerte Auswirkung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Armutsbekämpfung auf dem Kontinent. Wenn wir durch gerechte, effiziente und effektive Besteuerung mehr eigene Finanzmittel einnehmen, kann das helfen, zusätzliche Gelder für Afrikas ökonomische Entwicklung zu bekommen. Und eine geringere Abhängigkeit von Gebergeldern und den daran geknüpften Vorgaben würde natürlich auch die afrikanische Eigenverantwortung für den nationalen Entwicklungsprozess stärken.

„Keine Besteuerung ohne politische Vertretung“ war eine Parole im US-amerikanischen Unabhängigkeitskampf im 18. Jahrhundert. Spielt diese Aussage eine Rolle für die gegenwärtige Steuersituation in den Ländern Afrikas?
Steuern sind die direkteste Verbindung zwischen Bürger und Staat. Sie sind ein wichtiger Auslöser für politische Forderungen. Regierungen, die sich hauptsächlich durch Steuern finanzieren, legen ihren Bürgern tendenziell mehr Rechenschaft ab als die, die auf andere Quellen angewiesen sind – wie etwa Einnahmen aus Ressourcen oder ausländischer Entwicklungshilfe. Effektive Besteuerung untermauert einen effektiven Staatsaufbau und führt zu stärkerer Beteiligung
der Bürger in die öffentlichen Angelegenheiten. Dabei muss das Steuersystem als fair empfunden werden. Das ist zentral
für den effektiven Aufbau eines Staates, der auf der Zustimmung der Bürger basiert.

Erwarten Sie im Kampf gegen Steuerhinterziehung mehr Kooperation von Ländern außerhalb Afrikas?
Es gibt starke Forderungen nach größerer grenzüberschreitender Kooperation in Steuerfragen, besonders bei Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Informationsaustausch. Für Afrika haben wir mit ATAF eine optimale Struktur, um mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten. Überdies tauschen wir uns regelmäßig mit der OECD aus.

Welche Rolle spielen Geber und internationale Organisationen für das Forum?
ATAF wird von seinen afrikanischen Mitgliedern getragen, aber die Bedeutung von Partnerschaften mit anderen Steuerverwaltungen und Entwicklungsinstitutionen ist nicht zu überschätzen. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit unseren Partnerorganisationen. Sie haben Interesse bekundet, ATAF etwa beim Aufbau eines permanenten Sekretariats, bei der Forschung zu den Steuersystemen in Afrika, technischem Know-how und Capacity ­Building zu unterstützen. Wir haben aktiv Beziehungen mit der African Development Bank (ADB) und der GTZ aufgebaut – zwei Organisationen, die ATAF von Anfang an unterstützt haben. Wir sind auch an der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen interessiert, etwa OECD und IWF, um nur zwei zu nennen.

Das African Tax Administration Forum (ATAF) dient dem Erfahrungsaustausch von Leitern afrikanischer Steuerbehörden. Das wichtigste Entscheidungsgremium ist die Generalversammlung, die einmal im Jahr zusammenkommt. Ein Rat, in den die Mitglieder zehn Vertreter wählen, kümmert sich um das Tagesgeschäft. Die fünf geographischen Regionen Nord-, Süd-, Ost-, West- und Zentralafrika schicken jeweils einen Vertreter. Derzeit repräsentieren Botswana, Ruanda, Nigeria, Marokko und Gabun ihre jeweiligen Regionen. Außerdem wurden Senegal, Ghana, Kenia und Simbabwe gewählt. Das permanente Sekretariat soll seinen Sitz in Pretoria haben.

Die 29 Mitgliedsländer sind:
Ägypten, Benin, Botswana, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Kamerun, Kenia, Lesotho, Liberia, Madagaskar, Malawi, Marokko, Mauretanien, Mauritius, Namibia, Nigeria, Niger, Ruanda, Sambia, Sierra Leone, Simbabwe, Südafrika, Sudan, Tansania, Tschad und Uganda.

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