Migration

Gemeinsame Standards

Die UN-Mitgliedsländer haben sich auf einen globalen Migrationspakt geeinigt. Er stellt den ersten Versuch der Weltgemeinschaft dar, Migration gemeinsam zu regeln. Nun kommt es auf die Operationalisierung der Ziele und Zeitvorgaben für die Umsetzung an.
In staatlichen Krankenhäusern in Vietnam verdienen Ärzte wenig; viele suchen deshalb woanders Arbeit. picture-alliance/ANN In staatlichen Krankenhäusern in Vietnam verdienen Ärzte wenig; viele suchen deshalb woanders Arbeit.

Die Staats- und Regierungschefs von rund 190 Ländern wollen den „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ im Dezember in Marokko unterschreiben. Die USA und Ungarn sind nicht dabei, Australien war bei Redaktionsschluss ein Wackelkandidat.

Doch auch wenn nicht alle mitziehen, sendet die Weltgemeinschaft mit dem Abkommen ein wichtiges Signal. „Mir kommt es wie ein Wunder vor, dass dieser Pakt überhaupt entstanden ist“, sagte der Migrationsforscher Steffen Angenendt auf einer Konferenz des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe VENRO im September in Berlin. Schließlich gebe es große Probleme bei der internationalen Zusammenarbeit, und Migration werde vielerorts negativ wahrgenommen.

Der Pakt hingegen betont das Entwicklungspotenzial, das durch Wanderungsprozesse entsteht, wenn diese geordnet ablaufen. In den 23 verabschiedeten Zielen geht es darum, Migration stärker zu kontrollieren und reguläre Migration zu fördern – wofür unter anderem in bessere Bildung und Qualifikation investiert werden müsse. Die Konferenzteilnehmer weisen in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hin, dass die Abwanderung von Fachkräften zu einem „Braindrain“ führen kann. Gerade im Gesundheitssektor sei es wichtig, diesen zu verhindern.

Der Pakt beinhaltet auch das Ziel, Geldtransfers von Migranten in ihre Heimatländer schneller und sicherer zu machen. Außerdem soll die sichere Rückkehr und die Reintegration in die Herkunftsländer unterstützt werden. Dabei dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass Migration auch zirkulär verläuft, wie Vertreter migrantischer Organisationen betonen.

Aus entwicklungspolitischer Sicht ist vor allem Ziel 2 des Paktes entscheidend, in dem es um die Ursachenbekämpfung geht. Negative Antriebe und strukturelle Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, sollen reduziert werden. Außerdem betont der Pakt, dass Migration und Diaspora einen Beitrag zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) leisten können, der zu fördern sei.

Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen begrüßen außerdem den menschenrechtsfokussierten Ansatz des Paktes. Auch für den Schutz besonders gefährdeter Gruppen enthält er eine ganze Reihe von Zielen. Meike Riebau von Save the Children begrüßt etwa, dass der Pakt Kindern besondere Beachtung schenkt. Positiv sei zudem, dass Menschen unabhängig ihres Rechts­status Schutz zukommen soll.

Kritik gibt es dahingehend, dass der Pakt vor allem die Interessen der Länder des globalen Nordens berücksichtige. Bei der Umsetzung müssten sich Herkunfts- und Zielländer von Migration aber auf Augenhöhe begegnen. Hier könnte Ziel 23 helfen: internationale Kooperationen und globale Partnerschaften für sichere, geordnete und reguläre Migration zu stärken.

Der globale Migrationspakt ist – wie das Pariser Klimaabkommen – juristisch nicht bindend. Der Pakt schränkt die na­tionale Souveränität nicht ein, vielmehr entscheidet jeder Staat selbst, wie er die einzelnen Ziele umsetzt.

„Bisher ist der Pakt nur eine Hülle und muss mit Leben gefüllt werden“, sagt Angenendt. Er weist darauf hin, dass es sich dabei um einen Kompromiss handelt, der die Vorstellungen der vielen UN-Mitglieder unter einen Hut bringen musste. Ob sich der Pakt in der Realität bewährt, muss sich erst noch zeigen. Die Ziele müssen operationalisiert und Indikatoren bestimmt werden, um Erfolge überhaupt messen zu können. Angenendt zufolge braucht es zudem klare Zeitvorgaben: „Ohne Termine funktioniert nie etwas“, sagt der Wissenschaftler.


Quelle
Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration (Textentwurf):
https://www.un.org/pga/72/wp-content/uploads/sites/51/2018/07/180713_Agreed-Outcome_Global-Compact-for-Migration.pdf

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