Weltmarkt

Haute Couture

In vielen afrikanischen Ländern hat sich in den vergangenen Jahren eine dynamische Modeszene entwickelt, die zunehmend auch die internationalen Laufstege erobert. Welche Bedeutung hat der Erfolg afrikanischer Designer für die Wahrnehmung des Kontinents und seine Wirtschaft?
Model in einem Kleid der Designerin Nadir Tati beim Africa Fashion Day in Berlin. Eventpress Radke/picture-alliance/dpa) Model in einem Kleid der Designerin Nadir Tati beim Africa Fashion Day in Berlin.

Afrikanische Modemacher sind im Aufwind – auf dem eigenen Kontinent und auch weltweit. Kapstadt und Lagos, Nairobi und Dakar sind die neuen Modezentren Afrikas. Die Zahl der regionalen Modeschauen, bei denen sich jedes Jahr aufsteigende Designertalente präsentieren, nimmt stetig zu.

Die Beratungsfirma „Consultancy Africa Intelligence“ aus Pretoria zählte 2011 sechzehn große Modeevents auf dem afrikanischen Kontinent, davon allein drei in Süd­afrika und zwei in Nigeria. Für ost- und zentralafrikanische Desi­gner ist die Swahili Fashion Week das jährliche Highlight. Aber auch in Angola, Mosambik und Ghana werden Modeplattformen zur Vermarktung einheimischer Designs organisiert. Für die Verbreitung neuer Trends und Marken sorgen zudem Modezeitschriften wie das in Nigeria gegründete „Arise Magazine“, Internetplattformen und afrikaweit ausgestrahlte Satellitenprogramme, etwa über das Bezahlfernsehen DStv aus Südafrika.

Die Designer der neuen afrikanischen Mode sind kosmopolitisch ausgerichtet und legen sich nicht auf eine kulturell definierte Stilrichtung fest. Die Fachjournalistin Helen Jennings stellt in ihrem Buch „New African Fashion“ mehr als 40 international erfolgreiche Modeschöpfer vor und schreibt: „Sie sind in Traditionen verwurzelt, kennen aber gleichzeitig internationale Trends und Geschmäcker. Diese Kombination erlaubt es ihnen, auf die lokale Nachfrage ebenso einzugehen wie auf internationale Interessen und so an der Gestaltung zeitgenössischer afrikanischer Identitäten mitzuwirken.“ Tatsächlich wächst auch das weltweite Interesse an afrikanischen Designs. Bekannte Größen wie Duro Olowu oder Ozwald Boateng sind auf den wichtigsten internationalen Fashion Shows zu Hause. Und so stieß auch der Africa Fashion Day in Berlin im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week im Juli auf große Resonanz.

„Mode eignet sich hervorragend, um die Kreativität Afrikas zu zeigen und ein Bild des Kontinents zu vermitteln, in dem nicht nur Armut und wilde Tiere vorkommen“, sagte Auma Obama, die kenianische Schirmherrin des Fashion Day und Schwester des US-Präsidenten. Viele afrikanische Modemacher sind am Image ihres Kontinents interessiert: „Mode ist eine Form der Kunst und der Kommunikation, die dazu beiträgt, Kulturen zusammenzubringen“, so Nadir Tati, preisgekrönte Designerin aus Angola.

Der Erfolg afrikanischer Modemacher zeigt nicht nur das wachsende Interesse des internationalen Marktes, sondern auch das steigende Selbstbewusstsein der afrikanischen Kreativszene.


Wachstumschancen

Designer, die in einem afrikanischen Land auch produzieren wollen, stehen jedoch vor vielen Herausforderungen. „Mein Ziel ist es, die Menschen in Angola in afrikanische Designs zu kleiden, die in Angola produziert werden – aber das ist nicht einfach“, erklärt Nadir Tati. Das größte Problem sei, dass Angola keine entwickelte Textilindustrie habe. „Daher sind ungefähr achtzig Prozent der Materialien, die ich verwende, also Stoffe, Reißverschlüsse und Knöpfe, importiert.“

Die Produktion größerer Stückzahlen wird auch erschwert durch eine schlechte Stromversorgung und zu wenig gut ausgebildete Fachkräfte. Zudem bringt der massive Import von Second-Hand-Kleidung afrikanische Designer in Bedrängnis. Denn nicht nur Massenware, sondern auch getragene Designermode aus Europa wird in vielen afrikanischen Ländern günstig angeboten.

Angesichts der stabilen wirtschaft­lichen Wachstumsraten in vielen afrikanischen Ländern gehen Branchenkenner jedoch davon aus, dass die lokale Mode­industrie wachsen wird. Denn die ste­tig steigende Kaufkraft der Mittelschicht macht Hoffnung auf größere Binnennachfrage. So schätzt die Unternehmensberatung McKinsey, dass bis 2020 die konsumnahen Industrien in Afrika um 400 Mil­liarden Dollar wachsen werden.

Diana Opoti, TV-Moderatorin aus Nairobi, glaubt fest an das wirtschaftliche Potenzial der afrikanischen Modeindustrie: „Immer mehr Menschen nehmen wahr, dass es ein breites Angebot an afrikanischer Kleidung gibt. Die Zahl der Designer wächst bei uns ebenso wie die Verkaufsfläche von Geschäften und Boutiquen.“ Opoti produziert ein panafrikanisches Fernsehprogramm mit dem Schwerpunkt Mode, das in Afrika und England ausgestrahlt wird, und hat dafür eine Reihe afrikanischer Länder bereist.

Bei der „Source Africa 2013“, einer Messe für Textilien und Bekleidung in Kapstadt, betonten Teilnehmer auch die steigenden internationalen Chancen der afrikanischen Bekleidungsindustrie. Ein Grund sei, dass die Lohnkosten in China zuletzt gestiegen seien. „Trotz großer Hindernisse haben sich in den letzten fünf Jahren die Bedingungen beim Transport sowie die Qualität der technischen Ausstattung und der Textilverarbeitung enorm verbessert“, erklärt Matthijs Crietee, stellvertretender Generalsekretär der International Apparel Federation mit Sitz in Holland. „Außerdem verfügt Afrika über hochwertige Baumwolle.“ Viele interna­tionale Unternehmen entwickelten zudem zurzeit neue Produktionsstrategien, die neben China auch andere Standorte einbeziehen – darunter fielen auch viele afrikanische Länder.

Auch afrikanische Modeschöpfer kreieren mittlerweile Mode, die sich an nachhaltigen Standards orientiert. Die Designerin Josephine Kyomuhendo aus Uganda arbeitet beispielsweise mit traditionellen Herstellungsmethoden. Für die Kollektionen ihres Labels „Jose Hendo“ verwendet sie aus Baumrinde gewonnene Stoffe, organische Baumwolle und Seide und verzichtet auf Metall- oder Kunststoffverschlüsse und Knöpfe.

International wächst der Markt für Mode, die unter Berücksichtigung von Öko- und Sozialstandards in Afrika produziert wird. So bringt die Ethical Fashion Initiative des International Trade Centre in Genf, einer gemeinsamen Agentur von Welthandelsorganisation (WTO) und Vereinten Nationen (UN), Kunsthandwerker in Entwicklungsländern mit internationalen Modeabnehmern in Verbindung. Bisher profitierten davon beinahe 7000 Klein­produzenten, vor allem Frauen in Kenia, Uganda, Mali, Burkina Faso, Ghana und Haiti. Top-Designer wie Stella McCartney und Vivianne Westwood unterstützen die Initiative.

Griet Newiger-Addy

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