Textilindustrie

Deutsche Erfahrungen helfen

Staat, Arbeitgeber und Gewerkschaften arbeiten bei der Modernisierung der Kleiderfertigung in Bangladesch zusammen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt diesen Ansatz.
Teilnehmerin des Tripartiten Austauschs. BMZ Teilnehmerin des Tripartiten Austauschs.

Im April 2013 stürzte in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka das Fabrik- und Geschäftsgebäude Rana Plaza ein. Rund 1100 Menschen starben, es gab viele Verletzte. Dieser Unfall war nur der schlimmste aus einer langen Reihe. Aber er hat viel verändert – in Bangladesch und in Konsumentenländern wie Deutschland.

In Rana Plaza wurden T-Shirts, Hemden und Blusen auch für den deutschen Markt hergestellt. Weltweit können Konsumentinnen und Konsumenten sowie Modeketten nicht mehr die Augen davor schließen, dass sie an Handelsbeziehungen direkt beteiligt sind, die nicht nur für billige Textilien, sondern teilweise auch für lebensgefährliche, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen sorgen. In Bangladesch war eine Grenze überschritten: Politiker und Unternehmer haben eingesehen, dass der Textilstandort Bangladesch, der jahrelang explosionsartig gewachsen ist, mittelfristig nur eine Zukunft haben kann, wenn die Arbeitssicherheit gewährleistet wird, faire Löhne gezahlt werden und die Umweltverschmutzung durch die Produktion reduziert wird.

Diesen Wandel will und kann die deutsche Entwicklungspolitik unterstützen und dies sowohl in Deutschland als auch in Produktionsländern wie Bangladesch. So hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im Herbst 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien (Textilbündnis) ins Leben gerufen. Mit Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, der Standardorganisationen und der Gewerkschaften sollen soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der Textillieferkette erreicht werden.

In Bangladesch hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit seit 2010 rund 16 Millionen Euro zur Förderung von Sozial- und Umweltstandards eingesetzt. In den vergangenen fünf Jahren konnten etwa 800 Fabriken nachweislich die Einhaltung nationaler und internationaler Standards verbessern. Über 100 000 Arbeiterinnen und Arbeiter wurden für ihre Rechte sensibilisiert. Bislang richteten sich die Angebote hauptsächlich an Unternehmer, Arbeitnehmer und Regierungsstellen vor Ort.

Deutschland verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Dialog zwischen Sozialpartnern, der die Industrialisierung konstruktiv vorangetrieben hat. Um diese Erfahrungen weiterzugeben, habe ich das „Tripartite Austauschprogramm“ für Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und Regierungsvertreter initiiert. Es geht dabei um praktisches Lernen – beispielsweise sieht ein Betriebsrat aus Bangladesch einem deutschen Betriebsrat einige Wochen über die Schulter. Ähnliches tun Arbeitsinspektoren und junge Akademiker aus dem mittleren Management bei ihren deutschen Partnern. Ich bin überzeugt davon, dass solche Lern- und Austauschprozesse eine kritische Masse für Veränderungen entstehen lassen. Ziel ist die Fortbildung von 100 jungen Menschen aus Bangladesch bis Anfang 2017.

Im August besuchten hierzu die ersten 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf meine Einladung Deutschland.

Die bangladeschische Delegation war unter anderem in Dresden, Köln, Bad Münstereifel und Berlin. Die Besucher hatten die Gelegenheit, Grundlagen zum Arbeits- und Unfallschutz und ihre Anwendung in der Praxis im unmittelbaren Kontakt mit den Sozialpartnern und Betrieben in der deutschen Textilbranche zu vertiefen. Kernstück des Aufenthalts war der praktische Austausch der Betriebsräte und Arbeitsinspektoren mit ihren deutschen Kollegen direkt am Arbeitsplatz. Näherinnen konnten sich so einen direkten Eindruck von den Arbeitsbedingungen in der deutschen Industrie machen. Finanziert und durchgeführt wird das Programm durch das BMZ, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV).

Eigens für diesen Austausch reisten für die Volksrepublik Bangladesch Handelsminister Tofail Ahmed und Arbeitsminister Muhammad Mujibul Haque Chunnu nach Dresden. Ahmed kündigte an, Bangladesch werde eine Unfallversicherung im Textilsektor unter Einbeziehung der in Deutschland gesammelten Erfahrungen einführen. Gemeinsam mit der ILO unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit diesen Prozess von Anfang an.

Wichtig ist, dass solch ein System bei Prävention sowie Rehabilitation ansetzt, um dadurch die Notwendigkeit der finanziellen Kompensation von Schadensfällen zu minimieren. Der stellvertretende ILO-Generaldirektor Gilbert Houngbo unterstrich, Bangladesch müsse selbst entscheiden, welches System angemessen sei.


Hans-Joachim Fuchtel ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
http://www.bmz.de

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