Digitalisierung

Arbeit in Gefahr

Digitale Technologie wird die Produktion von Gütern und Dienstleistungen grundlegend verändern, argumentiert eine neue Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungs­politik (DIE). Absehbar wird dieser Trend zu Arbeitsplatzverlusten führen. Unklar ist, welche neuen Jobs dadurch entstehen. Es kommt auf politische Steuerung an.
Ein solarbetriebener Roboter ausgestattet mit Kameras und Lichtern steuert den Verkehr in Kinshasa, DR Kongo. picture-alliance/dpa Ein solarbetriebener Roboter ausgestattet mit Kameras und Lichtern steuert den Verkehr in Kinshasa, DR Kongo.

Die digitale Revolution wird Produktionsprozesse radikal verändern, schreibt DIE-Autor Wilfried Lütkenhorst. Er spricht von „neuen Allzwecktechnologien“ vergleichbar mit der Dampfmaschine oder Elektrizität in früheren industriellen Revolutionen. Allzwecktechnologien werden sektorübergreifend eingesetzt. Sie prägen die Arbeitsweise von Unternehmen neu, verändern Wertschöpfungsketten und erfordern neue Geschäftsmodelle.

Laut Lütkenhorst treiben drei „digitale Ermöglicher“ die Entwicklung an:

  • Big Data umfasst große Datenmengen, welche die Leistungsfähigkeit herkömmlicher Datenverarbeitungssoftware übersteigt. Neuere Software analysiert aber Muster und Zusammenhänge und deckt so versteckten Wert auf.
  • Cloud-Computing bietet die Infrastruktur zum Speichern und Verarbeiten großer Datenmengen. Unternehmen verlassen sich nicht mehr nur auf ihre eigene Computerhardware, sondern auf ein Netzwerk von entfernten, internetgestützten Servern. Cloud-Computing reduziert Kosten und gibt Unternehmen zusätzliche Flexibilität.
  • Das Internet der Dinge verbindet physische Geräte mit dem Internet und erleichtert die Interaktion zwischen ihnen. Industrielle Maschinen werden lernfähig. Das Ergebnis sind bessere Produkte und eine effizientere Produktion.

Auf Grundlage dieser Ermöglicher werden laut Lütkenhorst drei innovative Ansätze in der Industrieproduktion eingesetzt:

  • Generative Fertigung – die Schicht-für-Schicht-Herstellung von 3D-Objekten – integriert zuvor getrennte Fertigungsprozesse in einen einzigen. Ein einzelner Facharbeiter hat alles im Griff.
  • Automatisierte Maschinen und Systeme gewinnen an Bedeutung. Immer mehr Roboter werden in Fabriken installiert.
  • Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine verändert sich. Besonders in der Automobilindustrie trainieren Arbeiter zunehmend Roboter. Forscher arbeiten an der Verbesserung der „Mensch-Roboter-Teamfähigkeit“.

Die Auswirkungen der digitalen Revolution sind vielfältig. Gefertigte Waren basieren zunehmend auf Dienstleistungen oder sind mit ihnen verwoben. Als Konsequenz könnte die Industrialisierung für Länder mit niedrigen Einkommen zu einem weniger wahrscheinlichen Entwicklungspfad werden, meint Lütkenhorst. Er argumentiert zudem, dass Arbeitsplatzverluste in einigen Sektoren vorhersehbar oder bereits eingetreten seien. Ob neue Beschäftigung entstehe, sei dagegen unklar. Jedenfalls werde steigende Einkommensungleichheit die Mittelklasse aushöhlen.

Trotz der Risiken seien digitale Technologien vielversprechend, urteilt Lütkenhorst. So gebe es viele potenzielle Vorteile für die Umwelt, beispielsweise bei der Steuerung von Versorgungssystemen, die auf erneuerbaren Energien basierten. Nachhaltigkeitsdividenden würden von angemessenen rechtlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Anreizen abhängen, schreibt er.

Deutschland hat das Programm „Industrie 4.0“ zur Gestaltung der digitalen Revolution verabschiedet. Andere Länder verfolgen weltweit ähnliche Strategien. Lütkenhorst plädiert für eine strategische Industriepolitik, um den derzeit technologiegetriebenen Prozess auf gesellschaftliche Ziele auszurichten. Politische Entscheidungsträger sollten innovative Ansätze wie ein universelles Grundeinkommen oder eine Maschinensteuer prüfen und testen.

Die Implikationen für Entwicklungsländer sind nicht leicht zu erkennen, schreibt Lütkenhorst. Studien deuteten darauf hin, dass mehr als 70 Prozent der Arbeiter in der thailändischen Autoindustrie ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Ähnliche Schätzungen wurden für andere Branchen und Länder in der Region gemacht. Andererseits sind Produktivitäts- und Beschäftigungszuwächse möglich. Lütkenhorst nennt Beispiele für wachsende IT-Sektoren in Kenia und Ruanda.


Link
Lütkenhorst, W., 2018: Creating wealth without labour? Emerging contours of a new techno-economic landscape (nur auf Englisch).
https://www.die-gdi.de/uploads/media/DP_11.2018.pdf

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