Interview

„Capacity Development ist enorm wichtig”

Weltweit leiden viele Menschen unter hohen Lebensmittelpreisen. Kleinbauern in Entwicklungsländern – und selbst Subsistenzfarmer – könnten entscheidend zu größerem Angebot beitragen, obwohl sie selbst oft arm und unterernährt sind. Je besser sie ihre Ware vermarkten, desto besser wird die Versorgungslage und desto besser wird es auch ihnen selbst ergehen. Kluge Politik ist nötig, aber auch der Privatsektor spielt eine Rolle. Hans Dembowski von E+Z/D+C sprach darüber mit Rashad Kaldany von der Interna­tional Finance Corporation (IFC) – dem Zweig der Weltbankgruppe, der Privatunternehmen fördert.

Im Jahr 2009 starteten die G8 das globale Programm für Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit (GAFSP), das die G20 später übernahmen. Die IFC ist darin für das „Privatsektor-Fenster“ zuständig. Worum geht es?
Das Programm wurde auf dem G8-Gipfel in L’Aquila gestartet, um eine angemessene Versorgung zu sichern, nachdem die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt zuvor in die Höhe geschnellt waren. Die größte Herausforderung ist für uns nach wie vor, sehr arme Kleinbauern in abgelegenen Gegenden zu erreichen, wo – wenn überhaupt – noch kaum kommerzielle Landwirtschaft betrieben wird.

Welche Erfahrungen hat die IFC auf diesem Feld?
Derzeit belaufen sich unsere Agrarinvestitionen auf rund zwei Milliarden Dollar. Wir wollen diese Summe in drei Jahren verdoppeln. Das GAFSP ist ein Teil dieser Bemühungen, aber bislang haben die Geber erst knapp 100 Millionen Dollar bereitgestellt. Es geht aber um mehr als Geld – Capacity Building ist enorm wichtig. Wir müssen Wissen vermitteln und breit streuen.

Privatwirtschaftliche Ansätze tragen grundsätzlich auf zwei Weisen zur Ernährungssicherheit bei:
– Sie steigern die Agrarproduktion oder
– reduzieren Ernteverluste durch besseres Marketing.
Was ist wichtiger?

Beides ist wichtig, aber wenn Sie die Ernährungslage schnell verbessern wollen, liegt es nah, die Verluste zu minimieren. Agrarerträge zu steigern erfordert nämlich mindestens einen Erntezyklus. Um Verluste zu reduzieren, muss die Infrastruktur verbessert werden. Wir konzen­trieren uns unter anderem auf Lagerhäuser und, wo das geht, sogar Kühl­möglichkeiten. Allerdings müssen wir auch den Cashflow der Bauern verbessern ...

… weil Kleinbauern – wenn sie ihre Produkte überhaupt vermarkten – ihre Ernte meist direkt nach der Ernte verkaufen müssen, wenn die Preise niedrig sind, weil es viele Anbieter gibt.
Genau, das ist der Punkt. Wir arbeiten an Konzepten, um Bauern für die Einlagerung ihrer Ernte zu bezahlen. Zudem bemühen wir uns um bessere Transportmöglichkeiten, denn auch so lassen sich Verluste reduzieren. Ein Kleinbauer kann keinen Laster mieten. Wenn sich aber viele von ihnen zusammentun, sieht das anders aus, zusammen schaffen sie das.

Aber kommt es nicht vor allem auf bessere Straßen an?
Das ist wichtig, aber nichts, was der Privatsektor allein bewirken kann. Mautstraßen sind im ländlichen Raum unmöglich. Sie können Agrarregionen mit der entfernt gelegenen Hauptstadt verbinden, und das nutzt den Bauern. Die IFC hat im Senegal in solch eine Public-private Partnership investiert. Aber wenn Sie in einem Landkreis Dörfer an Märkte anbinden wollen, geht das nicht. Um ländliche Wege muss sich der Staat kümmern. Unsere Kollegen von der Weltbank und diverse bilaterale Agenturen arbeiten mit Regierungen in Entwicklungsländern zusammen, um derlei anzugehen. Aber selbst da, wo die öffentliche Infrastruktur nicht optimal ist, können privatwirtschaftliche Konzepte weiterhelfen – die Beispiele Lagerhäuser und kollektiven Transport habe ich schon genannt. Kleine Schritte, die Armut reduzieren, sind immer sinnvoll. Und mittelfristig können sie zu besserer Politik beitragen. Dafür gibt es zwar keine Garantie, aber die Wahrscheinlichkeit steigt.

Mit wem kooperieren Sie, um Kleinbauern kollektiv zu erreichen – ­Genossenschaften?
Ja, das ist eine Möglichkeit, aber nicht die einzige. Herkömmlicherweise leiht die IFC lokalen Banken Mittel, damit diese gezielt Kredite vergeben können. So kommen wir aber nicht voran, wenn wir Kleinbauern erreichen wollen, weil es dort, wo sie leben, meist keine Banken gibt. Daher brauchen wir andere vermittelnde Institutionen. Das können Genossenschaften sein, aber auch diverse zivilgesellschaftliche Organisationen und lokale Gemeinschaften. Vielleicht gibt es in der Kreisstadt ja auch eine Art Marktverein. Jedenfalls brauchen wir neue Partner.

Sind denn Investitionen im ländlichen Raum mit Partnern, die Sie nicht kennen, sehr riskant?
Ja, selbstverständlich, aber Risiken lassen sich managen, zum Beispiel mit Versicherungen. Wir sind sehr an besserem Versicherungsschutz für Bauern interessiert. Kürzlich haben wir eine Partnerschaft mit JP Morgan begonnen, um Agrarversicherungen nach Lateinamerika zu bringen. Wir diskutieren ähnliche Schritte mit anderen Partnern, um das auch südlich der Sahara oder im Mittleren Osten zu tun. In Entwicklungsländern sind die Risiken für eigenständiges Privatsektorengagement oft zu hoch. Aber wenn wir Partner haben und konzessionäre Gelder mit kommerziellen Krediten mischen, wird sinnvolles Handeln möglich. Wir müssen kooperieren, und zwar mit dem öffentlichen Sektor – einschließlich der Geber – und mit Privatfirmen.

Ostafrika ist die Weltregion, die derzeit von einer Hungersnot geplagt wird. Es ist vermutlich kein Zufall, dass – außer Kenia – die betroffenen Länder Privat­firmen nicht sonderlich willkommen ­heißen.
Diese Region ist in der Tat schwierig. Wir können im kriegszerrissenen Somalia nicht arbeiten. Eritrea ist sehr schwierig, Äthiopien auch, obwohl wir dort schon Fortschritte gemacht haben. Wir wissen aber, dass die Ernährungssicherheit gerade in Konfliktländern bedroht ist. Also suchen wir trotz der Schwierigkeiten Wege, um dort mehr zu tun. Wir brauchen neue Vermittler und Partner.

Wir haben über Marketing gesprochen – aber wie sieht es mit der Steigerung agrarischer Erträge aus?
Am nötigsten sind moderne Inputs. Kleinbauern können sich guten Dünger oder Insektizide oft nicht leisten, obwohl sie damit ihre Erträge steigern würden. In der Regel nehmen sie keine Kredite auf, selbst wenn welche angeboten werden, weil sie fürchten, nicht zurückzahlen zu können, wenn etwas schiefgeht. Es geht also wieder um das Risiko. In der Ukraine arbeitet die IFC mit Bayer zusammen, um Kleinbauern mit moderner Agrarchemie zu versorgen.

Und Wasser? Bewässerung hätte den größten Effekt.
Ja, aber das ist meist Teil der öffentlichen Infrastruktur. Solange die Nutzer nicht zahlen, kann der Privatsektor nichts tun. Wasserpreise sind bekanntlich politisch ein heißes Eisen. In Indien etwa muss der Staat die Bauern mit Wasser versorgen. Weil er aber viel verschwendet, reicht das Wasser meist nicht. Der Privatsektor kann eine fehlgeleitete Politik nicht kompensieren. Trotzdem kann er einiges leisten. So hat zum Beispiel eine indische Firma eine sehr effiziente Drip-Irrigation-Technik entwickelt. Diese Bewässerungsmethode ist sehr sparsam. Die IFC kooperiert mit der Firma, damit sie in Indien wächst und ihre Technik vielleicht sogar nach Afrika exportiert.

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