Editorial

Digitale und andere Klüfte

Globalisierung ist für Universitäten nichts Neues, schon ihr Name steht für universalen Anspruch. Wissenschaftliche Wahrheit hing noch nie von nationalen Grenzen ab. Spätestens seit der industriellen Revolution treibt die Suche danach aber die Wirtschaftsentwicklung an. Forschung und Wissen sind es, die Industrienationen so stark machen. Für den Weltmarkterfolg wird hochwertige Bildung immer wichtiger.

Netzwerke von Universitäten, High-tech-Unternehmen und anderen Forschungsinstitutionen umspannen den Erdball. Sie beschleunigen Wachstum in ganz unterschiedlichen Weltgegenden. Silicon Valley in Nordkalifornien und Silicon Plateau in Südindien sind miteinander verbundene Zentren des technischen Fortschritts, die beide vom Expertenaustausch profitieren.

Leider bleiben Knotenpunkte der weltweiten Informations- und Wissensnetzwerke in armen Länder aber weiterhin seltene Ausnahmen. Mosambik, ein Land mit 20 Millionen Einwohnern, hatte im Jahr 2005 nur 28 000 Studenten. Zum Vergleich: Die Universität Münster allein kommt auf etwa 40 000. Sie ist in Nordrhein-Westfalen, einem Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern, nur eine von 59 Hochschulen – und nicht einmal die größte.

Trotz solch schreiender Unterschiede kreist die globale Entwicklungsdebatte kaum um Hochschulen. Das hat viele Gründe. Geberangst vor technisch versierter und hochgebildeter Konkurrenz aus den armen Ländern gehört nicht dazu. Es ist doch klar, dass erstklassige Experten aus der Dritten Welt häufig in die Industrienationen abwandern. Diese Leute bedrohen die reiche Welt nicht, sie machen sie stärker. Geber gehen aber davon aus, dass die Unterstützung von Hochschulen in armen Ländern nur den Kindern wohlhabender Eltern dient, die eigentlich keine Hilfe brauchen. In der internationalen Debatte liegt der Fokus auf der Grundbildung. Auch die UN-Millenniumsziele betonen mit gutem Grund dieses Thema. Analphabetismus ist schließlich ein eklatantes Armutssymptom – das aus Not entsteht und noch mehr Not schafft.

Allerdings gibt es einen Haken. Grundschulen allein reichen für Entwicklung nicht. Wenn sie gut sein sollen, muss in die Lehrerausbildung investiert werden. Auch die Berufsbildung hängt von qualifizierten Ausbildern ab – und die meisten Früchte bringt sie dort, wo der Zugang zu Wissen und Technik Firmen gedeihen lässt. Es geht nicht nur um Ingenieure. Das Gesundheitswesen braucht überall auf der Welt qualifiziertes Personal – und das gilt auch für andere wichtige Institutionen von der öffentlichen Verwaltung bis hin zur Finanzwirtschaft.

Aber was ist mit den vielen arbeitslosen Hochschulabsolventen in Entwicklungsländern? Manchmal heißt es, die Push-Faktoren der Migration bewiesen, dass höhere Bildung nicht das ist, was Entwicklungsländer brauchen. Diese Sicht führt in die Irre. Was Akademikerarbeitslosigkeit wirklich zeigt, ist, dass Hochschulen auf die realen Bedürfnisse ihrer Standorte zugeschnitten sein müssen. Es reicht nicht, Lehrbuchwissen aus Industrieländern zu repetieren.

Das Entstehen der Wissensgesellschaft prägt neben der Globalisierung unser Zeitalter. In dieser Dimension wird der Graben zwischen Reichen und Armen nicht allein von Telekommunikation und Computertechnik überbrückt wer­den. Natürlich ist die digitale Kluft wichtig – aber Investitionen in Hardware bringen nichts, wenn es an Menschen fehlt, die nicht nur Maschinen bedienen, sondern eigenständig aus Infor­ma­tio­nen Wissen gewinnen können

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