Kindersoldaten

Zurück in ein normales Leben

Weltweit gibt es schätzungsweise eine viertel Million Kindersoldaten. Viele werden zwangsrekrutiert, etliche Kinder und Jugendliche aus dem ländlichen Kolumbien schließen sich aber in der Hoffnung auf ein besseres Leben sogar freiwillig bewaffneten Gruppen an. Der Weg zurück in die Gesellschaft ist mühsam – Unterstützung bieten etwa die Kinderschutzzentren von Don Bosco.
Die ehemalige Kindersoldatin Claudia (Name geändert) aus Kolumbien hat in ein normales Leben zurückgefunden. Don Bosco Bonn/R. Unkel Die ehemalige Kindersoldatin Claudia (Name geändert) aus Kolumbien hat in ein normales Leben zurückgefunden.

Sitzt man Claudia (Name geändert) gegenüber, lacht einen eine sympathische, junge Frau an, mit Grübchen und roten Strähnen in den langen schwarzen Haaren. Die Studentin träumt davon, so viele Länder wie möglich zu bereisen und „das Leben voll auszuschöpfen“. Claudia ist eine ehemalige Kindersoldatin, die es zurück in ein normales Leben geschafft hat.

Die heute 20-Jährige kommt aus einer ländlichen Gegend Kolumbiens. Ihr Vater zog sie und vier weitere Geschwister allein groß, das Geld war knapp. Als die begeisterte Schülerin die elfte Klasse besuchte, wurde die wirtschaftliche Not der Familie übermächtig. Claudia sah keinen anderen Ausweg, als sich der bewaffneten Gruppe anzuschließen, die in ihrem Dorf ein- und ausging. Sie war damals 16 Jahren alt, erzählt Claudia bei einer Veranstaltung Ende Januar in der Don Bosco Mission in Bonn.

Armut ist der Hauptgrund, warum Minderjährige sich den Rebellen anschließen. Die UN haben neben der bekanntesten Rebellengruppe FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo) weitere Gruppen wie die ELN (Ejér­cito de Liberación Nacional) mehrfach beschuldigt, Kinder zu rekrutieren.

Das Friedensabkommen, das die FARC mit der kolumbianischen Regierung nach 50 Jahren Bürgerkrieg Ende 2016 geschlossen hat, mache die Arbeit mit den Opfern des Bürgerkrieges einfacher, berichtet Pater Rafael Bejarano. Er ist Direktor des Kinderschutzzentrums, in dem Claudia lebt. Heimische Firmen verpflichteten sich beispielsweise, Opfer der bewaffneten Konflikte einzustellen. Trotz des Abkommens mit der FARC herrsche in Kolumbien aber noch lange kein Frieden, bedauert Bejarano. Politische und kriminelle Motive der Rebellen seien kaum mehr voneinander zu trennen, das Geschäft mit den Drogen spiele eine große Rolle. Ende Januar hat die kolumbianische Regierung die Friedens­gespräche mit den Rebellen der ELN vorerst unterbrochen.

Claudia berichtet nur zögerlich über ihren Alltag während der 15 Monate, die sie bei den Kämpfern verbrachte. Sie habe gelernt mit Waffen umzugehen und es sei auch zu Zusammenstößen mit den Regierungssoldaten gekommen. Sie habe viel Angst gehabt. „Die Zeit kann man nicht vergessen, nur überwinden“, sagt sie. Bei einem Botengang in die Stadt wurde sie schließlich von Regierungssoldaten festgenommen. Das war ihre Rettung. Zunächst kam sie in eine Familie, später dann in die Ciudad Don Bosco nach Medellín. Der lange Weg der Re­integration begann. Claudias Vorteil war laut ihrer Betreuerin Olga Cecilia García Flórez, dass sie vor ihrer Zeit als Kindersoldatin bereits lange die Schule besucht hatte. Viele der Kinder kommen nicht nur in einem schlechten gesundheitlichen und psychischen Zustand zu Don Bosco, sondern sind auch Analphabeten, da sie viele Jahre Unterricht versäumt haben. In ihrer Anfangszeit im Zentrum habe sie aber eine große Traurigkeit begleitet, erinnert sich Claudia. Ein Lichtblick war ihr Bruder, dem sie in der Ciudad Don Bosco wiederbegegnete. Er hatte sich vor ihr einer bewaffneten Gruppe angeschlossen und war ebenfalls vom Militär aufgegriffen worden.

In der Ciudad Don Bosco werden um die 250 ehemalige Kindersoldaten betreut. Neben dem Haus in Medellín unterhält Don Bosco noch ein weiteres Zentrum in Cali. Die traumatisierten Kinder und Jugendlichen bekommen in der Gemeinschaft eine Ersatzfamilie, die Betreuer versuchen, ihnen Vertrauen zurückzugeben, und sie auf die Zukunft in der Gesellschaft vorzubereiten, erklärt Pater Rafael. Alle Jugendlichen verlassen das Kinderschutzzentrum mit einer Ausbildung, von der Friseurin bis zum Automechaniker. Die Erfolgsquote sei deshalb bei Don Bosco so hoch, sagt Pater Rafael, weil die Jugendlichen freiwillig ins Kinderschutzzentrum kämen.

In den vergangenen Jahren hat Don Bosco über 2 300 ehemalige Kindersoldaten in Kolumbien betreut. Die beiden Einrichtungen bilden die jungen Leute nicht nur aus, sondern arbeiten auch die Traumata des Erlebten auf. Claudia lebt seit drei Jahren in der Ciudad Don Bosco und hat das Programm der ehemaligen Kindersoldaten bereits verlassen. Sie hat sich ihren Traum erfüllt und studiert mit Hilfe eines Stipen­diums Gesundheitsmanagement.

 

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