Ernährungssicherheit

Weniger Hunger, mehr Gesundheitsrisiken

Die Nahrungssituation hat sich im Asien-Pazifik-Raum im letzten halben Jahrhundert dank Ausbau der Landwirtschaft und moderner Technik verbessert. Preisschwankung treffen die arme Bevölkerung aber weiterhin hart. Obendrein gibt es neue Gesundheitsgefahren – zum Beispiel, wegen Pestizidbelastung oder wegen zu fetter Ernährungsweisen.
Süßwarenabteilung eines Supermarkts in Shanghai 2007. Manfred Bail/imagebroker/Lineair Süßwarenabteilung eines Supermarkts in Shanghai 2007.

Vor 50 Jahren zeichnete sich der Asien-Pazifik-Raum noch durch Nahrungsunsicherheit aus. Heute ist der Zugang der Menschen zu ausreichender und ausgewogener Nahrung relativ sicher. Die Erträge des asiatischen Weizen-, Reis- und Maisanbaus sind dank modernem Saatgut und effektiver Bewässerung über Jahrzehnte stetig gestiegen – ebenso wie die Gewinne der Bauern.

Höhere Ernteerträge führten zu mehr Nahrungsmittelproduktion. So wurde es möglich, Millionen Menschen mit ausreichender und bezahlbarer Nahrung zu versorgen. Indikator des Erfolgs ist, dass, obwohl die Bevölkerung Asiens von 1970 bis 1995 um 60 Prozent wuchs, pro Kopf 30 Prozent mehr Kalorien zur Verfügung gestellt werden konnten. Weizen und Reis wurden in realen Preisen sogar billiger.

Asien gilt heute als Vorbild im Kampf gegen Ernährungsunsicherheit, von dem andere Kontinente lernen können. Trotz dieser Erfolgsgeschichte gibt es aber weiterhin Probleme. Mangelernährung betrifft immer noch manche Bevölkerungsgruppen. Laut dem Welthunger- Index, der von International Food Policy Research Institute (IFPRI), Welthungerhilfe und Concern Worldwide erhoben wird, ist Hunger weiterhin ein "ernstes” Problem in China, Thailand and Malaysia. “Sehr ernst” sei es in Indonesien, den Philippinen, Vietnam und Myanmar. In Kambodscha, Laos and Timor-Leste sei die Lage sogar “gravierend”. Das zeigt, dass es noch immer strukturelle Probleme gibt. 

 

Panikbedingte Preisanstiege

Makroökonomische Faktoren sorgen manchmal für steigende Nahrungsmittelpreise, sodass arme Menschen sich kaum noch leisten können, was sie brauchen. Dafür gibt es empirische Beispiele. 2007/2008 stiegen die Weltmarktpreise für Weizen wegen geringer Produktion. Auch der Mais wurde teurer – aber nicht so sehr wegen Produktionseinbußen, sondern vor allem wegen der Nachfrage an Biotreibstoffen.

In der Folge stiegen in Asien auch Reispreise, obwohl es gar keinen Engpass gab. Exportländer schränkten die Reisausfuhr ein, als die Preise stark zu schwanken begannen, um den Verbrauch im eigenen Land zu decken. Reisimportländer wollten derweil ihre Bestände aufstocken und kauften auf dem Weltmarkt. Es gab einen Teufelskreis aus steigenden Preisen und Panikeinkäufen.

Die Inflation von Nahrungsmittelpreisen betraf insbesondere die armen Menschen in der Asien-Pazifik-Region. Ähnlich war es 2011/2012. Solche Marktphänomene sind  wissenschaftlich interessant – bedeutender ist aber, dass sie den Lebensstandard von Millionen Menschen beeinträchtigen. Dem größten Risiko sind Bevölkerungsgruppen wie Kinder und Alte ausgesetzt

 

Veränderte Nachfrage

Die Essensgewohnheiten in Asien ändern sich unterdessen. Das liegt unter anderem am Welthandel und ausländischen Direktinvestionen in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Das Angebot an bestimmten Nahrungsmitteln steigt. Preise, Vertriebswege und Marktstandorte ändern sich. Marken und Marketing werden immer wichtiger und beeinflussen Verbraucherverhalten. Das globale Handelsvolumen für verarbeitete Lebensmittel hat sich zwischen 1970 und 2005 mehr als vervierfacht. In Entwicklungsländern sind einschlägige Importe sogar um mehr als den Faktor fünf gestiegen.

Verarbeitete Lebensmittel sind oft süß, salzig oder fettig – und sie werden in Asien immer beliebter. Die internationale Lebensmittelindustrie hat diese Entwicklung angetrieben, und reagiert auf wachsende Nachfrage mit immer neuen Produkten zu erschwinglichen Preisen. Begleitet wird der Trend von Urbanisierung, zunehmendem Welthandel und einem immer bequemeren und weniger körperlich anstrengenden Lebensstil.

Pro Kopf hat der Konsum von Zucker und Fett in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Asien deutlich zugenommen. Zu den Gesundheitsfolgen gehören Diabetes und Herzleiden. Dass viele Menschen die Gefahren nicht kennen, macht die Sache schlimmer. In reichen Ländern klären Behörden, Wissenschaftler und Verbraucherinitiativen darüber auf. In Asien muss diesbezüglich noch viel geschehen.

 

Neue Gesundheitsgefahren

Die Methoden der Nahrungsmittelproduktion sorgen für weitere Probleme. So gefährden etwa Chemikalien, die bei der Produktion eingesetzt werden, die Lebensmittelsicherheit. Einige Gifte (wie Kadmium oder Blei) sind aufgrund ihres natürlichen Vorkommens im Erdboden in einigen Getreidesorten enthalten. Sie sind jedoch nicht das eigentliche Problem. Pestizide, Tierarzneimittel oder andere chemische Verunreinigungen treten in wesentlich höherer Konzentration auf und sind für die Verbraucher entsprechend gefährlicher.

Auf internationaler Ebene haben UN-Organisationen wie die WHO und FAO Sicherheitsstandards für Lebensmittel entwickelt. Diese sollen Gesundheitsgefahren ausschließen und den internationalen Handel erleichtern. Auch für Futtermittel gibt es solche Regeln. Expertengruppen wie das Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) geben Höchstwerte für Chemikalien in Lebensmitteln vor.

Diese Sicherheitsstandards dienen als Richtlinien um internationale Vergleichbarkeit zu schaffen, und werden folglich unter anderem für WTO-Verträge genutzt. Doch gerade Entwicklungsländer brauchen Institutionen und Verfahren, um die Einhaltung der Standards überprüfen zu können. Gute Amtsführung und Umsetzung von Regeln kann es nur dort geben, wo starke Behörden vorhanden sind – und diese gibt es noch zu wenig. Aufklärungskampagnen zivilgesellschaftlicher Gruppen würden ebenfalls helfen.  

Der Anbau genmanipulierter Getreidesorten (GM) ist ein weiteres Thema. Bei solchen Pflanzen wurde das Erbgut so verändert, wie es durch Kreuzungen oder natürlicher Rekombination nicht möglich wäre. Bisher wurde Gentechnik zunächst in der Landwirtschaft hochentwickelter Gesellschaften eingesetzt, um die Unkraut- und Schädlingsresistenz zu steigern. Zudem untersuchten Forscher, ob der Nährwert von Grundnahrungsmitteln durch Gentechnologie gesteigert werden kann. Da es mögliche Gesundheitsrisiken gibt, müssen aber erst die Folgen umfassend abgeschätzt werden.  

Skeptiker der Gentechnik befürchten, Lebensmittel auf genmanipulierter Basis könnten giftig sein, Allergien und Krebs auslösen oder geringen Nährwert haben. Sie bringen allergische Reaktionen, Antibiotikaresistenzen und Leberversagen mit GM-Pflanzen in Verbindung. Zu dem beeinträchtigen aus ihrer Sicht genmanipulierte Nahrungsmittel die reproduktive Gesundheit und Zeugungsfähigkeit von Menschen und führen zu höherer Kindersterblichkeit. Solche Wirkungen wurden zwar noch nicht zweifelsfrei bewiesen, aber die Unbedenklichkeit von Gentechnik ist auch nicht erwiesen.

Andere Experten – etwa bei der WHO – sind zuversichtlicher. Sie akzeptieren, dass bei sämtlichen Lebensmitteln mögliche Gesundheitsfolgen beachtet werden müssen, betonen aber die Vorteile der Gentechnik. So könne beispielsweise der Nährwert von Pflanzen verbesssert werden. Forschungsvorhaben haben sich vor allem auf Vitamine und andere Nährstoffe konzentriert, um die Ernährung der Bevölkerung von Entwicklungsländern zu verbessern. Golden Rice und Golden Rice II sind Beispiele. Diese Reissorten produzieren Beta Carotin und könnten zum verbesserten Grundnahrungsmittel für Menschen mit Vitamin A-Mangel werden.

Zudem gibt es Erkenntnisse zu Nahrungsmittelbestandteilen, die als funktionelle Stoffwechselprodukte bezeichnet werden und die zur Bekämpfung von Krankheiten dienen können. Gentechnik könnte dazu beitragen, entsprechende Nahrungsmittel zu produzieren. Damit diese Technologie Früchte tragen kann, muss es jedoch Instanzen geben, die die Lebensmittelsicherheit kontrollieren und nötige Informationen an Vebraucher weitergeben.

Die Regulation der Gentechnik ist aber nicht das drängendste Problem der Lebensmittelsicherheit in Asien. Mangelernährung und ungesunde Ernährung mit nährstoffarmen Produkten beeinträchtigen viel mehr Menschen in dieser Region. Die Politik muss dafür sorgen, dass alle Bevölkerungsgruppen Zugang zu angemessener Nahrung bekommen. Zudem ist Aufklärung über gesunde Ernährung nötig. Institutionen und Verfahren, um internationale Standards der Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, müssen auf- und ausgebaut werden.

 

J. Jackson Ewing ist Wissenschaftler an der S. Rajaratnam School of International Studies der Nanyang Technological University in Singapur.
jjewing@ntu.edu.sg

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