Geberharmonisierung

„Nationale Systeme als Regelfall“

DATA ist eine Organisation, die Druck auf die Regierungen der G8-Länder macht, ihre entwicklungspolitischen Versprechen zu halten. Das Kürzel steht für Debt Aids Trade Africa. Zu den Gründern gehörte unter anderen der U2-Sänger Bono. Tobias Kahler, der Leiter des Berliner Büros, erläutert, was seine Organisation sich vom OECD-Gipfel in Accra verspricht.


[ Interview mit Tobias Kahler, DATA Deutschland ]

DATA hat nun zum dritten Mal einen Jahresbericht vorgelegt, in dem untersucht wird, wie und wo Armutsbekämpfung am besten funktioniert. Welche Initiative finden Sie besonders gelungen?
Es gibt eine Reihe von sehr gut funktionierenden Entwicklungsprogrammen. Der Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria zeichnet sich zum Beispiel gleich durch mehrere Erfolgsfaktoren aus. Er hält sehr zuverlässig Finanzierungszusagen ein, er arbeitet transparent und hat eine klare Aufgabe. Und die Ergebnisse sind gut. So bekommen heute etwa 2,1 Millionen Menschen in Afrika die antiretroviralen Medikamente, die sie brauchen. Das sind immerhin ein Drittel der Betroffenen. Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahrzehnts wurden erst 50 000 Patienten angemessen versorgt. Und dies ist nur eine von vielen erfreulichen Statistiken. Eine andere: Ruanda verzeichnet heute zwei Drittel weniger Todesfälle dank insektizidbehandelter Moskitonetze. Auch das ist ein Erfolg des Global Fund.

Welches andere Programm fällt Ihnen als vorbildlich ein?

Die „Education for All – Fast Track Initiative“ ist ein Beispiel dafür, wie auf der Basis der Ownership der Entwicklungsländer schnelle Fortschritte erreicht werden können. Allein in Afrika ist die Einschulungszahl seit 1999 um 29 Millionen Kinder gestiegen, unter anderem, weil sinnvolle Programme der dortigen Staaten unterstützt wurden.

Was erhoffen Sie sich vor diesem Hintergrund vom OECD High-Level Forum on Aid Effectiveness im September in Accra?

Vor allem neuen Schwung für den gesamten Paris Prozess. Die Diskussion über Aid Effectiveness, die ja schon 2003 in Rom begonnen hat, ist sehr spannend. DATA beharrt darauf, dass die G8 ihre Hilfsversprechen erfüllen müssen. Aber dabei ist es selbstverständlich wichtig, dass die Mittel möglichst wirkungsvoll eingesetzt werden. Die Grundprinzipien der Diskussion zeigen in die richtige Richtung. Wir müssen die Nutzung nationaler Systeme ausweiten, da nur die Verwaltungen der Partnerländer die Kohärenz der Programme mit nationalen Entwicklungsstrategien gewährleisten können. ODA-Mittel dürfen auch nicht an bestimmte Lieferungen gebunden werden.

Ownership ist ein problematischer Kernbegriff der Paris Declaration. Wären die betroffenen Länder in dem Sinne souverän, dass sie ihre Angelegenheiten selbständig regeln könnten, würden wir überhaupt nicht von Ownership und Aid sprechen. Oft scheint es so, als hätten die Regierungen der reichen Länder Agenden, die diejenigen der armen endlich in eigener Verantwortung umsetzen sollen.

Der Begriff Ownership ist sicherlich etwas schwammig. Aus unserer Sicht geht es dabei aber um ein Ziel, nicht um eine Voraussetzung der Entwicklungspolitik. Wenn die Geber ihre Mittel berechenbar zur Verfügung stellen, wenn sie transparent und nachvollziehbar mit den örtlichen Strukturen arbeiten, wenn sie die konstruktiven Impulse, die es in Afrika ohne Zweifel gibt, nutzen, dann wird das Ergebnis verantwortungsvolle Ownership sein. Es kommt auf die Prozesse an, und die werden gestaltet. Aus unserer Sicht wäre es gut, wenn in Accra zum Beispiel beschlossen wird, dass der Einsatz der nationalen Sys­teme der Regelfall wird und alle Ausnahmen begründet werden müssen.

Aber manchmal sind die Regierungsverhältnisse in Afrika doch wirklich zum Verzweifeln. Welche Art von positiver Entwicklungsownership sollen wir uns beispielsweise von der kenianischen Regierung versprechen? Das Kabinett hat 80 hochbezahlte Minister, die versorgt werden müssen, damit sie keinen Bürgerkrieg anzetteln.

Ihre Darstellung ist sehr pointiert, aber die Geschichte der jüngsten Wahlen in Kenia ist wirklich traurig. Trotzdem dürfen wir uns von einzelnen Rückschritten und Rück­schlägen nicht irritieren lassen. Insgesamt ist die Entwicklung in Afrika erfreulich. Zu Beginn des Jahrzehnts tobten dort noch 16 bewaffnete Konflikte. Heute sind es nur noch fünf. Auch Transparency International hat Fortschritte festgestellt, was beispielsweise die Korruption angeht. Länder wie Botswana, Namibia, die Kapverden oder Mauritius stehen heute besser da als das EU-Mitglied Polen.

Zurück zum Thema Ownership: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Entwicklung gelingt – die G8 oder die Regierungen der armen Länder?

Niemand kann eine fremde Regierung zur positiven Ownership zwingen. Das ist klar. Die Afrikaner sind für Afrika selbst verantwortlich. Aber die reichen Nationen haben Versprechen abgegeben, und wenn sie diese nicht einhalten, kann Entwicklung eben auch nicht gelingen. Dabei ist die offizielle Entwicklungshilfe (ODA) nicht alles. Wir benötigen eine entwicklungsfördernde Handelspolitik. Wenn die Handelspolitik der USA oder der EU die Entwicklungspolitik konterkariert, kommen wir auch nicht weiter. Allerdings dürfen wir die Agenda von Accra nicht überfrachten. Wir müssen uns auf die zentralen Punkte der aid effectiveness konzentrieren, damit es hier Fortschritte gibt.

Wie steht denn Deutschland aus Ihrer Sicht mit Blick auf die Paris Agenda da?

Das Bild, das unser jüngster Jahresbericht abgibt, ist positiv, aber nicht ohne Schwächen. Was Voraussagbarkeit der Zahlungen angeht, steht Deutschland zum Beispiel mit Kanada zusammen unter den G8 auf Platz zwei. Was Transparenz und Berichterstattung sowie die Nutzung nationaler Systeme angeht, hat die Bundesrepublik aber noch massiven Verbesserungsbedarf.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

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