Arabische Sprache

Bessere Verständigung

In 22 Ländern sprechen die Einwohner Arabisch – und doch verstehen sie sich untereinander nicht unbedingt. Denn die Sprache ist in zahlreiche Dialekte zersplittert. Im Alltag haben die arabischen Revolutionen viel zur Vereinheitlichung des Arabischen beigetragen. Für die Wirtschaft arbeiten Übersetzer an einem Online-Fachlexikon.
Buchmesse in Kairo: Hocharabisch wird fast ausschließlich als Schriftsprache gebraucht. Im Alltag werden regionale Varianten gesprochen. Matthias Tödt/picture-alliance/dpa Buchmesse in Kairo: Hocharabisch wird fast ausschließlich als Schriftsprache gebraucht. Im Alltag werden regionale Varianten gesprochen.

Ein Taxifahrer in Kairo sprach einen Tag lang nur Standard-Hocharabisch mit seinen Kunden. Er behauptete, er feiere damit den „Tag des Hocharabischen". Die Kunden konnten sich vor Lachen kaum halten. Der Effekt war beabsichtigt: Es handelte sich um eine Szene, die für eine ägyptische Unterhaltungssendung im Fernsehen gedreht wurde. Hocharabisch vor versteckter Kamera war genau deshalb ein Lacherfolg, weil es im Alltag fast nie verwendet wird. Stattdessen prägt eine Vielzahl regionaler Dialekte die Sprache. Arabisch wird von Mauretanien im Westen bis Oman im Osten gesprochen. „In Marokko kann man zwar Hocharabisch verstehen und auch sprechen, aber die Verständigung mit Menschen etwa aus Dubai ist teils sehr schwierig", erklärt der Leiter des Ägyptisch-Deutschen Kulturzentrums in Kairo, Tarik Bary.

Weil Hocharabisch als Sprache der „heiligen Schriften" assoziiert wird, gilt es manchen als ein Sakrileg, die regionalsprachlichen Varianten in die Hochsprache einfließen zu lassen und diese beliebig zu verändern. Im Alltags-Arabisch existieren mehrere Varianten nebeneinander, die durch die Sprache der ehemaligen Kolonialmächte oder von Berbersprachen beeinflusst wurden. So ist das Arabisch in Marokko, Algerien und Tunesien vom Französischen geprägt; andere Länder unterliegen dem anglophonen Einfluss.

 

Internet und TV verändern Sprache

Das Internet und die seit den arabischen Revolutionen besonders aktiven Blogger tragen zu einer Vereinheitlichung der arabischen Dialekte und zur innerarabischen Verständigung bei. Tarik Bary gibt ein Beispiel: „Die Jugend in Tunesien hat die jungen Ägypter sehr stark beim Aufstand vom 25. Januar 2011 unterstützt. Die Tunesier haben den Ägyptern erklärt, wie sie der Gewalt der Polizei begegnen können, weil sie diese Erfahrung schon gemacht hatten."

Die arabischen Blogger schreiben gern in Hocharabisch, wie es auch in den Printmedien verwendet wird. Das geschriebene Hocharabisch wird von allen arabischsprachigen Lesern verstanden. Das Bloggen hat die Schreibkultur laut Bary verändert: „Viel mehr junge Leute als noch vor 20 oder 30 Jahren schreiben schöngeistige Literatur – meist auf Blogs. Daraus sind aber auch schon Bücher entstanden, deren Qualität zwar unter Literaturkritikern umstritten ist, die sich aber als Bestseller verkaufen."

Einen aktuell sehr wichtigen Beitrag zur Vereinheitlichung des Arabischen leisten Satellitensender, die im gesamten arabischen Raum und darüber hinaus zu empfangen sind, allen voran Al-Jazeera oder Al-Arabiya. Die Moderatoren bemühen sich, allgemein verständlich zu sprechen und nicht in Dialekte zu verfallen.

In Facebook und beim Chatten verwendet die arabische Jugend hingegen häufig eine Mischung aus Dialekten, Englisch und Hocharabisch, durchaus auch mit lateinischen Buchstaben. Wie im Englischen können auch im Arabischen Zahlen als Buchstaben verwendet werden, um Worte in Kurzform darzustellen. „4u" etwa kann im Englischen als „for you" gelesen werden. Einige Zahlen sehen wie arabische Buchstaben aus. Diese Zahlen werden im Internet genutzt, weil es nicht für alle arabischen Buchstaben einen entsprechenden lateinischen Buchstaben gibt.

In den Wissenschaften gab es bislang kaum Fortschritte bezüglich der Vereinheitlichung der arabischen Sprache, beklagt Tarik Bary. Im arabischen Raum wie auch in Europa hat sich Englisch als Wissenschaftssprache durchgesetzt. Doch nicht jeder Studierende beherrscht Englisch gut genug, um Veröffentlichungen zu verstehen. Selbst Universitätsstudenten, die zumeist gut Englisch beherrschen, kennen nicht alle Termini in wissenschaftlichen Texten.

 

Online-Wörterbuch für Fachbegriffe

Auch in der Praxis von Unternehmen ergeben sich Probleme, wenn etwa Bedienungsanleitungen für komplexe Maschinen nur auf Englisch vorliegen. Eine Übersetzung in die jeweilige regionale Variante des Arabischen scheitert häufig daran, dass für Fachwörter noch gar kein anerkannter und allgemein verständlicher Begriff vorliegt. Wie etwa übersetzt man „Wasserkraftanlage" oder „Schwemmschlammschleuse" korrekt ins Arabische? Wie könnte man den englischen Terminus „hydrocyclone" (im Deutschen: „Zykloneindicker") ins Arabische übersetzen? Tarik Bary arbeitet als Professor mit seinem Team von Übersetzern seit einigen Jahren daran, genau diese Wissenslücken zu schließen.

Sie erstellen das Online-Wörterbuch „Arabterm", das Fachtermini auf Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch umfasst. Von geplanten sechs Bänden sind bereits die Ausgaben „Kfz-Technik", „Wasser", „Erneuerbare Energien" und „Elektrotechnik" erschienen und kostenfrei online zugänglich. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt das Vorhaben finanziell. Durchgeführt wird das Projekt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Kooperation mit dem Koordinierungsbüro der Arabisierung (BCA), der in Rabat ansässigen Vertretung der Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsorganisation der Arabischen Liga, ALECSO.

Die GIZ entwickelt Arabterm nach eigenen Angaben, weil die Kommunikation im technischen Bereich für den Austausch zwischen Europa und den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas zunehmend an Bedeutung gewinne. Nahtlose Kommunikation innerhalb eines neuen, technisch ausgerichteten Privatsektors werde, besonders bei grundlegenden Thematiken wie Wasser- oder Umwelttechnik, immer wichtiger. Sprachliche Vereinheitlichung hat nach GIZ-Einschätzung in den arabischen Ländern im beruflichen Bereich – etwa verglichen mit der Europäischen Union (EU) – ein erhebliches Steigerungspotenzial.

Bisher hatte das BCA Fachlexika für die arabische Sprache in gedruckter Form herausgegeben. Da die Erstellung pro Band bis zu sechs Jahre dauerte, waren diese Werke bei Erscheinen häufig wissenschaftlich bereits veraltet. „Vor Arabterm war der Wissensstand der arabischen Lexikographie in einem wichtigen Bereich wie Kfz-Technologie auf dem Niveau der 60er Jahre. Auch in anderen technischen Gebieten gibt es enormen Aufholungsbedarf", erklärt der Direktor des BCA, Abdelfattah Lahjomri. Eine Aufgabe des Koordinierungsbüros ist laut Lahjomri, Einigkeit unter den Nationalen Bildungskommissionen der 22 Länder der Arabischen Liga zu erzielen, so dass beispielsweise Arabterm in die nationalen Bildungssysteme eingearbeitet werden kann.

 

Wörter neu formen

Allein für den Arabterm-Fachband „Wasser" wurden 7000 Termini definiert und online gestellt. Fotos und Abbildungen erleichtern das Verständnis. Das Übersetzerteam in Ägypten hat eventuell vorliegende Übersetzungen recherchiert und teilweise neu ins Arabische übertragen. Es stand vor enormen Herausforderungen. Für jedes Wort, das in das Lexikon aufgenommen werden sollte, musste zunächst geprüft werden, ob bereits ein arabischer Begriff dafür in Umlauf ist. Wenn nicht, wurde nach den grammatikalischen Regeln der arabischen Sprache ein Wort neu geformt und vorgeschlagen, das den Inhalt möglichst verständlich wiedergibt.

Auch die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat mitgearbeitet. Sie wählte aus 55 000 relevanten Begriffen in ihrem eigenen Fachwörterbuch in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch aus. Zeitweise haben bis zu sieben Spezialisten allein der DWA gleichzeitig an den Übersetzungen gefeilt. „Da der arabische Raum vor den Toren der EU liegt, haben wir darauf geachtet, die arabischen Begriffe an die Bezeichnungen und Definitionen der Europäischen Normung anzudocken", erklärt Roland Knitschky, Fachreferent in der Abteilung Bildung und Internationale Zusammenarbeit der DWA. „Das vereinfacht dann auch Übersetzungen europäischer Normen." Geplant sind des Weiteren Bände zu Textilwirtschaft und Verkehr/Infrastruktur.

Der arabische Human Development Report 2010/11 hat aufgezeigt, dass Wissenstransfer unmöglich ist, wenn Studierende und Auszubildende keine terminologisch präzisen Ausdrucksmöglichkeiten in der von ihnen verwendeten Sprache kennen. „Im internationalen Handel, bei der Produktion von Teilen für High-Tech-Maschinen oder beim Brückenbau, bei der wissenschaftlichen Diskussion mit Kollegen oder einem Patentantrag benötigt man absolute linguistische Präzision", würdigte der deutsche UN-Botschafter in Genf, Thomas Fitschen, die Bedeutung des Fachlexikons. Arabterm wurde als deutscher Beitrag auf der Jahreskonferenz des Wirtschafts- und Sozialrates der UN im vergangenen Jahr hochrangigen arabischen Abgeordneten präsentiert.

Smartphone-Applikationen sollen bald folgen und dabei helfen, mit www.arabterm.org ein anerkanntes Fachlexikon für Techniker zu etablieren. Bei der Verbreitung beteiligt sind Projektpartner wie das Goethe-Institut, die Deutsch-Jordanische Hochschule und vor allem arabische Einrichtungen wie die nationale marokkanische Arbeitsagentur OFPPT. Ein Netzwerk besonders bei arabischen Multiplikatoren und auch bei Geberorganisationen ist dafür unabdingbar.

 

Charlotte Schmitz ist freie Journalistin und schreibt über Entwicklungspolitik und Wirtschaft. Sie hat Arabterm bei der Außendarstellung unterstützt. info@charlotte-schmitz.de

Guido Zebisch ist Projektleiter des GIZ-Projekts Arabterm und berät die Kultur- und Bildungsorganisation der Arabischen Liga.
guido.zebisch@giz.de

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