Geberharmonisierung und die EU

Profil eines Geberlieblings

In Ghanas Hauptstadt Accra findet im September das dritte High Level Forum on Aid Effectiveness der OECD statt. Fachleute aus Geber- und Empfängerländern werden eine Zwischenbilanz der Vereinbarungen von Rom (2003) und Paris (2005) ziehen und neue Ziele vereinbaren. Im Kern geht es darum, die Eigenverantwortung („Ownership“) der Empfänger zu stärken. Zu diesem Zwecke sollen sich alle Seiten besser abstimmen („Harmonisation“), und Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) sollen über Behörden und Verfahren der Zielländer abfließen („Alignment“). Der Tagungsort ist gut gewählt, denn Ghana ist eines der Länder, wo die Entwicklungszusammenarbeit klare Erfolge erzielt hat.

[ Von Joachim Schmitt ]

Ghana ist beliebt. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 gewann die Mannschaft aus Westafrika die Sympathie vieler Fans – nicht nur in Deutschland. Schon Jahre zuvor hat das Land die Herzen der internationalen Gebergemeinschaft erobert. Seit Anfang der 80er Jahre gilt es als Musterschüler von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. 1992 fanden freie Wahlen statt, 2000 folgte im demokratisch-friedlichen Wechsel Präsident John Agyekum Kufuor auf Jerry Rawlings.

Das Land wirkt im krisenreichen Westafrika als stabilisierender Pol. Es übernimmt in der Afrikanischen Union (AU) und in der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) Verantwortung. Schon in diesem Jahr könnte Ghana das erste Millenniumsentwicklungsziel erreichen: die Halbierung des Bevölkerungsanteils in Armut lebender Menschen im Vergleich zu 1990.

Mehr ODA

Südlich der Sahara lässt sich derlei nicht von vielen Ländern sagen. Für den Erfolg fühlen sich außer heimischen Entscheidungsträgern auch die Geber verantwortlich. Derzeit engagieren sich in Ghana neben zwölf bilateralen Gebern auch die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, die Europäische Kommission, 12 UN-Organisationen und der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Die ODA hat sich in den vergangenen vier Jahren auf rund 1,3 Milliarden Dollar per annum mehr als verdoppelt – bei weiterhin steigender Tendenz. Mittel aus islamischen Ländern, China und Indien sind dabei nicht erfasst.

Die Zahl der bi- und multilateralen Geber steigt seit Jahren. 2005 kam die Millennium Challenge Corporation der USA als de facto eigenständiger Geber hinzu. Nach Ölfunden vor der Küste Ghanas im vergangenen Jahr plant Norwegen, die Entwicklungszusammenarbeit wiederaufzunehmen. Neben der EUKommission sind sieben EU-Mitglieder in Ghana aktiv, Tschechien erwägt den Einstieg. Die Kooperation mit Ghana ist für Geber attraktiv, denn die erreichten Erfolge helfen, den Nutzen der innenpolitisch oft umstrittenen Entwicklungspolitik herauszustellen.

Unter der deutschen Ratspräsidentschaft hat die EU im Mai 2007 den freiwilligen „Verhaltenskodex für Komplementarität und Arbeitsteilung in der Entwick - lungspolitik“ verabschiedet. Er zielt auch darauf ab, Geberlieblinge und Geberwaisen ausgewogener zu unterstützen. Europäische Kommission und EU-Mitglieder sollen künftig unter anderem abstimmen, in welchen Ländern sie aktiv sind. Diese Selbstverpflichtung ist sinnvoll. Vor Ort in Ghana ist davon aber noch wenig zu spüren – denn dann müsste die Zahl der Geber hier eigentlich zu Gunsten anderer Entwicklungsländer zurückgehen.

Budgethilfe

Ohne Zweifel haben die Beschlüsse von Rom und Paris in Ghana früh Spuren hinterlassen. Mitte 2003 initiierten neun Geber gemeinsame Budget hilfe, die direkt in den ghanaischen Staatshaushalt eingezahlt wird. Inzwischen hat die „Multi Donor Bugdet Support“-Gruppe elf Mitglieder, die zusammen in diesem Jahr rund 350 Millionen Dollar aufbringen werden. Das entspricht fünf Prozent der Staatseinnahmen und rund einem Viertel der gesamten ODA. Die Auszahlung der Gelder ist abhängig vom Nachweis makroökonomischer Stabilität. Um alle zugesagten Mittel zu erhalten, muss die ghanaische Regierung zudem jährlich vereinbarte Erfolgsindikatoren erreichen und bestimmte Reformen umsetzen.

Ein Erfolgszeichen ist, dass die Budgethilfe zwar gestiegen ist, ihr Anteil am Etat aber von zehn Prozent auf nur noch rund fünf Prozent gesunken ist. Die nationalen Einnahmen der Regierung sind nämlich deutlich schneller gewachsen. Dank Reformen im Steuerwesen haben diese sich seit 2002 vervierfacht.

Die gemeinsame Budgethilfe hat sich als sinnvoll erwiesen. Sie reduziert für die ghanaischen Behörden den Abstimmungs- und Verwaltungsaufwand, bietet aber zugleich den Gebern Raum für umfassenden hochrangigen Dialog. Früher fanden jährlich „Consultative Group“-Treffen unter Leitung der Weltbank statt, auf der Geber neue Zusagen machten. Seit 2005 gibt es stattdessen „Annual Partnership Meetings“, auf denen gemeinsam Bilanz gezogen wird. Mit dabei sind Ghanas Kabinett und der Präsident selbst.

Seit 2007 wird zu diesem Anlass ein einheitliches Zahlenwerk aufgestellt. Es erfasst nicht nur die geplanten Geberbeiträge systematisch, sondern auch die Eigenleistungen Ghanas auf den entsprechenden Feldern. Für alle Beteiligten ist die Planung dadurch sehr viel transparenter geworden. Die Regierung hat versprochen, künftig auch „neue“ Geber wie China und Indien um die Veröffentlichung der entsprechenden Daten zu bitten.

Über die Annual Partnership Meetings hat sich eine klar strukturierte EZ-Architektur mit 17 sektorspezifischen Arbeitsgruppen herausgebildet. In ihnen sind Geber und nationale Regierung vertreten (siehe Artikel unten). Ein weiteres Ergebnis des Harmonisierungsprozesses ist die Vereinbarung einer jährlichen „Mission- Free-Period“, die der Regierung knapp zwei Monate vor der Einbringung des Haushalts ins Parlament die notwendige Luft für eigenständige Arbeit verschaffen soll.

Kein zusätzlicher Elan

Bei allen sichtbaren Fortschritten spielt in Ghana ein Leitprinzip der Paris Declaration eine bisher vergleichsweise untergeordnete Rolle: die Ownership der nationalen Regierung. Ghana verfolgt ohne Zweifel eine Reformagenda zur Entwicklung des Landes und hat viele erfolgreiche Reformen durchgeführt. Die Beschlüsse von Paris haben hier aber auf Seiten der Regierung keinen echten neuen Schwung ausgelöst. So arbeitet sie in einigen der sektorspezifischen Arbeitsgruppen aktiv mit, an anderen zeigt sie dagegen kaum Interesse.

Die Ausarbeitung der zweiten nationalen Wachstums- und Armutsbekämpfungsstrategie schien ihr eher eine Pflichtübung zu sein. Für die Geber sind solche Dokumente indessen wichtig. Auf der Grundlage des Papiers formulierten sie eine Joint Assistance Strategy für Ghana (G-JAS). Die Unterzeichner dieser G-JAS bringen zusammen 95 Prozent der ghanaischen ODA auf. Doch das Finanz- und Planungsministerium in Accra beobachtete diesen Prozess allenfalls aus der Distanz. Es ließ sich für die Antwort auf den fertigen Entwurf vier Monate Zeit.

2006 verschickte das Development Assistance Committee (DAC) der OECD einen Fragebogen, um die Ausgangslage für die Umsetzung der Paris Agenda zu erheben. Die Geber lieferten die Daten weitgehend im Alleingang.

Die Geber machten Vorschläge, um die gegenseitige Rechenschaftspflicht zu stärken. Derlei verhallte bislang oder wurde ausdrücklich abgelehnt. Das Finanzministerium sieht die Regierung, was das Geberhandeln angeht, vor allem in einer Zuschauerrolle. Es heißt, den Partnern könnten keine Vorschriften gemacht werden. In Wirklichkeit wäre den Gebern aber stärkeres ghanaisches Engagement durchaus willkommen.

Ohne Frage wurden die nationalen Ausschreibungs- und Finanzsysteme verbessert. Viele Geber wünschen sich aber weiteren Fortschritt, ihnen scheinen die bestehenden Verfahren oft noch zu unsicher, um eigene Mittel darüber abzuwickeln.

Vor diesem Hintergrund ist vielleicht nicht erstaunlich, dass das DAC-Team nach Auswertung der Basisdaten dem Harmonisierungsfortschritt in Ghana nur ein recht durchwachsenes Zeugnis erteilte (OECD: “2006 Survey on Monitoring The Paris Declaration – Country Chapters – Ghana”, Paris, 2007).

Die Weltbank schätzt in einer aktuellen eigenen Untersuchung die Lage allerdings deutlich besser ein. In einem Vergleich von 30 Entwicklungsländern belegt Ghana dort den 3. Platz, knapp geschlagen nur von Uganda und Tansania („IDA’s Role in Enhancing Country- Level Effectiveness: Strengthening Harmonization and Alignment”; International Development Association / Operation Policy and Country Services, Oktober 2007, S. 38).

Das bisher eher begrenzte Interesse Ghanas am Harmonisierungsprozess kann auf verschiedene Weise erklärt werden. Häufig und durchaus zu Recht wird auf die knappen Ressourcen des zuständigen Finanzministeriums verwiesen. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass Harmonisierung kurz- und mittelfristig die Transaktionskosten erhöht, während sich bessere Ergebnisse und leichtere Abstimmung erst mittel- bis langfristig einstellen – wenn denn die Anfangsbemühungen fruchten.

Andere Ministerien scheinen zu befürchten, dass Harmonisierungsfortschritt sie tendenziell schwächt. Sie verhandeln nicht mehr selbst mit verschiedenen Gebern. Folglich können sie diese auch bei der „Auswahl“ von Einzelprojekten oder der Bitte um Unterstützung gewisser inhaltlicher Prioritäten nicht mehr gegeneinander ausspielen.

Gewachsenes Selbstbewusstsein

Der geringe Harmonisierungsenthusiasmus Ghanas hat indessen vermutlich wichtigere Ursachen. Die Paris Agenda zur Steigerung der ODA-Effizienz fällt in eine Zeit, in der Ghanas Regierung neue Ufer anstrebt, an denen sie klassische Geber kaum noch brauchen würde.

Die nationale Entwicklungsstrategie strebt bis 2015 den Status eines Middle-income-Landes (mit einem Pro-Kopf-Einkommen ab 1000 Dollar im Jahr) an. Nach Abschluss der großen multilateralen Entschuldungsrunden hat Ghana im vergangenen September als erstes Low-income-Land wieder einen kommerziellen Kredit aufgenommen. Standard & Poor gab der Regierung das Rating „B+“. Innerhalb von sechs Stunden waren von privaten Kapitalanlegern mehr als 3 Milliarden Dollar aufgetrieben. Der Regierung reichten aber schon 750 Millionen.

Zwei Monate zuvor wurden vor der Küste Ghanas Ölvorkommen entdeckt, die umfangreich zu sein scheinen. Die kommerzielle Ausbeutung soll schon in drei bis vier Jahren beginnen. China, Indien und andere „neue“ Geber bieten Mittel an, ohne bislang sonderlichen Wert auf Abstimmung zu legen oder im Gegenzug Reformen einzufordern. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass der Geberliebling Ghana die herkömmlichen Geber nicht mehr so dringend braucht wie früher.

Accra Declaration als Chance

Beim 3. High Level Forum im September werden sich viele Augen auf Ghana richten. Gut drei Monate nach dem Gipfel stehen dann Präsidents- und Parlamentswahlen an. Vermutlich wird die Regierung schon deshalb in nächster Zeit dem Harmonisierungsprozess mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Aussicht, dass auf die international beachtete Paris Declaration eine ähnlich wichtige Accra Declaration folgen könnte, finden Amtsinhaber selbstverständlich attraktiv.

Die multilaterale Großkonferenz wird also Gelegenheit bieten, Bilanz zu ziehen und die vielen offensichtlichen Fortschritte zu würdigen. Im Moment sind es aber die Geber, die das stärkste Interesse daran haben, den Harmonisierungsprozess im Musterland Ghana voranzutreiben. Die Transaktionskosten könnten für alle Seiten noch mal deutlich gesenkt werden, wenn die Regierung in Accra stärker steuernd eingreifen würde. Die Entscheidungsträger Ghanas müssen davon noch weiter überzeugt werden.

Derartige Botschaften gilt es auch den Regierungen anderer Entwicklungsländer zu vermitteln. Wesentlich werden dabei Zivilgesellschaft und öffentliche Meinung in den betroffenen Gesellschaften sein. Denn – auch das lehrt das Beispiel Ghana – der Erfolg der untereinander abgestimmten Entwicklungszusammenarbeit hängt davon ab, dass die örtlichen Regierungen zur Rechenschaft gezogen werden. Sie muss auch unter heimischem Druck stehen, ODA-Mittel sinnvoll zu verwenden.

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