Privatsektor

Unterschätzter Produktionsfaktor

Wenn Spediteure ihre Mitarbeiter auf Tour schicken, müssen sie auch an deren Gesundheit denken. Eine grenzübergreifende Qualitätszertifizierung für das Transportgewerbe im südlichen Afrika soll nun Maßstäbe setzen. Privatunternehmen sind an der Aushandlung der Regeln beteiligt. Von Ute Papkalla
Trucks waiting at Zambia’s border. Mike Hutchings/Reuters Trucks waiting at Zambia’s border.

Im Transportgewerbe zu arbeiten ist gefährlich: Eine EU-Analyse des Arbeitsplatzes „Lastwagen“ bescheinigt Fernfahrern in europäischen Staaten hohe gesundheitliche Risiken – unter anderem durch Vibration, Lärm, schwere und gefährliche Ladungen, lange Sitzzeiten, Arbeitsstress und Erschöpfung. Noch größer ist die Belastung indes in Subsahara-Afrika. Viele Strecken dortiger Länder sind noch immer miserabel, und Unfälle trauriger Alltag.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) besitzen Afrikaner nur zwei Prozent aller Autos weltweit; sie verbuchen jedoch 20 Prozent aller tödlichen Unfälle. Darüber hinaus drohen Berufsfahrern regionale Krankheiten wie Malaria oder Gelbfieber. Monatelange Abwesenheitszeiten von der Familie sind auch eine hohe soziale Belastung. HIV-Infektionsraten sind unter Fernfahrern und entlang bestimmter Routen besonders hoch. Das Transportgewerbe im südlichen Afrika muss den Risiken deshalb schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen gegensteuern.

Eine aktuelle Initiative zur betrieblichen Selbstregulierung im südlichen Afrika ist ein Beispiel dafür, wie sich Qualitätsmanagement, soziale Verantwortung und nachhaltige Betriebsführung erfolgreich verbinden lassen. Sie geht aus vom Sekretariat der Wirtschaftsgemeinschaft für das Südliche Afrika (SADC) und betrifft den Nord-Süd-Korridor von der Demokratischen Republik Kongo nach Südafrika. In Kooperation mit der Privatwirtschaft versuchen mehrere Staaten, stimmige Anreize zu finden, um soziale und gesundheitliche Maßnahmen in den Alltag von Unternehmen zu integrieren.  Die East African Community ist als Beobachter auch beteiligt. Ein Pilotprojekt in den Ländern Sambia, Simbabwe und Südafrika macht den Anfang.

Transportunternehmer oder Hersteller  aller Arten von Gütern, die im südlichen Afrika transportiert werden, werden Zertifikate bekommen, wenn sie nachweisen, dass sie ihre Trucks regelmäßig warten und nicht überladen,  dass sie auf Gesundheit ihrer Fahrer achten und dass sie ihre betrieblichen Abläufe nach anerkannten Standards regeln und dokumentieren. Dabei bleibt es beteiligten Akteuren überlassen, im Detail auszuhandeln, welche dieser Vorgaben wie erreicht werden sollen.

Zu den Gesundheitsaspekten gehören HIV-Prävention, Impfungen, die Aufklärung über Alkohol und Drogen, Tipps zur gesunden Lebensweise und Sicherheitstrainings. Unternehmen sollten ihren Fahrern regelmäßige Arztbesuche einräumen und am besten auch gleich bezahlen. Es gilt, Krankheiten auch im Betrieb angemessen zu bekämpfen und Mitarbeiter vor Unfallfolgen oder chronischen Erkrankungen abzusichern. Gerade in Ländern mit hohen Unfallstatistiken sind zudem Erste-Hilfe-Kurse und Auffrischungen dringend nötig.


Riskante Wartezeiten

Dreh- und Angelpunkt der neuen Initiative zur betrieblichen Selbstregulierung für den SADC-Raum sind die langen Wartezeiten an den Grenzen. Laut der internationalen Organisation für Migration (IOM) braucht ein Lkw entlang des Nord-Süd-Korridors 15 bis 20 Tage. Die eigentliche Fahrt dauert nur fünf Tage, heißt es – der Rest sind Wartezeiten am Zoll. Grenzangelegenheiten sind durch regionale Vereinbarungen (SADC Customs Union SACU und EAC) oder bilaterale Vereinbarungen zwischen Ländern geregelt. In der Praxis bleibt noch viel Raum für Willkür.

An grenznahen „Hot Spots“ bieten Händler, Kneipen und Sexarbeiterinnen ihre Dienste an. Klar ist, dass dort viele Probleme zusammenkommen. Verzögerungen am Zoll kosten nicht nur unmittelbare Arbeitszeit, sie gefährden auch die Gesundheit von Mitarbeitern, beispielsweise durch ein hohes Risiko, sich mit HIV zu infizieren.

Die Qualitätsinitiative will den Transportunternehmen ermöglichen, den Warenverkehr zwischen mehreren Ländern zügiger zu gestalten. Wer die entsprechende Qualitätsbescheinigung künftig im Nord-Süd-Korridor vorlegen kann, soll dann schneller durch die Grenzkontrollen kommen.

Lovemore Bingandadi, technischer Berater des SADC-Sekretariats für regionale Transportkorridore, hofft jedenfalls, dass von dem Transportzertifikat Impulse für den Handel und die regionale Integration ausgehen. „Traditionell regeln unsere Regierungen den Transport über nationale Direktiven und über Kontrollen“, schildert Bingandadi. Die Firmen wüssten aber selber am besten, was ihre Geschäfte weiterbringt und Mitarbeiter gesund hält.

Wenn alles glattläuft, sind alle Seiten zufrieden: Der Staat sichert Zollumsätze, am Ende sparen aber auch die Transporteure Kosten, wenn ihre Fahrzeuge besser ausgelastet sind. Investitionen in die Gesundheit ihrer Fahrer nützen zudem auch deren Familien und den Gemeinschaften, die entlang der Routen leben. Hinzu kommt, dass bessere Trucks nicht nur Spritkosten sparen. Sie stoßen auch weniger CO2 und Staub aus und verursachen weniger Unfälle.


Weniger Pannen, weniger Sprit

Ähnliche Projekte laufen seit einigen Jahren in Südafrika unter dem Kürzel RTMS (Road Transport Management System). Einer der technischen Begleiter der landesweiten Einführung von RTMS, Paul Nordengen von der südafrikanischen Forschungseinrichtung CSIR (Council for Scientific and Industrial Research), lobt die Ergebnisse: „Akkreditierte Unternehmen senken ihre Unfallzahlen, haben besser motivierte Fahrer mit verringerten Abwesenheiten, weniger Pannen und senken Benzinverbrauch durch regelmäßige Wartung und Fortbildungen im Sprit sparenden Fahren.“ Die Gesundheitsrichtlinien für die südafrikanischen RTMS-Standards sind am runden Tisch mehrerer Gesprächspartner entstanden: Das Direktorat für Infrastruktur und Dienstleistungen und die Aids-Abteilung der SADC kooperierten dabei mit Transportverbänden und wichtigen Unternehmen im östlichen und südlichen Afrika, in der Demokratischen Republik Kongo, Sambia, Simbabwe und Südafrika. Auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) brachte ihre Expertise ein.

Herausgekommen ist eine Richtlinie, die Unfallverhütung, Aids-Prävention, verträgliche Fahrzeiten und einen gesunden Lebensstil gleichermaßen berücksichtigt. Sie misst einer umfassenden betrieblichen Gesundheitsfürsorge hohe Bedeutung zu.

An der Börse notierten Unternehmen in Südafrika hilft das RTMS in besonderem Maße. Sie können damit nämlich auch bei Nachhaltigkeitsberichten punkten. Die Regierung in Pretoria schreibt Konzernen sogar vor, solche Zusatzbilanzen herauszugeben und die Befolgung von Grundsätzen der Global Reporting Initiative (GRI) nachzuweisen.

Die GRI versucht im partizipativen Verfahren, einheitliche Regeln für Nachhaltigkeitsberichte durchzusetzen. Ziel ist eine bessere Unternehmensführung (Corporate Governance), nicht nur mit Blick auf Anteilseigner, sondern auch auf Mitarbeiter, Umwelt und Gesellschaft.Die Initiative für Selbstregulierung und Qualität im grenzüberschreitenden Warenverkehr der SADC-Region weckt Neugier auch in Nachbarländern. Barney Curtis, Chef der Federation of East and Southern African Road Transport Association (FESARTA), berichtet über reges Interesse aus Ostafrika, sowohl von Unternehmern wie Regierungen: „Die ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) steckt mitten im Prozess einer Harmonisierung ihrer regionalen Kontrollen für Fahrzeugüberladungen und Ladungsgrenzwerte.“ Selbstregulierungsmodelle, wie die SADC sie anstrebt, sähen viele Beteiligte „als zwingendes Grundprinzip“.

Allerdings fehlt Managern im Bereich Gesundheit häufig die Weitsicht. Nach Curtis’ Worten achten viele Chefs in erster Linie auf guten Zustand und erhöhte Leistung ihrer Fuhrparks, erst in zweiter Linie auf gesunde Mitarbeiter: „Höhere Umsätze erreichen Geschäftsführer traditionell nur durch erhöhte Produktivität und durch Kostensenkung.  Fahrergesundheit kalkulieren sie bisher nicht ein, obwohl sich das auszahlen würde.“ Große Unternehmen und solche mit besser ausgebildetem Personal sehen den Vorteil stärker als kleine Unternehmen.

Die Initiative kommt im SADC-Raum zur rechten Zeit. Eine neue ISO-Norm mit der Nummer 39001 zum Thema Sicherheit im Straßentransport wurde gerade verabschiedet. Betriebe im südlichen Afrika, die bis dahin zertifiziert sind, können dann auch leichter eine ISO-39001 Zertifizierung beantragen. 

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