Rehabilitation

„Gleiches Recht für körperlich Behinderte“

Harold Shangali ist seit 1992 Leiter des Tanzania Training Centre for Orthopaedic Technologists (TATCOT). Im Interview mit E+Z/D+C erläutert er die täglichen Probleme behinderter Menschen in Afrika und die Herausforderungen, denen sich sein Institut stellen muss.


[ Interview mit Harold Shangali ]

Wo sehen Sie die besonderen Probleme körperlich behinderter Menschen in Afrika?
Bereits der Zugang zu Hilfsmitteln ist im direkten Umkreis sehr problematisch, und oftmals können behinderte Menschen diese nur mühsam bezahlen. Zudem sind öffentliche Gebäude und Einrichtungen für sie meist nur schwer zugänglich. Ebenso ist die öffentliche Dienstleistung im Allgemeinen mangelhaft, was natürlich gerade für diese Menschen ein noch größeres Problem darstellt.

Warum benötigen so viele Menschen Prothesen?
Körperliche Behinderungen sind größtenteils Folge von Verkehrsunfällen, aber auch von Schlangenbissen, Arbeitsunfällen oder politisch motivierter Gewalt. Allerdings bieten wir auch ehemaligen Poliokranken, Menschen mit angeborenen Missbildungen, Diabetikern, Infektions- und Krebskranken – um nur einige zu nennen – unsere Hilfe an.

Wie profitieren behinderte Menschen von Ihrer Arbeit?
TATCOT bildet Orthopädietechniker in verschiedenen Kategorien und Bereichen aus. Während der klinischen Ausbildungsphase müssen die Studenten beim Patienten den Gebrauch von Hilfsgeräten diagnostizieren, diese verschreiben und Reha-Maßnahmen einleiten, was wiederum die Anzahl derer erhöht, denen in der protethischen und orthetischen Abteilung des Krankenhauses geholfen werden kann. Unser Institut hat wesentlich zur Verbesserung der Rechte körperlich behinderter Menschen beigetragen.

Gibt es in den Nachbarländern ähnliche Zentren wie das TATCOT?
Nein, das TATCOT in Tansania ist das erste seiner Art und bisher das einzige in Ostafrika.

Weshalb wurde TATCOT gegründet?
Es gab und gibt nach wie vor einen hohen Bedarf an professionellen Ausbildungskursen, die dem internationalen Standard entsprechen. Bis in die späten 70er Jahre gab es in Afrika nur ein einziges Ausbildungszentrum: in Lomé, Togo. Es versorgte die französischsprachigen Länder, konnte aber nicht einmal den Bedarf Westafrikas decken, geschweige denn den des ganzen Kontinents. Mittlerweile wurde in Marokko ein neues Zentrum eröffnet und weitere sind in Planung, etwa in Ruanda. Auch gibt es Zentren, die nicht dem internationalen Ausbildungsstandard für Orthopädietechnik entsprechen; aber wichtig ist ja gerade, dass auf neuestem Stand gearbeitet wird.

Aus welchen Ländern stammen Ihre Studenten?
Unsere Studenten kommen aus ganz Afrika, aber auch aus Ländern wie El Salvador, Vietnam und Kambodscha. Über unterschiedliche Wege werden sie auf unsere Einrichtung aufmerksam – entweder durch Nachrichtenmedien und Fachzeitschriften oder auf Konferenzen oder Kongressen. Einige finden uns auch übers Internet oder erhalten Informationen von den zuständigen Behörden.

Was sind die Ziele von TATCOT?
Unsere wichtigsten Ziele sind:
- die dauerhafte Gewährleistung qualitativ hoher Ausbildungs- und Arbeitsstandards,
- der Zuwachs an Experten für die Versorgung der hilfsbedürftigen Bevölkerung,
- die Wahrung des technologischen Fortschritts,
- die Unterstützung der Rechte und Chancengleichheit körperlich behinderter Menschen,
- die Verbesserung ihrer Lebensqualität,
- die Teilnahme an der Umsetzung nationaler sowie internationaler Strategien und Richtlinien in Bezug auf Ausbildung, Leistungserbringung und Forschung,
- der Forschungseinstieg, der zu einer evidenzbasierten Anwendung führen soll sowie
- das Angebot von Studien- und Aufbaustudienkursen auf dem Gebiet der ­Rehamedizin.

Wie wird das Zentrum finanziert?
Die tansanische Regierung zahlt eine pauschale Summe; darüber hinaus finanziert sich das Zentrum über Studiengebühren und Kostenbeteiligung der Studenten. Es ist hart für uns, dass wir zukünftig ohne Stipendien von InWEnt auskommen müssen, aber wir können das Argument verstehen, dass unsere Arbeit bereits gut läuft und es an anderer Stelle notwendiger ist, Kapazitäten zu schaffen. In jedem Fall jedoch werden wir in Kontakt bleiben.

Welche Herausforderungen kommen in unmittelbarer Zukunft auf Sie zu?
Die Weiterbeschäftigung des gesamten Lehrpersonals, der Platzmangel im Bereich der praktischen Ausbildung, da die Studentenzahlen aller Voraussicht nach ansteigen. Und zu guter Letzt die Suche nach Unterstützung neuer Sponsoren, da einer unserer Hauptsponsoren – InWEnt – seine Unterstützung in der Langzeitausbildung eingestellt hat.

Die Fragen stellte Eleonore von Bothmer

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