Solartechnik

Sauber und billig

Elektrizität spielt eine bedeutende Rolle für menschliche Entwicklung. Abendliches und nächtliches Licht ermöglicht es Menschen, zu lernen, zu arbeiten und sich sicher fortzubewegen. Da in Indien das Versorgungsnetz nicht alle Siedlungen erreicht und obendrein der Strom oft ausfällt, sind netzunabhängige Lösungen interessant. Von Sandip Chattopadhyay
Street-side business in Kolkata. Chandradeep Solar Research Institute Street-side business in Kolkata.

Für die Landbevölkerung Indiens ist der Zugang zu Elektrizität alles andere als selbstverständlich. Viele Dörfer sind nicht an das Stromnetz angeschlossen, und der Ausbau der Infrastruktur ist teuer.  Offiziellen Daten zufolge ist Elektrizität in ländlichen Regionen im Schnitt gerade mal sechs Stunden pro Tag verfügbar. Die Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt aber in Dörfern. Zudem fällt Strom oft aus. Solarbetriebene Geräte bieten deshalb Chancen, die Lebensbedingungen schnell und kostengünstig zu verbessern.


Unter den großen Bundesstaaten ist Bihar vermutlich der am wenigsten ent­wickelte – mit 100 Millionen Menschen, die überwiegend in Agrarregionen mit erbärmlicher Infrastruktur leben. Früher verließen sie sich auf Dieselgeneratoren, doch das ändert sich. Down to Earth, Indiens wichtigste Umweltzeitschrift, brachte im Sommer einen Artikel über Exhibition Road in Patna, der Hauptstadt von Bihar. Ein Kilometer dieser Straße beherbergt demnach mit vielen Seitengassen den größten Markt für netz­unabhängige, solarbetriebene Elektroartikel der Welt. Der Autor schätzte den Jahresumsatz aller Läden auf insgesamt mehr als 70 Millionen  Euro.

Die Kunden, so berichtet das Magazin, seien immer besser informiert und hätten zunehmend höhere Ansprüche. Konsumenten forderten Garantien und entschieden preisbewusst. Down to Earth räumte ein, dass Verbraucher mit geringen Einkommen sich oft mit suboptimalen Lösungen zufriedengäben, obwohl sie wüssten, dass die Produktleistung hinter dem zurückbleiben werde, was die Hersteller versprechen. Das läge daran, dass sie sich die besten Geräte nicht leisten könnten. Der Autor stellte aber klar, dass die Leute den Markt verstehen – und dass es in jedem Distrikt von Bihar eine kleine Version von Exhibition Road gibt.

Trotz solcher Entwicklungen wird das Potenzial solarer Energie im sonnenreichen Indien noch kaum genutzt. Bislang tragen erneuerbare Energiequellen wie Wind-, Sonnenkraft und Biomasse laut nationalem Ministerium für neue und erneuerbare Energien nur etwa 12,5  Prozent zur gesamten Energieerzeugung bei.
 

Mehr als 320 Sonnentage

Indien hat durchschnittlich mehr als 320 Sonnentage im Jahr. Die indische ­Solar- und Photovoltaikindustrie befindet sich auf dem Weg zur Massenfertigung, die es ermöglicht, auch arme, ländliche Gegenden mit kostengünstigen Geräten zu versorgen. Eine treibende Kraft des starken Wachstums sind die steigenden Kosten für konventionelle Energieträger wie Kohle, Kerosin, Benzin und Diesel.

Auch in den Städten kann sich netzunabhängige Sonnenenergie als wertvoll erweisen. Ein Beispiel sind die vielen kleinen Straßenrandbetriebe in Metropolen wie Kolkata (früher Kalkutta), die viel Beschäftigung im Niedriglohnsektor schaffen. Es geht um Schuhputzer, Teeverkäufer, Kleider­wäscher und Kleinhandwerker. Im Kleinstgewerbe sind viele Akteure nicht in der Lage, die Rechnung von mindestens 300 Ru­­­pien (etwa 4,20 Euro) zu entrichten, die pro Stromanschluss monatlich fällig wird.  

Für Menschen mit niedrigen Einkommen ist Solarenergie eine gute Alterna­tive. Solarbetriebene LED-Lampen laden sich tagsüber durch Sonnenlicht auf. Vier Stunden Ladezeit erlauben bis zu neun Stunden Betrieb. Die durchschnittliche Lebensdauer solcher Lampen beträgt fünf Jahre. Sie werden in Indien hergestellt, kosten um 1400 Rupien und erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit. Sie sind überall im Land erhältlich.

Solarlichtsysteme für Privathaushalte  – sogenannte Solar Home Light Systems – sind mit 8000 Rupien etwas kostspieliger als Solarlampen, sie haben jedoch eine Lebensdauer von 15 Jahren. Solarpanel und Batterien können auch Ventilatoren antreiben, was besonders in der heißen Jahreszeit wichtig ist. Auf dem Land nutzen Kommunalverwaltungen in zunehmendem Maße solarbetriebene Straßenbeleuchtung. Ganze Gruppen von Dörfern im Gangesdelta verwenden sie. Viele Inseln im Delta haben keinen Anschluss ans Stromnetz.


Für Menschen im ländlichen Raum sind die netzunabhängigen Solartechnologien in vielerlei Hinsicht interessant. Ein gutes Solar Home Light System stellt beispielsweise eine attraktive Aussteuer dar. Solarlampen ermöglichen es Bauern, auch nach Sonnenuntergang auf den Feldern zu arbeiten. Gute Solargeräte zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus separaten Bauteilen bestehen, die einfach ineinandergesteckt werden können, was Reparaturen erleichtert.

In einigen indischen Bundestaaten ist der Winter kalt. Solare Warmwasserbereiter sind die optimale Alternative zur konventionellen Wassererhitzung, selbst in den dunklen Monaten Dezember und Januar. Die ­Regierung des Bundestaats Delhi hat die Installation von solarbetriebenen Warmwasserbereitern für Hotels, Schulen sowie die Wohnsitze von Parlamentsabgeordneten zur gesetzlichen Auflage gemacht. Diese Systeme haben eine Lebensdauer von fast 20 Jahren und heizen Wasser auf bis zu 80 Grad. Mittlerweile gibt es in Indien mehr als 50 registrierte Unternehmen, die solche solaren Wasserheizsysteme herstellen.

Allerdings wird der Wettbewerb härter. In den vergangenen 20 Jahren wurden ­Solargeräte vor allem von indischen Kleinunternehmen und Mittelständlern pro­duziert. Mittlerweile überschwemmen Billigimporte aus China den Markt. Viele Kunden beklagen jedoch die mangelhafte Qualität dieser Produkte. Selbstverständlich sind aber auch nicht alle indischen Elektrogeräte von höchster Qualität. Pro­blematisch ist jedenfalls, dass leistungsschwache Geräte nicht nur die Kundschaft enttäuschen, sondern auch dem Ruf der ganzen Branche schaden und dadurch ihre Entwicklung beeinträchtigen können.  

Im Januar 2010 verkündete die indische Regierung ihre National Solar Mis­sion. Das ambitionierte Programm zielt darauf, bis 2022 netzgebundene Solaranlagen mit Stromerzeugungskapazitäten in Höhe von 20 Gigawatt aufzubauen. Der Strom einzelner Anlagen soll in das Netz der Versorgungsunternehmen eingespeist werden. Derzeit hat Indien in den Bundestaaten Gujarat, Rajasthan, Tamil Nadu, Karnataka und Orissa netzgebundene ­Solarkraftanlagen mit einer Stromerzeugungskapazität von etwa 960 Megawatt installiert, was der Versorgung ländlicher Gebiete dienen soll.

Die National Solar Mis­sion hat indische und internationale Unternehmen zu Investionen angeregt, so dass das Ausbauziel der ersten Missionsphase vorzeitig erreicht wurde. In der zweiten Phase soll die installierte Kapazität nun bis 2015 auf fünf Gigawatt gesteigert werden. Das Tempo ist beachtlich – und dennoch werden netzunabhängige Lösungen in Indien noch lange große Bedeutung haben. 

 

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