Presseschau

Inklusive Politik

Der Triumph von Indiens Congress Partei bei den Parlamentswahlen hat Beobachter weltweit – und auch in Indien selbst – überrascht. Im Rückblick ist klar, dass Manmohan Singhs Regierung in den vergangenen fünf Jahren mehr bewegt hat, als urbane Politikexperten bemerkt hatten. Ein erfolgreiches Armutsbekämpfungsprogramm war zum Beispiel die National Rural Employment Guarantee, die benachteiligten Dorffamilien ein Mindesteinkommen sichert. Die Wähler haben den Premier und seine Partei belohnt, meinen führende indische Zeitungen.

The Hindu, Chennai (Madras): Der Congress hält alle Trümpfe in der Hand. Über den Regierungschef wird nicht verhandelt werden, wie einige der kleineren Parteien gehofft hatten. Congress-Spitzenkandidat Manmohan Singh ist die eindeutige Wahl, und er könnte der erste Premierminister seit Indira Gandhi werden, der zwei volle Legislaturperioden im Amt bleibt.

The Telegraph, Kolkata (Kalcutta): Singh hat bewiesen, dass er großen Herausforderungen gewachsen ist. Seine wahre Qualität zeigte seine Haltung zum Abkommen mit den USA über Nukleartechnik, über das er fast gestolpert wäre. Sein zurückhaltendes Auftreten hat das Verständnis von Stärke in der Politik neu definiert, weil er Bescheidenheit an die Stelle von Arroganz gestellt hat. Wichtig war auch, dass seine Regierung ehrlich bemüht war, alle Bevölkerungsschichten zu erreichen. Sie hat nicht nach Kasten und Religion unterschieden. Eine neue Dimension gewann diese inklusive Haltung dank des Engagements der Congress-Vorsitzenden Sonia Gandhi. Sie setzte die National Rural Employment Guarantee und das Programm Sarva Shiksha Abhiyan („Bildung für alle“) durch. Beide Programme erreichen die Armen ohne Rücksicht auf Kaste oder Glauben.

The Times of India, Mumbai (Bombay): In Indien werden 80 Prozent der amtierenden Regierungen abgewählt, zumal in Wirtschaftskrisen. Der weltweite Ab­schwung trifft Indien hart. Die Industrieproduktion sinkt, und im vergangenen Monat sind die Exporte um 33 Prozent niedriger ausgefallen. Die ländliche In­fla­tionsrate beträgt fast zehn Prozent. Unter diesen Umständen ist die Wiederwahl der Congress Partei bemerkenswert. Der Hauptgrund war gestiegener Wohlstand im ländlichen Raum, wo 70 Prozent der Bevölkerung leben. (…) Die vergangenen zwei Jahre waren auf ungewöhnliche Weise von guten Ernten und hohen Lebensmittelpreisen zugleich ge­prägt. Weltweites Wachstum in Re­kord­höhe – angeführt von China – heizte die Rohstoffnachfrage generell an und ließ die Lebensmittelpreise explodieren. (…) Hohe Nahrungspreise nutzen dem Bauern, aber sie treffen landlose Tagelöhner und Arbeiter in den Städten hart. Warum war das für den Congress nicht tödlich? Vor allem, weil die Arbeitseinkommen noch schneller gestiegen sind. Die ertrag­reichen Ernten haben die Beschäftigung auf dem Land stimuliert. Gleichzeitig hat der National Rural Employment Guarantee Scheme (NREGS) – trotz gelegentlichen Mißbrauchs – die Arbeitslosigkeit begrenzt und Löhne in die Höhe getrieben.

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