Städte und Gemeinden

„Erfahrungsaustausch dient dem Erfolg“

Entwicklungszusammenarbeit findet auch auf der kommunalen Ebene statt. Sie wird nicht von ministeriellen Vorgaben geprägt, sondern von persönlichem Engagement getragen. InWEnt trägt zum Gelingen der basisnahen Initiativen bei.


[ Interview mit Götz Nagel ]

Die entwicklungspolitischen Aktivitäten von Städten und Gemeinden haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Woran liegt das?
Der Tsunami im Dezember 2004 hat eine bis dahin noch nie gekannte Betroffenheit ausgelöst. Thailand und Sri Lanka sind Länder, die viele Deutsche aus dem Urlaub kennen. Die vielen Toten und die immensen Schäden gingen ihnen viel näher, als das früher zum Beispiel Berichte über Hunger im Sahel je taten. Viele wollten etwas tun, um zu helfen – und Städte und Gemeinden sind nun mal die staatliche Ebene, die den Bürgern am nächsten ist. Allerdings hatte der neue Schwung, den kommunale Initiativen sozusagen als positiven Seiteneffekt dieser Weltkatastrophe bekamen, eine Vorgeschichte, die bis 1992 zurückreicht.

Sie denken vermutlich an den Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro und die lokalen Agenden 21.
Genau, damals wurde das Bewusstsein dafür geweckt, dass Wirtschaftsentwick­lung, soziale Sicherheit und Umweltschutz in Einklang gebracht werden müssen. Seither ist der Begriff der Nachhaltigkeit international fest etabliert, der besagt, dass künftige Generationen mindestens dieselben Ausgangsbedingungen vorfinden müssen wie die heute lebenden Menschen. Die Agenda 21 der Vereinten Nationen war wichtig, weil sie darauf angelegt ist, Nachhaltigkeit auf der lokalen Ebene Realität werden zu lassen. Viele Städte und Gemeinden haben lokale Agenden aufgestellt, was unter den Bürgern großes Echo fand – und damit ist auch das Interesse an Partnerschaften mit Kommunen in Afrika, Asien oder Lateinamerika gestiegen. Die Diskussionen über die Vor- und Nachteile der Globalisierung haben auch dazu ­beigetragen. Viele Menschen kennen ­heute das Motto „global denken, lokal handeln“.

Bringen denn solche Städtepartnerschaften entwicklungspolitische Resultate?
Ja, das tun sie, aber Sie dürfen das nicht mit der gewöhnlichen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit verwechseln. Die kommunalen Partnerschaften leben oft vom persönlichen Engagement einzelner Personen, die mit ihrer Begeisterung andere mitreißen. Stellen Sie sich zum Beispiel Lauingen an der Donau vor. Ein umtriebiger Bürgermeister hat auf eigene Initiative Kontakte in Lagos, der Wirtschaftsmetropole Nigerias, gesucht. Im Rahmen einer Agenda-Partnerschaft der beiden Städte wurde die Bitte an Lauingen herangetragen, Lagos durch Transfer von Umwelttechnologie und Know-how in der Abfallentsorgung zu unterstützen. Ergebnis: Mitarbeiter der Stadtverwaltung Lagos konnten – übrigens mit Unterstützung von InWEnt – in Bayern ein entsprechendes Praktikum absolvieren.

Sind die Ergebnisse messbar?
Unbedingt. Der Erfolg lässt sich mit einer Reihe von Indikatoren belegen. In Lagos wurde inzwischen eine Abteilung für Abfallbeseitigung und Recycling eingerichtet. Unter Mitwirkung dieser Fachleute veranstaltete die Stadt Anfang des Jahres eine internationale Klimaschutzkonferenz. Es wurden auch Wirtschaftskontakte angebahnt – etwa zu einem Abwasser-Unternehmen aus Bayern. Auch die Praktikanten selber stehen noch in persönlichem und fachlichem Kontakt mit Lauingen. Das, was hier erreicht wurde, ist inzwischen auf eine höhere Ebene zu einer Partnerschaft von Bayern mit dem Bundesland Lagos gehoben worden.

Vermutlich schmücken sich deutsche Kommunalpolitiker gern mit möglichst großen Partnern und interessieren sich eher für Megastädte wie Lagos, Dhaka oder Rio als für Kano, Chittagong oder Manaus. Dabei wachsen Letztere noch schneller, und die Lebenverhältnisse sind noch schwieriger.
Ja, es gibt diese Faszination der Megastadt. Außerdem müssen Sie auch sehen, dass die größten Metropolen auch logistische Vorteile wie internationale Flughäfen und internationale Hotels bieten. Wir sollten von denjenigen, die auf kommunaler Ebene in Deutschland Verantwortung tragen, nicht zu viel Entdeckergeist erwarten. Andererseits weist Ihre Frage aber auch darauf hin, dass nicht nur die Kommunen eine Rolle in der internationalen Zusammenarbeit spielen, sondern eben auch die Länder. Wenn ein deutsches Bundesland eine Partnerschaft mit einer Region auf einem anderen Kontinent eingeht, entstehen auch Kontakte, die über die größten Ballungsräume auch auf mittlere oder gar kleinere Kommunen hinausweisen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Sehr fruchtbar ist zum Beispiel die Partnerschaft, die Nordrhein-Westfalen mit Mpumalanga, einer Provinz Südafrikas, verbindet. In diesem Rahmen sind schnell auch kommunale Kontakte und Initiativen entstanden.

Welche Rolle spielt die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, die InWEnt im Auftrag der Bundesregierung betreibt?
Die Servicestelle informiert, berät und vernetzt kommunale Akteure aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die sich international engagieren wollen. In gewissem Umfang kann sie Interessenten auch weiterqualifizieren, indem sie zum Beispiel hilft, Veranstaltungen zu organisieren oder Hinweise auf Fördermöglichkeiten leistet. Der Andrang ist enorm, und dass das Interesse echt ist, können Sie auch daran messen, dass den Kommunen über ihre Dachverbände Zugang zur Servicestelle ermöglicht wird. Zurzeit merken wir übrigens, dass die Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika ihre Schatten vorauswirft. Nachdem Deutschland Gastgeber der WM 2006 war, ist das Interesse am Kap groß, wie das denn bei uns gelaufen ist. Und sportbegeisterte Deutsche, das können Sie sich ja vorstellen, sind gern bereit, darauf einzugehen.

Inwiefern ist so ein riesiges Sportereignis entwicklungspolitisch relevant?
Wir müssen über das Ereignis selbst hinaussehen. So ein Großevent erfordert große Anstrengungen und bietet Chancen zum Umdenken. Wenn neue Stadien und Verkehrswege gebaut werden, stellen sich viele Fragen, um nur einige zu nennen:
– Welche Materialien sollen verwendet werden?
– Wie viel Wasser wird dabei verbraucht?
– Wie lassen sich kurzfristig die Baukosten und langfristig die Betriebskosten senken?
– Was passiert mit Müll und Abwassern?
Das sind lauter Dinge, bei denen der Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen, die so etwas schon einmal veranstaltet haben, dem eigenen Erfolg dient. Und auch die deutsche Seite profitiert, Internationalität ist heute ein wichtiger Standortfaktor. Was interkulturelles Management angeht, sind die Südafrikaner in der Regel weiter als wir. Ihre Nation besteht aus vielen verschiedenen ethnischen Gruppen. Obendrein strömen viele Arbeitsmigranten aus Simbabwe, Mosambik und anderswo ins Land.

Gibt es eine Rangfolge, wie fit die einzelnen Bundesländer in der Entwicklungspolitik sind?
Es ist bestimmt kein Zufall, dass die beiden größten Bundesländer, Nordrhein-Westfalen und Bayern, besonders aktiv sind. Außerdem sind die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen auffällig ehrgeizig, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass sie wegen ihrer großen Städte schon immer Kontakte nach Übersee gepflegt haben.

InWEnt hat in jedem Bundesland ein Regionales Zentrum, helfen Sie so den Landesregierungen auf die Sprünge?
(Lacht.) Nein, ihre Politik müssen die Bundesländer schon selbst machen. Richtig ist, dass die Regionalen Zentren den Landesregierungen mit Rat und Tat beiseitestehen und ihnen den Zugang zur bei InWEnt gebündelten Sachkompetenz und unseren vielfältigen Netzwerken in der Wirtschaft oder unter den Alumni bieten. In erster Linie geht es den Partnern auf Landesebene eher um Außenhandel als um engverstandene Entwicklungs­zu­sam­menarbeit. Spannend ist aber auch die Kooperation in Bildungs- und Hochschulangelegenheiten. In Baden-Württemberg zum Beispiel läuft eine Zusammenarbeit mit Malaysia, die unser Regionales Zentrum koordiniert. Dabei geht es um die Ausbildung von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, unser Hauptauftraggeber, hat damit gar nichts zu tun.

Wer finanziert das dann?
Die malaysische Regierung. Sie schickt jedes Jahr bis zu 50 junge Leute, die hier ein komplettes Studium absolvieren. Interessanterweise ist der Frauenanteil mit über 30 Prozent markant hoch. Malaysia ist vom Islam geprägt, zugleich aber auch eine aufstrebende Volkswirtschaft, qualifiziertes Personal wird dringend gebraucht. Dieses Programm läuft ganz unspektakulär, aber ich bin sicher, dass die langfristige Wirkung erheblich sein wird.

Inwiefern?
Politisch, kulturell, mental, ökonomisch, auf vielen Ebenen ... Malaysische Studentinnen erleben in Baden-Württemberg, wie an Hochschulen demokratische Mitbestimmung praktiziert wird. Zuerst kommt ihnen das fremd vor, sie sind autoritärere Führungsstile gewohnt, aber das führt dann auch zu Nachdenken und zur Neubewertung des Vertrauten. Und das ist etwas, das wir bei InWEnt grundsätzlich anstreben: Wir bevormunden unsere Partner nicht, wir bieten ihnen neue, ungewohnte Optionen an, und in der Regel können wir sie auch davon überzeugen, Neues zu wagen.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

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