Korallensterben

Bedrohte Schatzkammern im Meer

Tropische Korallenriffe gelten als „Regenwälder der Meere“. Tatsächlich sind Riffe Ökosysteme der Superlative – und auch für den Menschen von unschätzbarem Wert. Doch sie sind weltweit akut bedroht. Neben der Erwärmung der Ozeane setzen ihnen Über­fischung und Verschmutzung zu.
Korallenriff im Roten Meer. Krutschinna Korallenriff im Roten Meer.

Riffbildende Korallen gibt es bereits seit 450 Millionen Jahren. Sie haben es immer wieder geschafft, sich nach den großen Massenaussterben der Erdgeschichte neu zu etablieren. Bis heute brachten sie immer neue, komplexe Lebensgemeinschaften hervor, die sogar zahlreiche Arten in angrenzende Lebensräume „exportieren“. Ihre enorme Artenvielfalt können die heutigen Warmwasser-Korallenriffe nur in extrem nährstoffarmem, lichtdurchflutetem Meerwasser entfalten.

Für den Menschen sind Korallenriffe von unschätzbarem Wert. Als kostenloser Küstenschutz absorbieren sie bis zu 95 Prozent der Wellenenergie. Auf nur 0,15 Prozent des Ozeanbodens beherbergen sie ein Viertel der marinen Artenvielfalt und ernähren so mehrere hundert Millionen Menschen. Riffe locken Touristen an, produzieren Karbonat und liefern medizinische Wirkstoffe, etwa aus einem karibischen Riffschwamm gegen Aids oder hochwirksames Schmerzmittel aus dem Gift der Kegelschnecke. Insgesamt werden die jährlichen Erträge aus Riffen mit über 26 Milliarden Euro beziffert.

Doch die Riffe sind weltweit akut bedroht. Seit den 1980er Jahren ging mehr als ein Drittel aller Korallenriffe verloren, weitere 50 Prozent gelten als nachhaltig gestört. Bis Anfang der 2000er Jahre wurden Überfischung, Verschmutzung, mangelndes Management und destruktive Fischereimethoden als Hauptursachen für die Krise noch vor dem Klimawandel gesehen. Inzwischen hat sich das Bild verändert: 1998 wurde erstmals weltweit flächendeckendes Korallenbleichen beobachtet, 2010 und 2015 folgten weitere globale Bleichen von immer längerer Dauer. Ursache für dieses Phänomen ist der globale Anstieg der Meerestemperatur.

Bereits zur Pariser Klimakonferenz 2015 warnten australische Experten: Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, werden im Jahr 2035 vom Great Barrier Reef (GBR), dem größten Korallenriff der Welt, voraussichtlich nur noch zehn Prozent (gegenüber 1980) erhalten sein; bei 1,5 Grad gehen sie von zirka 30 Prozent aus. 2016 und 2017 traf es das GBR auf rund 1 500 Kilometern Länge erneut, wodurch stellenweise mehr als die Hälfte aller Korallen starben und im Norden einige wichtige riffbildende Korallenarten ganz verschwanden, was das Ökosystem unwiederbringlich veränderte.

Es mangelt nicht nur an Fortschritten bei der Eindämmung der globalen Erwärmung. Viele Korallenriffe liegen vor Schwellen- und Entwicklungsländern, und diese sind zum Teil politisch instabil, haben kaum Mittel für lokale Maßnahmen, oder es fehlt der politische Wille dazu. Um die Riffe zu retten, ist Klimaschutz essenziell, aber allein nicht ausreichend. Parallel sind Maßnahmen nötig, die den andauernden zusätzlichen Druck auf die Riffe durch Fischerei, Verschmutzung, Tourismus und weitere Nutzungsformen minimieren. Hierzu gehören die Ausweisung von Schutzgebieten, wirksame Fischereikontrolle an Riffen innerhalb wie außerhalb von Schutzzonen, nachhaltiger Tourismus, aber auch Küsten- und Landmanagement zur Vermeidung von Sedimentation aus Flüssen, Erosion oder Bautätigkeit, von Nährstoffeinträgen aus ungeklärten Abwässern oder der Landwirtschaft, Chemikalieneintrag oder (Plastik-)Müll.

Nur mit einer ganzheitlichen Herangehensweise, die alle wesentlichen auf das Riff einwirkenden Faktoren einbezieht, kann wirkungsvoller Riffschutz gelingen. Um für Unterstützung in dieser immensen Herausforderung zu werben, initiierte die International Coral Reef Initiative (ICRI) 2018 nach 1997 und 2008 bereits zum dritten Mal ein Internationales Jahr des Riffs. Notwendige Aktivitäten zur Erfassung des Zustandes der Riffe und für den Riffschutz sind regelmäßiges Monitoring, Forschung zu Anpassungsprozessen sowie Bildungsarbeit und Sensibilisierung von Beteiligten. Im Monitoring wurde vor 20 Jahren die Reef-Check-Methode etabliert, mit der der menschliche Einfluss auf Schlüsselarten erfasst und verglichen werden kann.


Jenny Krutschinna ist Meeresbiologin und seit 2001 mit Reef Check e.V. im internationalen Riffschutz aktiv.
jenny.krutschinna@reefcheck.de


Links

International Coral Reef Initiative:
https://www.icriforum.org/

Internationales Jahr des Riffs:
https://www.iyor2018.org/

Reef Check:
www.reefcheck.org
 

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