Korruption

Irreführender Index

Afrikanische Länder gelten international als besonders korrupt. Dieses Image beruht zum Teil auf zweifelhaften Messinstrumenten und ist eine immense Verkürzung der Problematik. Die Steuervermeidung internationaler Firmen kostet afrikanische Staaten weitaus mehr Geld als die Korruption ihrer Politiker und Beamten.
Polizisten bewachen den Eingang einer Bank in Panama,  der US-Behörden Geldwäsche vorgeworfen haben. Bolivar/picture-alliance/dpa Polizisten bewachen den Eingang einer Bank in Panama, der US-Behörden Geldwäsche vorgeworfen haben.

Das bekannteste Messinstrument für Korruption ist der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI). Dieser misst nicht direkt Korruption, sondern die Wahrnehmung, die Menschen von der Korruption in einem Land haben. Der Index hat zwei Hauptprobleme: Zum einen definiert er Korruption nur als Bestechlichkeit von Amtsträgern und Politikern und vernachlässigt damit korrupte Praktiken in der Wirtschaft. Zum anderen werden nicht die Bürger eines Landes befragt, sondern hauptsächlich Geschäftsleute und sogenannte Länderexperten.

Diese tauschen sich aus und übernehmen zum Teil Einschätzungen anderer, ohne selbst Erfahrungen in dem betreffenden Land gemacht zu haben. Die Korruptionswahrnehmung kann dann ungerechtfertigterweise steigen. Auch die negative Berichterstattung der Medien zum Thema Korruption in vielen afrikanischen Ländern, aber auch in Brasilien, kann den Wert künstlich aufblähen. Aus diesem Grund ist der Index mittlerweile auch bei TI intern umstritten.

Die internationale Dimension von Korruption wird tendenziell übersehen – obwohl häufig im Westen geschaffene Strukturen Korruption begünstigen. Die Auswirkungen korrupten Verhaltens internationaler Unternehmen sind nicht zu unterschätzen: So verlieren die Staaten Afrikas beispielsweise mehr Geld durch die Steuervermeidung internationaler Konzerne, als sie an Entwicklungshilfe erhalten.


Steuervermeidung und -hinterziehung

Die United Nations Economic Commission for Africa schätzt, dass Afrika jedes Jahr rund 50 Milliarden Dollar aufgrund von illegalen Finanzströmen verliert. Laut OECD-Schätzungen stammen mehr als 30 Milliarden Dollar (65 Prozent) davon aus „kommerziellen Transaktionen“, also unter anderem Steuervermeidung und -hinterziehung. Nur geschätzte 2 bis 3 Milliarden Dollar (fünf Prozent) stammen aus der Korruption, wie sie TI im Wahrnehmungsindex definiert, also der Bestechlichkeit von Amtsträgern.

Erleichtert wird der immense Abfluss potenzieller Steuergelder durch Steueroasen, und diese finden sich bei weitem nicht nur in der Karibik und der Schweiz. Im aktuellen Ranking der Schattenfinanzplätze des Tax Justice Networks stehen die USA auf Platz 3, Deutschland auf Platz 8, Japan auf Platz 12 und Britannien auf Platz 15. Für das Kapital internationaler Unternehmen und korrupter Politiker ist ein weltweites System von „sicheren Häfen“ entstanden.


Bestechung durch internationale Firmen

Ein aktueller UN-Bericht beleuchtet Fälle von grenzüberschreitender Korruption in Afrika. In 99,5 Prozent der Fälle geht die Korruption dabei von nichtafrikanischen Unternehmen aus. Es sind also nicht die in Nachbarländern aktiven afrikanischen Unternehmen, die Bestechungsgelder an ihre „Gastregierungen“ bezahlen, sondern größtenteils internationale Firmen. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass der Bericht nur grenzüberschreitende Korruption untersucht und keine Aussagen zur Zahlung von Bestechungsgeldern durch einheimische Unternehmen macht.

Hier werden erneut die Mängel des Wahrnehmungsindexes deutlich. Er erfasst nicht die zumeist internationalen Wirtschaftsakteure, die Bestechungsgelder zahlen, sondern nur die Amtsträger und Politiker, die diese Gelder annehmen. Auch durch diesen einseitigen Fokus auf die Empfängerseite stehen „die Afrikaner“ am Ende als korrupter da als internationale Firmen, die durch ihre Zahlungen Korruption aber meist erst ermöglichen.


Nico Beckert ist freier Journalist.
nico.beckert@gmx.net
Blog: www.zebralogs.wordpress.com


Links

The African Leadership and Progress Network:
http://africanprogress.net/

Tax justice network, 2015: Financial secrecy index.
http://www.financialsecrecyindex.com/introduction/fsi-2015-results

United Nations Economic Commission for Africa, 2016: Measuring corruption in Africa. The international dimension matters.
http://www.uneca.org/sites/default/files/PublicationFiles/agr4_eng_fin_web.pdf

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