Regierungsführung

Geschlossene Gesellschaft

Das Konzept der „Limited Access Orders“ kann helfen, den geringen Erfolg vieler entwicklungspolitischer Maßnahmen zu erklären. Mosambik ist das typische Beispiel eines Staates, in dem die Sphären von Politik und Wirtschaft nicht getrennt sind, sondern gleichermaßen von einer Regierungspartei kontrolliert werden, die ihren privilegierten Zugang zu Macht und Geld auf vielfältige Weise sichert. Die Geber laufen in solchen Staaten Gefahr, die Herrschaft kleiner Machteliten zu verstetigen.

Von Winfried Borowczak und Friedrich Kaufmann

Die meisten reichen Nationen entsprechen zu einem recht hohen Grad dem, was Douglas C. North et al. (2007) als „Open Access Order“ bezeichnen: Es herrscht Wettbewerb. Auf Märkten und in der Politik winkt der Erfolg jenen Individuen und Gruppen, die frei Koalitionen schmieden und Geschäftsbeziehungen aufbauen können. Bei Konflikten oder illegalem Handeln auch der Mächtigen hilft die Justiz, Rechte durchzusetzen.

Solche Offenheit ist allerdings keine Selbstverständlichkeit sondern das Resultat einer langen, konfliktreichen Geschichte (siehe Kasten). Die Annahme, dass jede Gesellschaft sich gradlinig auf dieses Ziel zubewegt, liegt vielen entwicklungspolitischen Interventionen zugrunde. Leider ist sie falsch.

Mosambik ist das typische Beispiel eines Landes, bei dem kein freier Zugang zu Ressourcen und Institutionen herrscht. Wir haben bereits früher (siehe E+Z/D+C 2009/5, S. 237-239) ausgeführt, dass es trotz langjähriger Kooperation der Regierung mit den Gebern kaum Chancen für dynamische Unternehmer gibt. Wesentliche politische und rechtliche Schritte stehen noch aus, damit Mosambik auch nur annähernd einer Open Access Gesellschaft nahe kommt. Die Tendenz, den Zugang zu politischen und ökonomischen Ressourcen auf eine selbsternannte Elite zu begrenzen, ist offenkundig.

Nach der Klassifikation von North et al., herrscht in Mosambik derzeit eine Basic Limited Access Ordnung. Das heißt: Staat und Regierung sind zwar stabil, die Verwaltung funktioniert und die Gewalt ist eingedämmt. Doch die dominierende Partei Frelimo und die von ihr getragene Regierung setzen alles daran, die Parteieinheit, ihre Machtkoalition und ihren Einfluss zu konsolidieren. Echter politischer Wettbewerb und Offenheit in Wirtschaft und Gesellschaft werden nicht gesucht.

Die Machtelite ist nur bedingt bereit, eigenständige Organisationen außerhalb ihres Einflussbereichs zu dulden, zu schützen oder gar zu fördern. Sicherlich gibt es in geringem Umfang unabhängiges zivilgesellschaftliches Engagement – etwa im Umfeld der Kirchen, weniger unabhängiger nationaler Organisationen und begrenzt in der Presse. Das liegt daran, dass Partei und Regierung entweder geeignete Kontrollmittel fehlen oder sie den demokratischen Anschein wahren wollen.

Generell wird versucht, als gegnerisch oder gefährlich betrachtete Institutionen und Organisationen einzubinden und zu neutralisieren. Dies geschieht durch die Kooptation von kritischen Personen in die eigenen Institutionen, die Schaffung von Pseudodialogforen, Einschüchterung oder auch die Manipulation von Wahlen. Das Ziel ist stets, den Zugang zu Ressourcen und Einfluss begrenzt zu halten.

Verschränkte Sphären

Unter solchen Bedingungen ist ein dynamischer Privatsektor, der die Volkswirtschaft vorantreiben könnte, nicht vorstellbar. Der größte Unternehmensverband, der Dachverband CTA, ist längst strategisch eingebunden – mittels Finanzierung aus dem Staatshaushalt, Personalunionen mit Partei und Regierung und einer quasi-Monopolstellung im Dialog zwischen Privatwirtschaft und Staat. Staatliche und unternehmerische Interessen sind verquickt, denn Regierungsstellen sind mit Abstand die wichtigsten Auftraggeber im Land.

Die Frelimo und ihre Spitzenpolitiker gehören zu den mächtigsten und reichsten Unternehmern Mosambiks. Der CTA-Vorsitzende hat sich öffentlich als persönlicher Freund des Staatspräsidenten bezeichnet. Die Verdachtsmomente nehmen zu, dass die herrschende Elite sich auch mit illegalen Geschäftemachern Renten teilt. Mitte 2010 hat die US-Regierung den mit dem Staatspräsidenten befreundeten Inhaber des Firmenimperiums MBS offiziell als “Drogenbaron“ (drug king-pin) klassifiziert und US-Bürgern, Firmen und Behörden Geschäftsbeziehungen mit MBS verboten.

Andere Organisationen der mosambikanischen Privatwirtschaft tun sich unter diesen Bedingungen schwer Gehör zu finden. Sie leiden unter mangelndem Zugang zur Politik und geringer Akzeptanz. Die Gewerkschaften sind nur pro forma unabhängig und in der Praxis eine quasi-Parteiformation, gleiches gilt für den nationalen Bauernverband. Unabhängige Berufsverbände oder Verbraucherorganisationen sind nicht relevant. Presse und Medien sind formal zwar weitgehend frei, informell aber häufig auf Regierungsakzeptanz angewiesen – und sei es nur in der Form von Anzeigenerlösen.

Die politische Opposition bleibt derweil schwach. Die Gerüchte nehmen zu, denen zufolge auch die größte Oppositionspartei Renamo mittlerweile von der Frelimo finanziell abhängt. Neue Oppositionsparteien, vor allem wenn sie wirklich einflussreich zu werden drohen, werden so weit wie möglich behindert.

In Mosambik ist der Weg zu echtem Wettbewerb in Politik und Wirtschaft noch lang. Dabei stützt sich die herrschende Elite noch immer auf einen, wenn auch fragilen Konsens mit einem großen Teil der Bevölkerung, welche die genannten Probleme nur selten in einer für die Elite gefährlichen Form anprangert und der Frelimo einen Vertrauensvorschuss für die Erlangung der Unabhängigkeit zubilligt. Gewaltsame Revolten gegen Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel haben jedoch im Februar 2008 und im September 2010 die Brüchigkeit dieses Konsenses gezeigt.

Geringer Gebereinfluss

Dass die herrschende Machtelite nicht wirklich an einer Transformation in Richtung Open Access Order interessiert ist, zeigt sich daran, dass die Korruption nicht ernsthaft bekämpft wird und die Justiz nicht effizient und unabhängig funktioniert. Auf diesen Feldern stehen seit Jahren substanzielle Fortschritte aus, obwohl die Auseinandersetzung über einschlägige Fragen mit den Gebern intensiv ist. Der Staatshaushalt Mosambiks wird seit Jahren zu gut 50 Prozent von der Budgethilfe verschiedener Geber finanziert.

Die Geber haben mit der Regierung viele Indikatoren vereinbart. Typischerweise bleibt der Erfolg überall dort aus, wo Reformen den Machterhalt berühren könnten. In Sachen Good Governance, Dezentralisierung, Landfragen oder Justiz geht es kaum voran. Bei Grundschulen, Straßenbau und Gesundheit gibt es dagegen Fortschritte.

Die Entwicklungspolitik muss sich der Tatsache stellen, dass dieses Missverhältnis System hat. Die politökonomische Konstellation muss zur Kenntnis genommen werden, damit das entwicklungspolitische Standardinstrumentarium nicht immer weiter versagt. Die Geber sollten die Situation realistisch analysieren und daraus Konsequenzen ziehen. Andernfalls wird ihr Handeln zu Verkrustung und Stagnation beitragen, denn die Entwicklungspolitik finanziert und festigt damit derzeit die herrschende Konstellation.

Mosambik ist kein Einzelfall, in anderen afrikanischen Ländern sind die Verhältnisse ähnlich. Die Geber müssen in solchen Fällen konfliktbereiter und konsequenter agieren. Sie müssen auf Reformschritten in Richtung Open Access Order insistieren. Die Unabhängigkeit und Funktionstüchtigkeit der Justiz sind unverzichtbar.

Ähnlich wichtig sind der Aufbau und die Förderung von Organisationen außerhalb des direkten Einflusses von Regierungen und dominanten Staatsparteien. Dazu gehören unabhängige Unternehmerverbände, unabhängige Gewerkschaft und Bauernorganisationen, Berufsverbände und Kulturvereinigungen. Letztlich hängt von dieser Reformdynamik auch ab, dass ein starker Privatsektor entstehen kann, der nicht am Tropf von Staatsaufträgen hängt sondern seine Energien durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb entfaltet.

Um es ganz klar zu formulieren: Es geht nicht um die viel gewohnte Förderung der Zivilgesellschaft, die sich in der Regel darin erschöpft, lokale Nichtregierungsorganisationen zu fördern, die aber kaum mehr sind als Consultingfirmen, die keine Steuern bezahlen. Es geht um die Ausdifferenzierung von Wirtschaft und Politik und die Etablierung einer offenen Gesellschaft mit Gewaltenteilung, marktwirtschaftlicher Konkurrenz und effektiver Organisationsfreiheit. Das ist sicherlich eine gewaltige und langfristige Aufgabe. Doch Entwicklungspolitik ist eine Daueraufgabe, die ständig Anpassungen an neue Rahmenbedingungen, aber auch an neue Erkenntnisse erfordert.

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