Westafrika

Hoffnung auf Heimkehr

Immer wieder kommt es im Norden Malis zu Konflikten. Tausende Malier sind bereits in das Nachbarland Niger geflohen, das den Menschenansturm jedoch kaum bewältigen kann.

Von Yahouza Sadissou

Seit etwa dreißig Jahren kocht der Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Touareg-Rebellen im Norden Malis immer wieder hoch. Die Mitglieder der Touareg-Unabhängigkeitsbewegungen träumen davon, einen autonomen Staat mit dem Namen Azawad zu gründen. Besonders die Zivilbevölkerung leidet unter den bewaffneten Auseinandersetzungen, insbesondere Frauen und Kinder.

Bereits die vorangegangenen Rebellionen haben ihren verhängnisvollen Tribut gefordert: Sie kosteten Menschenleben, es kam zu Schutzgelderpressungen und auch zu Vertreibungen, die im Wesentlichen innerhalb der nationalen Grenzen stattfanden. Die aktuelle Krise jedoch, die Anfang des Jahres 2012 ausgebrochen ist, ist bei weitem die schmerzhafteste. Seit ihrem Beginn waren mehrere tausend Malier gezwungen, außer Landes zu fliehen.

Die Situation ist komplexer als sonst. Die Touareg-Rebellen des MNLA (Mouvement National de Libération de l’Azawad – Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad) profitierten Anfang des Jahres von dem Machtvakuum, das nach dem Sturz des Präsidenten Amadou Toumani am 22. März 2012 entstanden war. Sie brachten die nördliche Hälfte des Landes in ihre Gewalt. Daraufhin jedoch wurden sie von ihren islamistischen Alliierten, insbesondere von der Gruppe Ansar-Dine und dem MUJAO (Mouvement pour l’Unité et le Jihad en Afrique de l’Ouest – Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika), vertrieben. Diese führten daraufhin in den Regionen Goa, Kidal und Timbuktu das islamische Recht, die Scharia, ein.

Die Einführung der Scharia, die Unsicherheit und die Hungersnot waren der Grund dafür, dass sich große Teile der Bevölkerung in sicherere Regionen flüchteten. Nach Angaben des OCHA, des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, wurden mehr als 400 000 Personen aus dem Norden Malis vertrieben. Diese Zahl beinhaltet sowohl Binnenflüchtlinge als auch solche, die in Nachbarländer wie Niger, Burkina Faso und Mauretanien flüchteten.

Niger hat bereits mehr als 60 000 Flüchtlinge aus Mali aufgenommen, die größtenteils in der Grenzregion Tillabéry untergebracht sind. Der Zustrom dieser Menschen hat die bitterarme und vom Hunger betroffene Region noch mehr geschwächt.

Aus Solidarität beherbergten Dorfbewohner einige der Vertriebenen, aber die Aufnahmekapazitäten waren schnell überschritten. Mehrere tausend Malier richteten ihre Zelte am Rand der Dörfer auf. Ihre Si­tuation bereitet der Regierung und den internationalen Organisationen Kopfzerbrechen, denn diese Menschen sind völlig mittellos und schutzbedürftig, es fehlt ihnen an allem: einem Dach über dem Kopf, Nahrung, sauberem Trinkwasser und Gesundheitsversorgung.

Cholera und Meningitis

Im letzten Juli wurden etwa zehn Fälle von Cholera und Meningitis im Flüchtlingslager Tabareybarey in der Region Tillabéry gemeldet. Das von Ärzte ohne Grenzen eingerichtete mobile Gesundheitszentrum hat viel zur Beseitigung dieser Krankheiten beigetragen, aber aufgrund der überfüllten Lager können jederzeit wieder neue Krankheitsfälle auftreten. Aufgrund der prekären Bedingungen sind zudem andere Krankheiten wie Masern, Malaria, Durchfall und Atemwegserkrankungen aufgetreten. Ältere Menschen und Kinder sind besonders betroffen. Die Krise in Mali ist eine schwere Bürde für die Sahelländer, insbesondere für Niger, das noch mit den Folgen der Nahrungsmittelkrise kämpft.

Gemeinsam mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und dem UN-Flüchtlingskommissariat hat die nigrische Regierung die Verteilung von Lebensmitteln, Decken und Trinkwasser in die Wege geleitet, aber der Bedarf konnte bei Weitem nicht gedeckt werden. Ein weiteres Problem, das die Flüchtlinge aus Mali beschäftigt, ist die Bildung ihrer Kinder, die vor fast einem Jahr ihre jeweiligen Schulen verlassen mussten. Die Regierung Nigers plant nun, in den Flüchtlingslagern Schulen einzurichten, aber dieses Vorhaben ist nur schwer umzusetzen, zumal tausende nigrische Kinder unter dem gleichen Pro­blem leiden. Zusätzlich zu den zivilen Flüchtlingen hat Niger auch einige hundert militärische Flüchtlinge aufgenommen, die vor der Waffengewalt der MNLA geflohen sind.

Seit Ausbruch der Krise verhandeln die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) darüber, wie Mali geholfen werden kann. Aber die Auseinandersetzungen in Mali zwischen Befürwortern und Gegnern des Putsches haben diese Bemühungen bisher weitgehend ausgebremst. Seit Einführung der neuen Übergangsregierung jedoch hat sich die Lage etwas beruhigt. Immerhin konnte der Übergangspräsident, Professor Dioncounda Traoré, offiziell den UN-Sicherheitsrat um die Entsendung internationaler Truppen in den Norden Malis bitten. Unterdessen erwarten die Flüchtlinge aus dem Norden Malis mit Ungeduld diese Intervention, in der Hoffnung, eines Tages in ihr Zuhause zurückkehren zu können.

Am 12. Oktober fasste der Sicherheitsrat dann auch den Beschluss: Rund 3000 Soldaten, in erster Linie ECOWAS-Truppen, sollen in den Norden Malis entsandt werden, um ihn aus den Fängen der Islamisten zu reißen, die mit AQIM (al-Qaida im Islamischen Maghreb) verbunden sind. Zu Redaktionsschluss Mitte November wurde über den Einsatz noch beraten (siehe E+Z/D+C 2012/11, S.439). Dennoch läuten die in Niamey ansäs­sigen humanitären Organisationen schon die Alarm­glocken: Diese Intervention könnte eine Fluchtwelle von weiteren 55 000 Menschen Richtung Niger aus­lösen, so ihre Schätzungen. Das UN-Flüchtlingskommissariat hat bereits seine Partner in Niamey zusammengetrommelt, um im Falle einer Intervention auf die neue Flüchtlingswelle reagieren zu können.

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