UN-Ernährungsorganisationen

Rom überdenken

Angesichts der globalen Lebensmittelkrise stellen sich ernste Fragen: Wieso hat das multilaterale System versagt und die Krise nicht verhindert? Wie effektiv ist das UN-System überhaupt? Was muss getan werden, um die Leistung zu verbessern? Um das zu verstehen, muss man die drei in Rom ansässigen UN-Ernährungsinstitutionen betrachten: Die Food and Agriculture Organization (FAO), das Welternährungsprogramm (WFP) und den International Fund for Agricultural Development (IFAD).


[ Von Frederic Mousseau ]

Es ist weithin unumstritten, dass die Bekämpfung von Hunger und Armut Investitionen in die Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in den Entwicklungsländern erfordert. Nach Angaben der High Level Task Force der UN (HLTF 2008) ging der Anteil der hierfür eingesetzten öffentlichen Entwick­lungshilfe (ODA) vom Höchststand von 18 Prozent im Jahr 1979 auf 3,4 Prozent 2006 zurück. Nur vier Milliarden US-Dollar standen 2006 hierfür zur Verfügung. Dieser globale Trend schlägt sich in der Finanzierung der UN-Ernährungsorganisationen nieder, vor allem bei der FAO. Ihre Mittel und die Anzahl der Mitarbeiter sind über die Jahre ebenso zurückgegangen wie ihre Fähigkeit, ihr Mandat zu erfüllen. Gleichzeitig sind die Mittel des WFP in den vergangenen 30 Jahren um das 20-Fache gestiegen. Heute erhält das WFP jährlich rund 6 Milliarden US-Dollar.

Mehr Geld wäre hilfreich. Es müsste aber auch besser abgestimmt eingesetzt werden. In der Vergangenheit haben die drei UN-Organisationen ihr Handeln zu wenig koordiniert – trotz gemeinsamer Erklärungen. Das ist besonders deprimierend, da alle drei in Rom sitzen, sich mit dem gleichen Thema beschäftigen und sich mit ihrem Fachwissen ergänzen könnten.

Dass ihre Zusammenarbeit problematisch ist, liegt in der Geschichte begründet. Die drei Organisationen wurden nämlich nicht als Teile eines kohärenten Systems geschaffen, sondern sind nach und nach entstanden. Heute sind sie spezialisierte Gebilde, die miteinander konkurrieren.

Seit jeher schlecht organisiert

Die FAO wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, im Rahmen der Bemühungen zur Schaffung einer friedlichen und stabilen Welt. Das WFP entstand erst 20 Jahre später als Exporthilfeprogramm für westliche Agrarprodukte. Obwohl das WFP ursprünglich in der FAO angesiedelt war, diente es der Dachorganisation nicht als spezielles Instrument in einem koordinierten Kampf gegen den Hunger. Der IFAD wurde hingegen erst 1977 gegründet. Er sollte es den ölreichen Ländern ermöglichen, zur Entwicklungsfinanzierung beizutragen, und keineswegs bereits existierende Institutionen ergänzen.

FAO und IFAD haben zwar eine ähnliche Zielrichtung, arbeiten aber nicht einheitlich zusammen. Das WFP war von Anfang an eher dazu gedacht, die Überschussproduktion der reichen Länder zu verteilen, als die Landwirtschaft in den armen Ländern zu fördern. Tendenziell hat es daher die Preise in den Agrarmärkten der Entwicklungsländer gedrückt, mit lokalen Produzenten konkurriert und so die Anstrengungen von FAO und IFAD untergraben.

Sinnvolle Governance ist eine Möglichkeit, diese offensichtlichen Widersprüche zu überbrücken. Die verschiedenen Organisationen sollten durch geeignetes Management auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sein. Das aber ist nie erfolgt. Stattdessen hat sich das WFP, das bis in die späten 80er Jahre unter direkter FAO-Kontrolle arbeitete, 1991 von dieser übergeordneten Organisation „emanzipiert“. Der Streit über diese Frage dauerte zehn Jahre und hinterließ langfristige Schrammen im Verhältnis der Organisationen.

Die Ursache war eine tiefe Spaltung der Mitgliedsländer: Die USA und die meisten westlichen Länder waren dagegen, Landwirtschaft in Entwicklungsländern besonders zu unterstützen. Außerdem störten sie sich an den Verbindungen der FAO zu den Ländern im Ostblock. Da die FAO aus Pflichtabgaben finanziert wird, die sich nach dem Wohlstand der zahlenden Länder richten, sind reiche Nationen ihre größten Geldgeber. Die aber befürchteten, dass die FAO zu sehr unter dem Einfluss der Entwicklungsländer stehe. Tatsächlich ist es so, dass die Entwicklungsländer in einer Organisation, die nach dem UN-Prinzip „ein Land, eine Stimme“ funktioniert, verhältnismäßig viel Macht haben.

Letztendlich drohte Washington seinen Rückzug aus der FAO an. Damit hätte der Organisation 1991 der US-Jahresbeitrag von 90 Millionen Dollar gefehlt. Diese Drohung führte zu institutionellen Reformen, die das WFP zwar nicht ganz von der FAO lösten, es aber größtenteils von ihr unabhängig machten. Da die Finanzierung des WFP auf freiwilligen Zahlungen beruht, geht es viel stärker als die FAO auf Geberwünsche ein.

Folglich sind FAO, WFP und IFAD heute getrennte Organisationen mit eigenen Führungsgremien und ­Governance-Mechanismen. Während der UN-Generalsekretär den Exekutivdirektor des WFP ernennt, werden die beiden anderen Organisationschefs von ihrem jeweiligen Direktorium eingesetzt. Darüber hinaus hat der UN-Generalsekretär auch nicht die Finanzgewalt – jede Institution verwaltet ihre Mittel unabhängig.

Auf Länderebene arbeiten die drei Organisationen kaum zusammen. WFP und FAO kooperieren nur, wenn es darum geht, die Versorgung mit Saatgut und Nahrungsmitteln einzuschätzen. Eine kürzliche Evaluierung (FAO, 2006) zeigte auch, dass der IFAD zwar in 15 Ländern weltweit Mitarbeiter hat, dass aber nur einer von ihnen im örtlichen Büro der FAO sitzt. Das ist absurd, denn die Organisationen sollten sich eigentlich gegenseitig ergänzen. Und obwohl die nationalen FAO-Beauftragten seit jeher den Status von UN-Diplomaten besitzen, fehlen ihnen oft die Möglichkeiten, die Federführung im Kampf gegen den Hunger zu übernehmen. Da die Landesbüros des WFP aus Nahrungsmittelhilfe-Budgets gezahlt werden, bevorzugen sie in der Regel auch den Einsatz dieses Instruments gegenüber anderen Problemlösungen.

Die lange bestehende Spannung zwischen WFP und FAO spiegelt die generellen Konflikte und die Machtdynamiken wider, die zwischen den Entwicklungsländern und den reichen Nationen vorherrschen. Nach der Abspaltung von der FAO blieb das WFP unter starkem Einfluss seiner Geldgeber. Die WFP-Exekutivdirektoren sind traditionell US-Bürger; derzeit ist die frühere Stellvertretende US-Handelsbeauftragte Josette Sheeran WFP-Chefin. Eine ihrer Vorgängerinnen, Catherine Bertini, war Ministerialdirektorin im US-Landwirtschaftsministerium. Der Leiter der FAO ist derzeit der Senegalese Jacques Diouf. Seine kritische Einschätzung, dass das gegenwärtige internationale System von reichen Ländern beherrscht werde, sowie seine Präferenz für die Förderung von Kleinbauern, in Armut lebender Landbevölkerung und der Entwick­lungsländer entspricht nicht unbedingt den Erwartungen der reichen Länder.

Heute vertrauen viele Mitglieder dem WFP, weil es auch unter schwierigsten Bedingungen effiziente Nahrungsmittelhilfe leistet – etwa in Darfur oder Somalia. Das Vertrauen in die FAO-Fähigkeiten ist vergleichsweise gering, ihre Leistungen sind aber auch weitaus schwieriger zu messen – angesichts eines hochkomplexen Mandats und geringer Ressourcen.

Chance für Veränderung

Im Frühjahr berief UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eine hochrangige Arbeitsgruppe zur globalen Ernährungskrise (HLTF). Darin sind die drei in Rom ansässigen UN-Ernährungsorganisationen vertreten sowie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und weitere Institutionen. Dies ist der erste Versuch, die wichtigsten globalen Organisationen zu koordinieren und ein kohärentes politisches Rahmenwerk für den Kampf gegen den Hunger zu schaffen.

Die französische und die britische Regierung schlugen kürzlich vor, die HLTF zu einer breiten globalen Partnerschaft für Ernährung und Landwirtschaft (GPFA) auszuweiten. Ein keineswegs überraschender weiterer Vorschlag ist, IFAD, FAO und WFP stärker auf eine gemeinsame Linie zu bringen.

Die Aktivitäten der drei Organisationen könnten auf verschiedene Weise stärker miteinander verzahnt werden:
– WFP und FAO kooperieren bereits bei der Einschätzung des Bedarfs an Nahrungsmittelhilfe. Wären die Bewertungen umfassender und ganzheitlicher, so könnten sie Regierungen bei der Planung nationaler Strategien zur Ernährungssicherheit helfen.
– Die drei Institutionen könnten ihre Advocay-Aktivitäten, ihr Fundraising und die Mobilisierung von Ressourcen zusammenlegen. Die Ressourcen könnten dann auf Länder oder Aktivitäten mit hoher Priorität konzentriert werden.
– Auch bei den Hilfsprogrammen gibt es Raum für mehr Zusammenarbeit. Dieses Jahr rief das WFP seine „Purchase for Progress“-Initiative ins Leben, die darauf abzielt, den Einkauf für Nahrungsmittelhilfe bei Kleinbauern in Entwicklungsländern durchzuführen; also bei den Bauern, deren Produktivität FAO und IFAD zu steigern versuchen. Die drei Organisationen könnten in den Bereichen Produktion, Verarbeitung, Lagerung und Marketing Hand in Hand arbeiten. Zudem sollten sie ihre Fachkompetenz bündeln, um die Gründung und das Management von Getreidebanken, Getreidereserven und anderen nützlichen Institutionen zu unterstützen – auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.
– Die Landesbüros der Organisationen könnten zusammengelegt und gemeinsam verwaltet werden sowie die Basis für ein System von UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsbüros bilden. Diese könnten den Aufbau integrierter nationaler Ernährungsstrategien unterstützen sowie Ressourcen für ihre Umsetzung mobilisieren.

Das Ganze erfordert den energischen Einsatz der verschiedenen Organisationen in Richtung verstärkter Koordination und Integration auf globaler, regionaler und Länderebene. Dabei sollte die Verbesserung der Zusammenarbeit auf regionaler und Länderebene an erster Stelle stehen, da sie am leichtesten umsetzbar ist und schnelle Ergebnisse verspricht. Dennoch müssen auch wichtige Entscheidungen weiterhin auf globaler Ebene getroffen werden, um das Ernährungs- und Landwirtschaftssystem der UN kohärenter zu machen.

Eine Reform der FAO ist bereits im Gange. Für den notwendigen systemischen Wandel müssen die Reformer aber alle drei Institutionen ins Visier nehmen. Nur so hat der Kampf gegen den Hunger eine Chance auf Erfolg.

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.