Interview mit Carola Donner-Reichle

Personalnot im Gesundheitswesen

Um die Not armer Ländern zu lindern, muss nicht nur die Verbreitung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose eingedämmt werden. Noch weiter oben auf der Agenda der Millenniumsziele steht die Reduzierung der Mütter- und Kindersterblichkeit. Mit Einzelmaßnahmen ist das alles nicht zu erreichen – die Gesundheitswesen armer Länder müssen fit gemacht werden. In vielen Staaten ist Personalnot dabei ein großes Problem.

Welche Fertigkeiten werden gebraucht, um Gesundheitssysteme in den Ländern voranzubringen, die besonders unter HIV/AIDS oder auch Kindersterblichkeit leiden?
Jede Regierung hat einen eigenen Entwick­lungsplan mit Prioritäten. Gesundheitsdienste müssen bezahlbar, nachhaltig und von hoher Qualität sein. Die Reformen des Gesundheitssektors beinhalten: Umstrukturierung und Dezentralisierung, gezielte Personalentwicklung sowie eine differenzierte Finanzierung der Einrichtungen und Dienstleistungen. Die erforderlichen Kompetenzen liegen neben medizinischem Wissen im Managementbereich, der Finanzabwicklung und im Qualitätsmanagement.

Bei welcher Personalkategorie ist der Mangel besonders groß?

Es fehlen Ärzte, Schwestern und Hebammen sowie besonders ausgebildete Krankenhausmanager. Sehr große Unterschiede gibt es zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten. Wie die Weltbank festgestellt hat, profitieren die Reichen von öffentlichen Mitteln mehr als die Armen, die oft selbst von den notwendigsten Dienstleistungen ausgeschlossen bleiben. Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sind oft so schlecht, dass viele Ärzte ihr schmales Gehalt durch Tätigkeiten in Privatpraxen aufbesern müssen.

Was sind vielversprechende Ansätze, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden?

Im Gesundheitswesen muß eine „Pro-poor Policy“ greifen, die der armen Bevölkerung zugute kommt. Das Budget eines Gesundheitsministeriums sollte alle Finanzierungsarten in die Planung einbeziehen, also auch die Mittel der internationalen Gebergemeinschaft einschließlich der privaten Stiftungen. Dadurch können Parallelstrukturen vermieden werden. Kohärentes Budgetmanagement auf zentraler und dezentraler Ebene befähigt die Verantwortlichen zu transparenter und effizienter Nutzung der Mittel. Verschiedene Komponenten einer sozialen Krankenversicherung können verhindern, dass die arme Bevölkerung durch Krankheiten finanziell ruiniert wird. Die Motivation des Personals muss durch Weiterbildung, Einbeziehung in die Planung, bessere Gehaltsstrukturen und die besondere Förderung der Beschäftigten im ländlichen Raum verbessert werden. Interne Monitoring- und Evaluierungsstrukturen, verbesserter Informationsaustausch sind für die Transparenz der Abläufe und Partizipation wichtig.

Welches InWEnt-Programm halten Sie für besonders geglückt?

Als Best Practice sind hier die E-Learning-Kurse zu wichtigen Themen wie Gesundheitsfinanzierung, Medikamentenmana­ge­ment, HIV/AIDS und Gesundheit als Menschenrecht zu nennen. Die Methodik des E-Learning ermöglicht „Training on the Job“, Fachkräfte können sich am Arbeitsplatz fortbilden. Begleitet und moderiert werden die Kurse von erfahrenen Tutoren. Beson­ders wichtig ist, dass aktuelle Probleme direkt mit Kollegen und Experten online dis­ku­tiert werden. Die Kurse sind sehr praxisnah. Unser E-Learning-Angebot zu HIV/Aids gibt es mittlerweile in vier Sprachen: Chinesisch, Englisch, Russisch und Vietnamesisch. Es erreicht medizinisches wie auch nichtmedizinisches Fachpersonal. Die spezifischen Kommunikationsmöglichkeiten des E-Learning sind besonders zur Netzwerkbildung ge­eignet, um effektive und multisektorale Ansätze zur Prävention und Bekämpfung von Epidemien wie HIV/AIDS zu unterstützen.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

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