Good Governance

Fünf Rechnungshöfe für den Regenwald

Die staatliche Finanzaufsicht kann eine wichtige Rolle im Umweltschutz spielen. Im Amazonasbecken setzen derzeit fünf Oberste Rechnungshöfe ihr Instrumentarium im Interesse des Naturschutzes und der nachhaltigen Forstnutzung ein. Sie wollen Regierungen und Öffentlichkeit über den Zustand der Region informieren – und über die Wirksamkeit staatlicher und internationaler Umweltprogramme.

[ Von Katja Grunow ]

Jährlich geht im Amazonasbecken tropischer Baumbestand auf einer Fläche so groß wie Belgien verloren. Das ökologische Drama der sechs Millionen Quadratkilometer umfassenden Region spielt sich in komplex verflochtenen Rückkopp­lungsschleifen ab: Die Entwaldung löst lokale Treibhauseffekte aus, trägt aber zugleich wegen der Freisetzung von Kohlendioxid auch zum globalen Klimawandel bei. Die Artenvielfalt leidet, wodurch die Widerstandskraft des Waldes reduziert wird – mit dem Ergebnis, dass Primär- und Sekundärwald noch schneller verlorengehen. In der Folge beschleunigt sich der Klimawandel ebenso wie der Verlust der biologischen Diversität.

Die Artenvielfalt des Amazonasbeckens ist indessen auch Lebensgrundlage von 30 Millionen Menschen aus 420 verschiedenen Ethnien mit mehr als 300 eigenen Sprachen und Dialekten. Das Schwinden der Naturvielfalt bedroht also zugleich die kulturelle Vielfalt. Die ökonomisch benachteiligte Bevölkerung des Amazonasbeckens ist auf die natürlichen Ressourcen unmittelbar angewiesen.

Alarmierender Zustand

Der Präsident des kolumbianischen Rechnungshofes, Julio César Turbay Quintero, bezeichnet den Zustand der Amazonasregion als „besorgniserregend und alarmierend“. Das hat weltweite Implikationen, denn der Tropenwald Südamerikas ist die größte CO2-Senke weltweit – und nirgends gibt es eine größere Artenvielfalt. Für den Erhalt des Tropenwaldes sei die Unterstützung aller staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen erforderlich, sagt Turbay.

Auf Initiative seiner Behörde hin koordinieren sich derzeit die Rechnungshöfe der fünf Anrainerstaaten Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela. Ziel ist, einen gewichtigen und aufrüttelnden Bericht über den Zustand des Amazonasbeckens zu erstellen. Das Dokument soll im August in Lima vorgestellt werden. Die Finanzkontrolleure werden damit die Öffentlichkeit über die fortschreitende Zerstörung der Biodiversität in der Amazonasregion informieren und Empfehlungen für notwendige Maßnahmen geben.

Die koordinierte Arbeit der Rechnungshöfe soll dazu beitragen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Nutzung und Schutz der Menschen zu schaffen. In einem Memorandum of Understanding haben sich die Verantwortlichen verpflichtet, das ihnen zur Verfügung stehende Instrumentarium für ein nachhaltiges Umwelt- und Ressourcenmanagement in der Region einzusetzen. Ihre Zusammenarbeit zum Schutz des Amazonasbeckens trägt dem grenzüberschreitenden Charakter der fortschreitenden Zerstörung von Wald, Biodiversität und kultureller Vielfalt in der Amazonasregion Rechnung.

Koordiniert wird die Arbeit vom Obers­ten Rechnungshof Kolumbiens. Sein Präsident hatte die Idee einer regionalen Initia­tive zum Erhalt der Amazonasregion im Jahr 2008 an die Anrainerstaaten herangetragen. Seit Anfang 2009 ist sie unter seinem Vorsitz in der OLACEFS institutionell eingebettet. OLACEFS steht für „Organización Latinoamericana y del Caribe de Entidades Fiscalizadoras Superiores“, es handelt sich um eine Regionalgruppe in der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden ­INTOSAI (International Organisation of Supreme Audit Institutions).

InWEnt hat die Regenwaldinitiative der Rechnungshöfe von Anfang an unterstützt. Schon seit den 80er Jahren besteht eine Kooperation mit der OLACEFS und dem kolumbianischen Rechnungshof. Die Rechnungshöfe nutzen die zahlreichen Instrumente des Wissens- und Erfahrungstransfers von InWEnt. Dazu gehören der politische Dialog, die Entsendung von Experten und der Aufbau von Wissensnetzwerken.

Die Kernkompetenz von Rechnungshöfen ist es, zu kontrollieren, ob staatliche Stellen ihre Mittel ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwenden. Deshalb ist es stimmig, dass sie prüfen, ob öffentlich finanzierte Vorhaben zum Schutz der Biodiversität und des soziokulturellen Erbes ihre Ziele erreichen.

Die Mitglieder der Organización del Tratado de Cooperación Amazónica (OTCA) haben sich zu Umweltschutz und nachhaltigem Ressourcenmanagement des Amazonasbeckens verpflichtet (siehe Kasten). Der OTCA gehören über die Mitglieder der Rechnungshofinitiative hinaus noch weitere Länder an. Die obersten Finanzaufsichtsbehörden von Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela prüfen nun, ob und wieweit ihre jeweiligen Regierungen ihre OTCA-Versprechen gehalten haben.

Die Obersten Rechnungshöfe kontrollieren dabei unter anderem, inwiefern regionale und lokale Akteure an Verhandlungen beteiligt werden und bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen aktiv mitwirken. Außerdem werden die Rechnungshöfe Empfehlungen abgeben, wie Einnahmen aus der Nutzung der Naturressourcen gerechter verteilt werden können, um die Lebensbedingungen der Anwohner zu verbessern.

Die Initiative der Rechnungskontrollbehörden zeigt bereits positive Auswirkungen. Es ist ein reger Austausch über Prüfmethoden im Umweltbereich entstanden, der zu einer besseren Vergleichbarkeit der Bericht­erstattungen führt. Die beteiligten Institutionen führen ihre Prüfmissionen zeitgleich auf Grundlage gemeinsam erarbeiteter Ziele, Prüfungsgegenstände und Prüfrichtlinien durch. Dadurch wird es möglich, ein kohärentes Bild der ökologischen Situation der gesamten Region zu zeichnen.

Wichtig ist zudem der Dialog mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft: Die Finanzprüfer stützen ihre Arbeit auf Studien ebenso wie auf die Erfahrungen der Bevölkerung. Der wechselseitige Austausch ist somit auch Ausdruck eines gewachsenen Verständnisses für die Bedeutung breiter Partizipation im öffentlichen Leben.

Kreativer Wettbewerb

Kooperation führt automatisch zum Vergleich der bisherigen Praxis und stimuliert dadurch einen konstruktiven, partnerschaftlichen Wettbewerb. Die Behörden stehen – auf der Suche nach harmonisierten Ansätzen – auch über innovative Ansätze in den Prüfmissionen und zu Erfahrungen in neuen Zuständigkeitsbereichen im Dialog.

Als nützlich erweisen sich dabei auch Kontakte zu europäischen Rechnungshofsexperten, weil die Mitglieder der EU langjährige Erfahrungen mit bi- und multilateralen Kooperationen haben.

Derzeit laufen zwei weitere regionale Kooperationen zu Klimawandel und Forstwirtschaft. Auch hier konnten die Rechnungshöfe Kontakte nach Europa institutionalisieren.

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