Gesundheit

Ein kurze Geschichte der indischen Pharmaindustrie

Die indischen Pharmaunternehmen wurden über Jahrzehnte aufgebaut. Regierungshandeln war hilfreich.
Der Aufstieg begann daheim: Apotheke in Bangalore. Norbert Michalke/Lineair Der Aufstieg begann daheim: Apotheke in Bangalore.

Die Öffentlichkeit der Industrieländer wurde auf die Firmen aufmerksam, als die Firma Cipla um den Jahrtausendwechsel herum Südafrika mit Generika wichtiger Aids-Mittel beliefern wollte. Seinerzeit sah indisches Recht keinen Patentschutz für Arzneimittel, sondern nur für Herstellungsmethoden vor. Entsprechend hatten indische Hersteller gelernt, international gehandelte Medikamente auf neue Weise herzustellen.

Besonders wichtig wurde das, als der Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO) 2001 in Doha Regierungen erlaubte, trotz bestehendem Patentschutz Firmen Lizenzen zur Generikaherstellung zu erteilen, wenn die Gesundheitsversorgung das erfordert. Sie dürfen Generika in solchen Fällen auch importieren. Indische Firmen standen bereit.

Heather L. Taylor hat die Geschichte der indischen Pharmapolitik skizziert (in: Nölke, 2014: Multinational companies from emerging markets, siehe Rezensionsaufsatz auf S.  40 f.). Nach der Unabhängigkeit dominierten ausländische Unternehmen den Arzneimittelmarkt. Deren Preise waren aber so hoch, dass die Regierung aktiv wurde. Ihr Patentgesetz von 1970 schützte nicht Produkte, sondern nur Herstellungswege. Sie gründete staatliche Pharmafirmen und investierte in Hochschulen und Forschungsinstitute.

Taylor zufolge hatten indische Hersteller bereits 1982 im eigenen Land einen Marktanteil von rund 50 Prozent. Die ausländische Konkurrenz verlor das Interesse an Indien, und heimische Firmen kauften nach und nach deren indische Töchter. Auch Privatunternehmen wuchsen auf diese Weise.

In den 1990ern Jahren und besonders nach der Jahrtausendwende wandelte sich die Politik. Das Ziel war nun die Weltmarktintegration. Mittlerweile schützt das indische Patentrecht deshalb Produkte. Die Regierung ermutigt die Unternehmen zu internationalen Partnerschaften. Diese haben in internationalen Wertschöpfungsketten Fuß gefasst. Anfangs lieferten sie nur Wirkstoffe, doch mittlerweile bieten sie auch komplette Servicepakete für Forschung und Entwicklung an. Taylor betont, staatliche Forschungsinstitute seien weiterhin wichtig für die Ausbildung von hochqualifiziertem Personal und der Vermittlung von Wissen.

Taylors Urteil zufolge reguliert die Regierung den Markt weiterhin auf Weisen, die der heimischen Industrie nutzen. Das gelte vor allem mit Blick auf Arzneimittelpreise oder den Patentschutz für innovative Mittel zur Behandlung in Indien verbreiteter lebensbedrohlicher Krankheiten. Zugleich hält sie fest, dass indische Firmen immer weiter in High-Tech-Felder vorstoßen, wo höhere Profite als im Generikageschäft winken. Andererseits unterliegen die meisten Medikamente, die die Weltgesundheitsorganisation für lebenswichtig hält, keinen Patenten mehr. Der weltweite Generikamarkt ist entsprechend riesig. (dem)

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