Entwicklungszusammenarbeit

Sicherheitslücke

Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik müssen häufig an einem Strang ziehen, um erfolgreich zu sein. Das ist keine neue Erkenntnis, aber das Verhältnis beider Politikbereiche wird weiter kontrovers diskutiert. Hinzu kommt, dass in vielen Ländern private Sicherheitsdienste eine immer wichtigere Rolle spielen. Auch mit diesen Kräften muss sich die Entwicklungspolitik auseinandersetzen.

[ Von Tillmann Elliesen ]

Die Debatte dreht sich unter anderem darum, inwieweit es den Geberländern erlaubt sein sollte, Ausgaben im Schnittfeld von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik als Entwicklungshilfe zu deklarieren. In den Jahren 2004 und 2005 hatte der zuständige OECD-Ausschuss (DAC) die Kriterien für offizielle Entwicklungshilfe (ODA) in zwei Schritten um einige sicherheitsrelevante Aufgaben erweitert. Dazu zählen beispielsweise Unterstützung bei der Formulierung von Gesetzen gegen die Rekrutierung von Kindersoldaten, die Stärkung zivilgesellschaftlicher Kontrolle von Polizei und Militär, zivile Maßnahmen zur Friedensentwicklung und Krisenprävention und Hilfe im Kampf gegen die Verbreitung von Kleinwaffen. Für einige Geber war damit die Schmerzgrenze bereits erreicht, andere hingegen hätten die Messlatte für ODA-anrechenbare Leistungen gern noch stärker in Richtung Sicherheitspolitik verschoben. Auf Kopfschütteln stieß damals bei manchen Beobachtern, dass der DAC daran festhielt, Entwicklungszusammenarbeit prinzipiell dort enden zu lassen, wo das Militär als Partner ins Spiel kommt.

Das Internationale Konversionszentrum in Bonn (BICC) schlägt in einer neuen Studie einen Kompromiss vor: eine weitere, aber sehr behutsame Ausdehnung der ODA-Kriterien und die Einführung einer neuen Kategorie von sicherheitspolitischer Hilfe mit entwicklungspolitischem Bezug. Eine solche Reform würde die Glaubwürdigkeit der „klassischen“ ODA und die Vergleichbarkeit mit früheren ODA-Werten wahren und zugleich die Bedürfnisse jener Geberländer befriedigen, die für eine engere Verzahnung von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik sind. Der Autor der Studie, BICC-Mitarbeiter Michael Brzoska, plädiert dafür, die Zusammenarbeit mit dem Militär im Ausnahmefall als ODA zu verbuchen, „wenn klar ist, dass die Streitkräfte Instrument und nicht Akteur in entwicklungspolitisch begründeten und gesteuerten Maßnahmen sind“. Als Beispiele nennt Brzoska die Nutzung von Soldaten als Hilfskräfte bei zivilen Aktivitäten, etwa für den Transport von zivilen Beobachtern zur Überwachung von Waffenstillständen, oder Maßnahmen mit militärischer Beteiligung zur Reintegration von Ex-Kombattanten oder zur Zerstörung von Kleinwaffen.

Weiterhin nicht ODA-anrechenbar sollten hingegen Kooperationen sein, in denen das Militär der Hauptadressat ist, zum Beispiel Hilfe beim Aufbau von Streitkräften im Rahmen von Sicherheitssektorreformen, Unterstützung von Peacekeeping-Missionen oder die Ausbildung von Soldaten. Für solche Fälle schlägt Brzoska die Einführung einer neuen entwicklungspolitischen Berichtskategorie vor: die Official Security, Peace and Stability Assistance (OSA). Laut Brzoska würde die neue Kategorie vermutlich nicht den politischen Stellenwert der „klassischen“ ODA erlangen und hätte wahrscheinlich vor allem informierenden Charakter so wie andere, bereits bestehende Kategorien im DAC-Berichtssystem, wie zum Beispiel die Kategorie Other Official Flows (OOF). Sie würde es den Geberländern aber erlauben, die entwicklungspolitische Motivation bestimmter Formen der Zusammenarbeit mit Streitkräften zu betonen. Zugleich bliebe die Integrität der bisherigen ODA gewahrt, und der Verdacht würde entkräftet, die Geberländer wollten durch eine Ausdehnung der Kriterien ihre ODA-Bilanzen schönen. Brzoska schätzt die Hilfeleistungen, die OSA-anrechenbar wären, auf immerhin 25 Prozent der gegenwärtigen ODA.
Die Entwicklungspolitik steht aber nicht nur vor der Frage, inwieweit sie sich mit staatlichen Sicherheitskräften einlassen will. Denn in vielen Ländern prägen private Sicherheitsdienste und Militärdienstleister die Sicherheitslage. Die britische Hilfsorganisation Saferworld beklagt in einer Studie, bislang seien diese Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit, zum Beispiel in der Sicherheitssektorreform, weitgehend vernachlässigt worden. Für die Autoren des Papiers, Anna Richards und Henry Smith, ist das ein echter Mangel, weil in vielen Ländern private Sicherheitsfirmen mittlerweile eine größere Rolle spielen als die Polizei oder das Militär. In Südafrika beispielsweise gibt es heute rund dreimal so viele private Sicherheitsleute wie Polizisten.

Jedes Vorhaben zur Reform des Sicherheitsektors in einem Land müsse sich zunächst einen Überblick über aktive private Sicherheitsdienste und über ihren Stellenwert verschaffen. Solche Dienste von vornherein als anrüchig abzustempeln und sie zu ignorieren sei nicht hilfreich, heißt es in der Studie. Ziel müsse sein, einen gesetzlichen Rahmen für die Arbeit privater Sicherheitsfirmen zu schaffen und sie einer strengen Kontrolle zu unterwerfen. Die Befugnisse privater Anbieter müssten klar definiert und von den Aufgaben staatlicher Sicherheitskräfte eindeutig abgegrenzt werden. Die Aus- und Fortbildung des Personals müsse staatlich kontrolliert werden und internationalen Standards genügen, etwa dem UN Code of Conduct for Law Enforcement Officials. Die Einhaltung solcher Trainingsstandards sollte zur Bedingung für die Lizenzierung privater Sicherheitsdienste gemacht werden.

In Bosnien-Herzegowina verabschiedeten die Regierung, potenzielle Kunden und internationale Organisationen einen Verhaltenskodex für Sicherheitsdienste, dem sich laut Saferworld auch eine beachtliche Anzahl der betroffenen Unternehmen angeschlossen haben. Für Saferworld ist der Sarajevo Code of Conduct for Private Security Companies ein gelungenes Beispiel für die Berücksichtigung privater Strukturen in der Reform des Sicherheitssektors eines Landes. Anders in Südafrika: Dort macht die Regierung sich erst seit kurzem Gedanken darüber, wie sie private Anbieter in die staatliche Sicherheitspolitik einbinden könnte.

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