USA – Mexico

Der Zaun steht schon

Donald Trumps Wahlkampf war ein Paradebeispiel für Populismus. Der US-Präsidentschaftskandidat spielte unter anderem mit Ängsten der Menschen vor Einwanderern und forderte eine Mauer an der Grenze zu Mexiko. Das Verhältnis zum Nachbarland ist seitdem schwer gestört. Schon vor Trumps Amtsantritt wurde deutlich, wie sehr populistische Regierungsführung in einem mächtigen Land dessen Partner belasten kann.
Trump im Sommer 2016 zu Besuch bei Peña Nieto. picture alliance / AP Photo Trump im Sommer 2016 zu Besuch bei Peña Nieto.

Der Begriff „Populismus“ wird nicht einheitlich definiert. Er wird im Zusammenhang mit extrem rechten Politikern, welche die Legitimität aller anderen Parteien bestreiten, ebenso verwendet wie mit Politikern, die sich als Vertreter der Abgehängten wie etwa Arbeitern und Bauern verstehen. Von letzterem, in Amerika verbreitetem Standpunkt aus ist der Begriff „Populismus“ durchaus positiv besetzt.

Der Unterschied trat beim Gipfel der nordamerikanischen Regierungschefs im Juni 2016 in Kanada zutage. Dort verurteilte der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto jegliche Staatsführung durch Demagogen und Populisten – wohingegen sich US-Präsident Barack Obama selbst als Populist bezeichnete. Obama meinte damit, dass er seine Sozialpolitik realisiert sehen will, während sich Peña Nieto auf den Aufstieg und die Machtergreifung autoritärer Politiker auf Grundlage populärer Ängste und unhaltbarer Versprechen bezog. Seriöse Politiker sagen dagegen, mit welchen Mitteln sie ihren Zielen näher kommen wollen.

Allerdings hatte der mexikanische Staatschef selbst im Wahlkampf unhaltbare Versprechen gemacht. Er profitierte von der überschwänglichen Pflege seines Images in den Medien, instrumentalisierte die wachsende Unsicherheit und Gewalt wegen des Drogenkriegs und versprach eine Stabilität, die er bislang nicht herstellen konnte (siehe Kasten).

Der Aufstieg von Donald Trump in den USA ist jedenfalls ein Paradebeispiel für rechtslastigen Populismus. Der Kandidat griff Ängste in der Bevölkerung auf und machte mit Slogans Stimmung, die Fremdenfeindlichkeit und Hass auf Minderheiten der USA bedienten. Sein hochtrabendes Versprechen, Amerika wieder groß zu machen, untermauerte er indessen nicht mit konkreten, unmittelbar implementierbaren Konzepten. Er betonte platt, die USA hätten Vorrang vor allen anderen Nationen und sollten sich vor allem um ihre eigenen Interessen kümmern. Die Medien zögerten nicht, den häufig bei Lügen ertappten Trump als populistisch zu verurteilen.

Das spanischsprachige CNN sprach sogar von der „Lateinamerikanisierung der Vereinigten Staaten“. Der Sender suggerierte damit, nur politisch wenig gebildete Menschen könnten auf die Rhetorik eines starken Mannes hereinfallen, der sich als Volkstribun gibt, aber eindeutig Interessen der Reichen vertritt.

Mit ähnlicher Intention schrieb Paul Krugman in der New York Times, Trump mache die USA zu einem „Stan“. Denn wie in Tadschikistan, Kirgistan oder Turkmenistan vermische Trump Amt und Privatgeschäft. Vetternwirtschaft, Klientelismus und Korruption stehen dem Kolumnisten zufolge vor einer neuen Blüte in den USA.

Solche Vorwürfe sind nicht frei erfunden. Trump hat – entgegen den demokratischen Konventionen der USA – bislang keinen Einblick in seine Steuerzahlungen gewährt. Folglich ist auch nur wenig über seine internationalen Geschäftsinteressen bekannt. Er hatte im Wahlkampf zunächst versprochen, Auskunft zu geben, tat das aber nie. Später kündigte er an, auf einer Pressekonferenz im Dezember zu erläutern, wie er seine Geschäfte an seine Söhne so übergeben würde, dass keine Interessenkonflikte auftreten können. Den Termin strich er dann aber kurzfristig. Als er sich im Januar dann der Presse stellte, blieben wichtige Fragen ungeklärt. Er will zum Beispiel einfach, dass die Leute ihm glauben, dass er keine geschäftlichen Verbindungen zu russischen Geldgebern hat.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Baugenehmigung für einen neuen Trump Tower in Buenos Aires erteilt wurde, kurz nachdem der Wahlsieger ein Telefongespräch mit Argentiniens Staatschef Mauricio Macri geführt hatte. Solche Nachrichten wecken nicht nur in Lateinamerika Misstrauen. Vielleicht hat Macri gar nicht Einfluss genommen, vielleicht wollte er auch gute Stimmung in Washington machen, und vielleicht ist sogar Schmiergeld geflossen. 

Als undemokratisch empfinden manche Mexikaner das US-Wahlrecht, dem zufolge Trump mit 46 Prozent der Stimmen gewann, obwohl seine Kontrahentin Hillary Clinton auf 48 Prozent kam. Fachleute erklärten der Öffentlichkeit aber, wie das US-Wahlrecht funktioniert und dass es anders, aber nicht undemokratisch ist. Grundsätzlich herrscht in Mexiko die Einschätzung vor, dass die USA eine besser organisierte Gesellschaft sind, so dass Bürger ihrem Staat vertrauen. In Mexiko tun sie das nicht, aber die Kluft wird unter Präsident Trump vermutlich kleiner.

Die Liste der Leute, die Trump in sein Kabinett berufen will, zeigt, dass er eindeutig die Interessen der reichen Elite vertritt. Manche Wähler bemerken nun enttäuscht, dass der Kandidat sie lediglich instrumentalisiert hat, um an die Macht zu kommen. Vielen steht wohl der Verlust der Krankenversicherung bevor, denn seine Partei will Obamacare abschaffen, und seine Versprechen, die Reformen seines Vorgängers mit etwas viel Besserem zu ersetzen, werden sich aller Voraussicht nach als hohl erweisen.

Trump hat sich als starker Mann dargestellt, der die wirtschaftliche und die Sicherheitslage des Landes verbessern kann. Davon profitieren jedoch nicht die Menschen, die am meisten auf Unterstützung und Solidarität angewiesen sind. Im Gegenteil: Trump entfesselte eine Welle der Feindseligkeit und offenen Aggression gegen sie.

Trump versprach schon im Wahlkampf Steuersenkungen – besonders für die Superreichen – und Entlastungen für Unternehmen, etwa im Umweltrecht. Seiner Logik nach profitiert die gesamte Gesellschaft davon, wenn der Privatsektor möglichst uneingeschränkt agieren und Profit machen darf. Er suggerierte, alles werde gut, wenn er das Land wie der Spitzenmanager eines Unternehmens führt, der auf abweichende Meinungen keine Rücksicht nehmen muss.  


Mauer gegen Migranten

Ein wichtiger Bestandteil von Trumps Wahlkampf war das Versprechen, eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko zu bauen. Sie änderte allerdings mehrfach ihr Design: Aus der „riesigen Mauer“ wurde ein Zaun, dann eine „große Mauer mit schönen großen Türen“. Unbestritten ist, dass die Drohungen ernst gemeint sind. In Frage steht aber die Realisierung des Baus und Trumps Forderung, Mexiko solle dafür bezahlen. Die Ideen, um an das Geld zu gelangen, reichen von der Ausübung ökonomischen Drucks auf das Nachbarland über die Beschlagnahmung von Geldsendungen eingewanderter Arbeiter an ihre Familien bis hin zu purer Kriegsbereitschaft.

Dabei wird die Tatsache außer Acht gelassen, dass nicht nur Mexikaner die Grenze in die USA überqueren, sondern Migranten aus ganz Mittel- und Südamerika. Im vergangenen Jahr strandeten beispielsweise tausende Haitianer in Grenzstädten wie Tijuana. Eine Mauer im Süden der USA verschöbe das Problem daher lediglich auf die andere Seite der Grenze.

Präsident Peña Nieto lud Trump im Sommer nach Mexiko ein und blamierte sich damit. Peña Nieto sagte, er wolle Vertrauen aufbauen, falls Trump gewählt werde. Dem ohnehin angeschlagenen Image seiner Regierung schadete der Besuch jedoch, denn nach seiner Rückkehr in die USA redete Trump weiter von der Mauer und stellte internationale Handelsabkommen in Frage. 

In Mexiko stieß Trump auf Empörung. Witze und Karikaturen des Kandidaten kursierten im Netz, und auf den Märkten wurden Piñatas mit Trumps Ebenbild verkauft. Piñatas sind mit Süßigkeiten gefüllte Pappmachéfiguren, die Kinder bei Partys zerbrechen, damit die Bonbons herausfallen. Der Spaß war aber vorbei, als Präsident Peña Nieto Luis Videgaray zum Außenminister ernannte. Videgaray hatte den Trump-Besuch organisiert und gilt als Schachfigur, die der neue US-Präsident manipuliert. Aus mexikanischer Sicht steht viel auf dem Spiel: Arbeitsplätze, Investitionen, Überweisungen von Migranten an ihre Familien und vielleicht sogar die massenhafte Ausweisung aus dem Nachbarland. Mexikos Volkswirtschaft ist auf das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA – North American Free Trade Agreement) mit den USA und Kanada ausgerichtet. Trump hat es im Wahlkampf vielfach kritisiert. Er will es neu verhandeln und lässt keinen Zweifel daran, dass er einseitig US-Interessen durchsetzen will und auf Austausch auf Augenhöhe keinen Wert legt. 

Einerseits sagt Trump, er liebe Mexiko und seine Menschen. Andererseits behauptet er, Mexiko nutze NAFTA auf unfaire Weise aus. Er hat begonnen, Unternehmen unter Druck zu setzen, damit sie nicht im Nachbarland investieren. Ford ist eingeknickt und hat angesichts drohender neuer Steuern Vorhaben in Mexiko gestrichen. Daraufhin haben einige mexikanische Firmen ihre Zusammenarbeit mit Ford eingestellt. Trump hat auch auf andere Konzerne – darunter Toyota und BMW – Druck ausgeübt.

Das Volumen des bilateralen Handels zwischen Mexiko und den USA beläuft sich auf rund 500 Milliarden Dollar jährlich. Unternehmen und Arbeitsplätze hängen auf beiden Seiten der Grenze davon ab. Trump hat aber deutlich gemacht, dass er völlig unkonventionell zu agieren gedenkt, um seinen Willen durchzusetzen. Mexikanische Politiker sprechen dagegen immer noch vom „Brückenbauen“, als sei Diplomatie im gewohnten Stil noch möglich.

Kritik an NAFTA gibt es auch in Mexiko. In den Industriegebieten, die nach Abschluss des Abkommens entlang der Grenze entstanden sind und Maquiladoras genannt werden, herrschen harte Arbeitsbedingungen. Aber immerhin finden dort viele Menschen Beschäftigung und Einkommen. Aus mexikanischer Sicht sind bessere Arbeitsplätze in den Maquiladoras nötig – aber sicherlich nicht weniger Beschäftigung.

Seit den Wahlen halten verschiedene politische Parteien  in Mexiko die „Solidarität mit den Landsleuten in den Vereinigten Staaten“ hoch. Das sind jedoch nur leere Versprechen. Mexikaner wissen genau, dass ihre Politiker sie nicht einmal im eigenen Land schützen. Zudem ist bekannt, dass es schon unter Präsident Barack Obama zahlreiche Abschiebungen gab, von denen aber nur sehr selten gesprochen wird.

Peña sagt, Mexiko werde die Mauer nicht bezahlen. Er fordert nun, die USA sollten den Strom illegaler Waffen nach Süden stoppen. Zudem strebt er ein Handelsabkommen mit der EU an, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Seine Position ist aber schwach. Als dieser Aufsatz vor Trumps Amtsantritt fertig gestellt wurde, hatte der  Peso abgewertet, und die Inflation stieg entsprechend. Je härter die Lage wird, desto mehr Menschen werden nach Norden abwandern wollen. Trumps Großspurigkeit kann also durchaus unbeabsichtigte Folgen haben.

In der ganzen Aufregung wird oft vergessen, dass schon seit langem ein Zaun existiert. Er wurde unter Präsident Bill Clinton dort an der Grenze errichtet, wo nicht die lebensfeindliche Wüste als natürliche Mauer wirkt. Nicht nur offizielle Grenzpatrouillen bewachen ihn, auch militante rechte Gruppen tun das. Vielleicht noch schlimmer ist der ideologische und kulturelle Zaun, der spätestens seit der Auszählung der Stimmen der US-Wahl steht. Die „Build that wall“-Chöre haben mexikanische Vorstellungen von einem amerikanischen „Freund“ schwer beschädigt.


Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
virmercado@yahoo.com.mx

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