Entwicklung und
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Uganda

Wie eine Hotline in Uganda junge Menschen psychologisch berät

Ugandas Jugend hat aus verschiedenen Gründen große psychische Probleme, doch es gibt kaum professionelle Hilfe. Eines der wenigen verfügbaren Angebote ist eine kostenlose Hotline, und sie wird gut angenommen.
Die psychologische Hotline von MHU spricht insbesondere junge Leute in Uganda an. Screenshot: mhu.ug
Die psychologische Hotline von MHU spricht insbesondere junge Leute in Uganda an.

In Uganda, einem der Länder mit der jüngsten Bevölkerung weltweit, geht etwa die Hälfte der Jugendlichen weder einer Arbeit nach noch befindet sie sich in Ausbildung. Die Wirtschaft ist angeschlagen, und die Corona-Pandemie wirkt immer noch im Alltag nach. Für viele junge Menschen sind die Erwartungen seitens der Schule, Familie oder Gesellschaft insgesamt unerträglich geworden. Eine 2023 an Schulen in den Bezirken Wakiso und Gulu durchgeführte Studie ergab, dass eine*r von fünf Schüler*innen schon ernsthaft über Selbstmord nachgedacht hat. Zu den Gründen zählen Mobbing, übermäßiger Social-Media-Konsum, Druck in der Schule und der Zerfall von Familien.

Kulturelle Stigmatisierung bleibt eine der größten Hürden für das psychische Wohlergehen in Uganda. In vielen Familien gilt es als Schwäche, psychische Probleme anzusprechen. Vor allem Jungs bekommen von klein auf zu hören, sie sollen „ein Mann sein“ oder „niemals weinen“. Solche, oft aus guter Absicht wiederholten, Sätze ziehen emotionale Mauern auf, die viele bis ins Jugend- und Erwachsenenalter aufrechterhalten. Geraten sie in eine Krise, haben sie oft keine Worte für ihren Schmerz, keine Übung darin, um Hilfe zu bitten, und keine Unterstützung, um aufgefangen zu werden.

In einer solchen Situation bräuchten die jungen Menschen Unterstützung seitens öffentlicher Stellen – aber psychiatrische Einrichtungen gibt es in Uganda wenige, und oft sind sie weit verstreut. Abgesehen vom Butabika National Referral Mental Hospital und einigen privaten Kliniken in den Zentren größerer Städte wissen die meisten Ugander*innen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Bestehende Einrichtungen sind oft nur für Extremfälle vorgesehen, etwa für Menschen, die sichtbar aus der Spur geraten sind. Für Teenager, die im Stillen unter Angstzuständen oder Depressionen leiden, existieren praktisch keine Angebote.

Zwar gibt es inzwischen digitale Lösungen wie die private Online-Therapieplattform Serene Mind, doch diese sind noch recht begrenzt in Umfang und Reichweite. Allerdings zeigen sie, dass junge Menschen zunehmend bereit sind, Hilfe außerhalb der traditionellen Systeme zu suchen.

Bei Anruf psychologische Unterstützung 

Zu den beliebtesten Diensten gehört die gebührenfreie Hotline der zivilgesellschaftlichen Organisation Mental Health Uganda (MHU). Mitte 2024, als Suizide unter Jugendlichen in Uganda mit wachsender Sorge betrachtet wurden, erweiterte MHU gemeinsam mit der norwegischen Organisation Mental Helse Ungdom ihren Telefondienst. Sie ist derzeit von Montag bis Freitag rund um die Uhr unter der Nummer 0800 212121 erreichbar. 

Die Hotline steht Menschen jeden Alters und jeder Herkunft offen, konzentriert sich aber besonders auf 15- bis 35-Jährige. Sie bietet ein automatisiertes, interaktives Sprachdialogsystem in mehreren ugandischen Sprachen. Geschultes Beratungspersonal, darunter auch Mitarbeitende des Butabika National Referral Hospital, leistet vertrauliche psychologische Erste Hilfe und vermittelt weiter.

Direkt nach dem Start der Hotline im Jahr 2021 war der Zuspruch der Bevölkerung laut Mental Helse Ungdom überwältigend. Seither hat der Dienst mehr als 8000 Menschen psychosozial betreut, wie MHU berichtet. Eine Evaluation im Jahr 2022 ergab, dass 82 % der Anrufenden mit dem Dienst zufrieden waren. In einem Land, in dem mehr als drei Viertel der Bevölkerung in ländlichen Gebieten leben, kann ein einfacher Telefonanruf einen großen Unterschied machen.

Das Gefühl, gehört und nicht verurteilt zu werden 

Jungen Menschen, die bei der MHU-Helpline anrufen, geht es nicht nur um eine Therapie – sie wollen gehört werden. Timothy Malindi, ein 18-jähriger Student an der Makerere-Universität, der selbst schon bei der Hotline angerufen hat, beschreibt, wie erleichtert er war, endlich jemanden zu finden, der zuhört, ohne zu urteilen: „Reden hat geholfen. Ich fühlte mich gehört und nicht verurteilt.“

Der simple Akt des Zuhörens löst vielleicht nicht jedes Problem, aber er kann einen Heilungsprozess in Gang setzen und Krisen abwenden. Er erinnert die Jugendlichen in Uganda daran, dass ihr Schmerz seine Berechtigung hat und dass sie nicht allein sind.

Dennoch steht die Beratungsstelle vor Herausforderungen. Anrufe nach Geschäftsschluss landen oft auf der Mailbox und werden erst am nächsten Arbeitstag beantwortet. Einem jungen Menschen in einer Krise können diese Stunden endlos erscheinen. Im Gespräch sind deshalb Wochenenddienste und eine Integration in bestehende soziale Infrastrukturen wie die primäre Gesundheitsversorgung und Schulen.

Mehr für psychische Gesundheit tun

MHU arbeitet mit dem ugandischen Gesundheitsministerium zusammen und hat an der nationalen Strategie für psychische Gesundheit mitgewirkt. Im Einklang mit einem 2024 von WHO und UNICEF herausgegebenen globalen Leitfaden erwägt Uganda nun integriertere, global empfohlene Verfahren für den Umgang mit psychischer Gesundheit. Dazu gehört die Stärkung des formalen Gesundheitssystems sowie die Zusammenarbeit mit Familien und Schulen, um ein unterstützendes Umfeld für junge Menschen zu schaffen.

Eltern haben hier eine besondere Verantwortung. Sie müssen ihren Kindern zuhören und deren Sorgen ernst nehmen. Junge Menschen stehen vielfältig unter Druck – von Cybermobbing und unrealistischen Erwartungen, die auf Social Media geteilt werden, bis hin zu Stress in der Schule, an der Uni und im Job. Daher brauchen sie zu Hause einen sicheren Raum, in dem sie sprechen können, ohne Angst vor Spott oder Ablehnung.

Auch die Schulen müssen sich weiterentwickeln. Das ugandische Bildungssystem konzentriert sich auf akademische Leistungen, muss aber auch das Wohlbefinden der Schüler*innen stärker berücksichtigen. Lehrkräfte sollten darin geschult werden, Frühwarnzeichen für psychische Probleme zu erkennen und Hilfe anzubieten. Die Schulberatung muss ausgebaut werden, und in den Lehrplänen sollte emotionale Kompetenz eine Rolle spielen, damit die Schüler*innen ihre Gefühle artikulieren und lernen, die Höhen und Tiefen des Lebens zu bewältigen.

Die Ausweitung der MHU-Hotline sendet eine klare Botschaft an Ugandas Institutionen, Familien und Schulen: Psychische Gesundheit ist kein Luxus, sondern unerlässlich. Je früher wir Maßnahmen ergreifen, desto mehr Leben können wir retten.

Links

Mental Health Uganda: 
mhu.ug

WHO, UNICEF, 2024: Mental health of children and young people. Service guidance.
https://www.who.int/publications/i/item/9789240100374 

Ronald Ssegujja Ssekandi ist ein ugandischer Autor und lebt in Kampala.  
sekandiron@gmail.com 

Wenn Sie darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen, sprechen Sie mit Freunden oder Familien-
angehörigen darüber und suchen Sie sich professionelle Unterstützung. In Deutschland ist beispielsweise die Telefonseelsorge Tag und Nacht erreichbar unter den Nummern 0800 1110111 oder 0800 1110222. Internationale Suizidhotlines finden sich hier: 
blog.opencounseling.com/suicide-hotlines/

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