Vereinte Nationen

Durchwachsene Bilanz

Die UN-Konferenz Habitat III hat im Oktober in Quito eine New Urban Agenda beschlossen. Das Dokument betont städtische Inklusion und Teilhabe und gute urbane Governance, geht aber ansonsten auf die zentrale Bedeutung der Städte für die künftige Entwicklung der Menschheit nur unzureichend ein.
Kunstvolles Lichtspektakel in Quitos Altstadt während Habitat III. picture-alliance/dpa Kunstvolles Lichtspektakel in Quitos Altstadt während Habitat III.

Alle 193 UN-Mitgliedsländer haben die New Urban Agenda (NUA) einvernehmlich angenommen. Den Text hatten ihre Delegierten schon Wochen vor Beginn der Konferenz abgestimmt. Kommunalpolitiker waren unter den 30 000 Teilnehmern in Quito zahlreich vertreten, aber es kamen nur wenige hochrangige Vertreter nationaler Regierungen.

Ein wichtiger Aspekt der NUA ist, dass sie das „Recht auf Stadt“ postuliert. Ihm zufolge haben alle Einwohner einer Stadt Anspruch darauf, sie zu nutzen und sich anzueignen. Das ist angesichts wachsender Ungleichheiten wichtig. Ballungsräume sind die Zentren des globalen Wirtschaftswachstums und Hauptzielgebiete von Zuwanderung. Sie sind von besonderen sozialen und ökonomischen Gegensätzen sowie Verteilungskonflikten geprägt. Die NUA erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Rechte von Flüchtlingen und Migranten. Synergieeffekte zwischen internationaler Migration und Entwicklung sollen erzielt werden.

Damit Städte und Kommunen ihre Aufgaben bewältigen können, fordert die NUA, ihre Handlungsfähigkeit auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene zu stärken. Leider geht sie aber nicht gebührend auf die internationalen Dimensionen ein – etwa darauf, dass kommunalpolitische Akteure in UN-Prozessen unbedeutend sind oder dass internationale Auflagen kommunale Handlungsfähigkeit begrenzen können. Das ist beispielsweise der Fall, wenn städtische Haushalte im Zuge von Strukturanpassungen gekürzt werden. 

Die NUA betont vor allem die Verantwortung der nationalen Regierungen, die Gestaltungsfähigkeit von Städten und urbanen Akteuren durch gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu erhöhen.

Die NUA macht nationalen Regierungen und kommunalen Entscheidungsgremien vielfältige Empfehlungen in Bezug auf die Dezentralisierung von politischen Zuständigkeiten, Verwaltungsstrukturen, Raumplanung und Finanzen. Zudem plädiert sie für partizipative Steuerungsformen in urbanen Kontexten. Kommunalverwaltungen werden als aktive Partner bei Umsetzung und Erfolgskontrolle der NUA betrachtet. Da die NUA aber keine messbaren Indikatoren zur Erfolgsmessung enthält und rechtlich nicht verbindlich ist, bleibt offen, welche Bedeutung das Monitoring haben kann.

Die NUA steht in engem Zusammenhang zu den 17 Sustainable Development Goals (SDGs), welche die UN 2015 beschlossen. SDG 11 fordert beispielsweise, dass „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig“ gestaltet werden sollen. Auch andere SDGs haben lokale Bezüge.

Die NUA baut auf den entsprechenden Diskussionen auf, führt sie aber nicht konsequent weiter. Sie konstatiert im ersten Abschnitt den Anspruch, zur Implementierung der SDGs beizutragen, konkretisiert das dann aber nicht weiter. Der Pariser Klimavertrag wird im gesamten Text nur zweimal erwähnt.

Die NUA spiegelt somit die riesige Bedeutung der Städte für globale Entwicklungsprozesse, wie sie etwa vom Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU) der Bundesregierung analysiert wurde (siehe Interview mit Dirk Messner im E+Z/D+C e-Paper 2016/10), nur bedingt wider. Es mangelt im Dokument an Hinweisen auf die Dringlichkeit, fatale Entwicklungspfade zu vermeiden und alternative Leitbilder für Stadtdesign, -planung und -management zu definieren.

Habitat-Konferenzen finden alle 20 Jahre statt. Vor 20 Jahren beschloss Habitat II in Istanbul eine Habitat Agenda und einen Global Plan of Action. Allerdings blieben die Auswirkungen für die konkrete Politik in der Folge gering. Auf den Verlauf der dramatischen, weltweiten Urbanisierungsprozesse – mittlerweile lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten, und 2050 werden es zwei Drittel sein – hatte Habitat II keinen nennenswerten Einfluss.

Deshalb wurden bei der Vorbereitung von Habitat III und während der Konferenz in Quito inhaltliche und prozedurale Ansprüche formuliert. Umsetzung und Follow-up sollen diesmal besser laufen. Allzu vielversprechend ist indessen der Quito Implementation Plan, der bislang einzige formale Umsetzungsmechanismus von Habitat III, jedoch nicht.


Umsetzungsstrategie

Im Rahmen dieses Plans waren Staaten, Städte, Kommunen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Privatunternehmen, wissenschaftliche Institute und andere Akteure aufgerufen, konkrete Initiativen zur Umsetzung der Stadtentwicklungsagenda einzureichen. Am Ende der Konferenzwoche lagen aber nur 64 solcher Commitments vor. Zum Vergleich: Bei der Klimakonferenz in Paris Ende letzten Jahres wurden rund 11 000 Vorhaben präsentiert.

Einer der wenigen nationalstaatlichen Vorstöße machte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Es wird nachhaltige urbane Mobilität fördern. Das Konzept heißt TUMI (Transformative Urban Mobility Initiative). Das BMZ legt großen Wert auf die Förderung urbaner Infrastruktur sowie guter kommunaler Amtsführung. In diesem Kontext wird es schon 2017 zusammen mit der KfW Entwicklungsbank eine Milliarde Euro für den Auf- und Ausbau nachhaltiger Verkehrssysteme in Entwicklungs- und Schwellenländern bereitstellen. Zudem werden 1000 Fach- und Führungskräfte im Bereich urbane Mobilität ausgebildet und innovative Pilotprojekte in Klein- und Mittelstädten unterstützt.

Nationale Regierungen machten nur vier Vorschläge und Kommunalverwaltungen sieben. In Quito überwogen kleinere Initiativen urbaner Grassroots-Gruppen. Dabei geht es etwa um städtische Grünflächenpflege, Beschäftigungsförderung oder die soziale Integration von Jugendlichen.

Der Quito Implementation Plan ordnet alle Vorhaben den Kernthemen der NUA zu (etwa Wohnen und Infrastruktur, soziale Kohäsion und Gerechtigkeit et cetera). Es bleibt jedoch unklar, wie sich die unterschiedlichen Verpflichtungen am Ende zu einer ganzhaltigen Nachhaltigkeitsstrategie für Städte im globalen Kontext zusammenfügen sollen.

Der Erfolg der NUA liegt nun in den Händen der Nationalstaaten und Kommunalverwaltungen. Für einen gewissen Optimismus sorgt in diesem Zusammenhang das große Interesse, das kommunale Akteure zeigten. Ihre Bedeutung ist groß und wird weiter wachsen. Als Habitat II vor 20 Jahren in Istanbul stattfand, war Stadtentwicklung noch ein Nischenthema der internationalen Entwicklungsdebatte. Mittlerweile werden Städte immer mehr als Schlüsselorte und -faktoren für nachhaltige Entwicklung gesehen.

 

Eva Dick ist Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und hat im Vorfeld von Habitat III das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beraten. In diesem Beitrag vertritt sie ihre persönliche Sicht.
eva.dick@die-gdi.de

Link
The New Urban Agenda:
https://habitat3.org/the-new-urban-agenda/

 

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