Liberia

Von der Präsidentin ernannt

Liberia muss nach Jahren des Bürgerkriegs wieder neu aufgebaut werden. Derzeit diskutiert die Nation darüber, ob Bürgermeister gewählt werden sollen. Eine Regierungskommission hat eine Reform vorgeschlagen, um Lokalpolitiker gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig zu machen.
Mary Broh, ehemalige Bürgermeisterin von Monrovia. Fallah Mary Broh, ehemalige Bürgermeisterin von Monrovia.

In Liberia gibt es keine Tradition starker kommunaler Selbstverwaltung. Das Land wurde 1847 von der American Colonisation Society (ACS) als Heimat für befreite und heimgekehrte Sklaven aus den USA gegründet. Natürlich lebten aber schon zuvor Menschen auf liberianischem Territorium. Spannungen waren also vorprogrammiert. Monrovia wurde zur Hauptstadt, von der aus das ganze Land zentral verwaltet wurde.

Die einfache Bevölkerung hatte keine Mitsprache in den Counties, Distrikten und anderen Verwaltungseinheiten. Vor dem verheerenden Bürgerkrieg ab den späten 1980er Jahren bis 2003 gab es zwar gewählte Stadt- und Clanchefs, allerdings war deren Rolle eher symbolisch. Über ihre Budgets entschied die Zentralregierung in Monrovia.

Während des Krieges brach der Staat zusammen – und mit ihm die Kommunalverwaltungen. 2003 war klar, dass das Land komplett neu aufgebaut werden muss. Bürgermeister und Dorfchefs werden seit Kriegsende vom Staatsoberhaupt ernannt, doch das soll sich nun ändern. Ziel ist es, Liberia zu einer vollwertigen Demokratie zu machen. Experten meinen, es behindere die sozioökonomische Entwicklung, dass die Bürger sich zu wenig an öffentlichen Entscheidungen beteiligen können. Die staatliche Governance Commission (GC) und andere Institutionen befürworten deshalb Dezentralisierung.

 

Ein ehrgeiziges Unterfangen

Die GC wurde kurz nach Ende des Bürgerkriegs 2003 von staatlicher Seite ins Leben gerufen. Ihr Auftrag ist es, Forschungsarbeit zu leisten und eine bessere Regierungsführung zu unterstützen. Die Kommission hat kürzlich einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der Regierungskompetenzen auf regionale und lokale Behörden übertragen würde. Demnach würden lokale Politiker:

  • die örtliche Verwaltung in Übereinstimmung mit Verfassung und nationalen Gesetzen ausführen,
  • kommunale Haushalte planen,
  • lokale Entwicklungspläne entwerfen und implementieren, wobei sie bei Fragen der Geschlechtergleichheit und der Förderung Jugendlicher nationale Politik berücksichtigen müssen,
  • auf lokaler Ebene sowie der nationalen Regierung gegenüber einen jährlichen Rechenschaftsbericht ablegen,
  • nationale Programme und Projekte auf lokaler Ebene umsetzen und
  • die Aktivitäten der nationalen Behörden auf lokaler Ebene koordinieren.

Nach dem Gesetzentwurf würde die nationale Wahlkommission Kommunalwahlen organisieren. Bürgermeister, Magistrats- und lokale Stadtratsmitglieder würden damit ein demokratisches Mandat erhalten, was bislang nicht der Fall ist. Der GC-Vorsitzende Amos Sawyer glaubt, dass eine sauber durchgeführte Dezentralisierung die Entwicklung im ganzen Land vorantreiben wird. Geberinstitutionen wie der Weltbank, dem UNDP und der EU gefällt dieser Ansatz. Beschlossen ist die Reform aber noch nicht.

Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hatte bereits im Januar 2012 die National Policy on Decentralisation and Local Governance erlassen. Das entsprach einem Wahlversprechen von 2005, den „imperialen" Präsidentschaftsstil aufzugeben, der das Land seit Kriegsende prägt. Dennoch entfachte die Staatschefin 2009 eine Kontroverse, indem sie Mary Broh zur amtierenden Bürgermeisterin der Hauptstadt Monrovia ernannte, statt das Volk wählen zu lassen.

Charles W. Brumskine, Vorsitzender der oppositionellen Liberty Party, kritisierte dieses Vorgehen. Bürgermeister müssten vom Volk gewählt werden, meinte er. Würden sie stattdessen vom Staatsoberhaupt eingesetzt, so fühlten sie sich verpflichtet, dessen Erwartungen zu erfüllen. Zudem seien seine Bürgermeister ohne Mandat vom Volk nicht legitimiert, Steuern zu erheben und einzutreiben.

Die Liberty Party und eine weitere Oppositionspartei, der Congress for Democratic Change, wandten sich an den Obersten Gerichtshof und fochten Brohs Ernennung zur Bürgermeisterin an. Die obersten Richter des Landes entschieden jedoch, das Staatsoberhaupt dürfe Bürgermeister ernennen. In einem im Liberian Law Journal veröffentlichten Artikel bezeichnet Brumskine diese Entscheidung als schlechtes Omen. Die GC teilt im Prinzip seine Meinung, wie aus dem genannten Gesetzentwurf über die Lokalwahlen deutlich wird.

 

Erfahrungen in Monrovia

Mary Brohs Auftreten als Bürgermeisterin von Monrovia hat die Kontroverse weiter angefeuert. Ihre Art der Amtsführung war oft ungeschickt. Man warf ihr übertrieben autoritäres Auftreten vor, als sie Marktstände in Brand setzen und Straßenverkäufer verprügeln ließ, um für Ordnung im öffentlichen Raum zu sorgen. Themen wie Sauberkeit, sanitäre Anlagen und Gesundheitswesen waren Broh wichtig, aber es gelang ihr oft nicht, die städtische Öffentlichkeit von ihrer Politik zu überzeugen.

Immer wieder geriet Broh auch mit nationalen Abgeordneten in Streit. Das Repräsentantenhaus wollte sie sogar wegen Behinderung der Justiz des Amtes entheben. Der Oberste Gerichtshof rehabilitierte sie jedoch und stellte fest, dass solch eine Entscheidung der Legislative nicht zustehe.

Mary Broh hat sich sowohl als Bürgermeisterin als auch in früheren Ämtern als zielstrebig und durchsetzungsstark erwiesen. Als Beamtin des Außenministeriums hatte sie dafür gesorgt, dass Pässe viel schneller als zuvor ausgestellt wurden. Als Chefin der Hafenbehörde hat sie bürokratische Vorschriften, die Unternehmer gestört haben, vereinfacht. Unter ihrer Führung wurde Monrovia sauberer, auch wenn Kritiker bemängelten, dass sie nicht den Bürgern sondern der Präsidentin diene.

Broh trat als Bürgermeisterin zurück, wurde aber von Sirleaf-Johnson gleich wieder ins Amt berufen. Im vergangenen Jahr machte die Präsidentin sie dann aber zur Leiterin der General Service Agency (GSA), der nationalen Behörde, die öffentliches Eigentum wie Immobilien, Fahrzeuge und Ausrüstung einkauft, mietet und in Stand hält. In ihrer neuen Position verwaltet Broh ein jährliches Budget von fast zwei Millionen Dollar. Brohs Nachfolgerin als Bürgermeisterin von Monrovia ist Clara Movgo. Sie hat die Stadt bislang kaum geprägt.

Ein heißes Eisen ist derweil das enorme Missverhältnis zwischen den verschiedenen liberianischen Bürgermeistern. Die Bürgermeister von Monrovia und Paynesville, einem großen Vorort von Monrovia, verfügen über ganze Fuhrparks, während anderen Bürgermeistern überhaupt keine Dienstfahrzeuge zur Verfügung stehen. Da die Bürgermeisterin von Monrovia zugleich Chefin der örtlichen Polizei ist, wird sie mit Sirenengeheul eskortiert, wenn sie durch die Stadt fährt.

Der nationale Haushalt sieht spezielle Mittel für Monrovia und Paynesville vor. Darüber hinaus profitieren beide Städte von verschiedenen geberfinanzierten Projekten. Zweifellos sind die Bürgermeister dieser beiden Städte in Bezug auf Macht und Vergünstigungen privilegiert.

 

Samwar Fallah ist Journalist beim africanstandardnews.com in Monrovia.
samwar2005@yahoo.com

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