Editorial

Chancen im Dezember

Es gibt ein paar gute Nachrichten. Pakistan will seine Handelsbeziehungen zu Indien verbessern. Russland wird vermutlich in diesem Monat in die WTO aufgenommen. Beides ist erfreulich – aber wenig, verglichen mit dem, was sich die internationale Politik vor zehn Jahren vorgenommen hatte.

Ende 2001 startete die Ministerkonferenz der WTO in Doha, der Hauptstadt von Katar, eine neue Verhandlungsrunde, um den Weltmarkt zu liberalisieren. Allen Beteiligten war klar, dass das ehrgeizig, aber eben auch sinnvoll war. Die Weltwirtschaft war in einem schwachen Zustand, nachdem die Dotcom-Blase – die massenhafte Spekulation mit letztlich wertlosen Internetaktien – geplatzt war. Zusätzlich belasteten die Terroranschläge vom 11. September das Investorenvertrauen. In dieser Situation war es richtig, sich um die multilaterale Verbesserung des Geschäftsklimas durch Marktöffnung zu bemühen. Letztlich dient Freihandel allen. Grob vereinfacht liegt das daran, dass Märkte Käufern und Verkäufern um so mehr Chancen bieten, je größer sie sind. Zudem sind manche Konzerne so groß, dass sie in einzelnen Volkswirtschaften ganze Industriezweige dominieren, wohingegen der globale Wettbewerb stark genug ist, um in den meisten Branchen marktbeherrschende Stellungen zu verhindern.

Leider wurde aus der Doha-Runde nicht viel. Es gab Dissens über ihr Programm. Die USA, die EU und die Regierungen anderer reicher Nationen forderten weltweite Regeln für das Wettbewerbsrecht, die staatliche Auftragsvergabe und andere Dinge, für die die Entwicklungsländer keine Regeln akzeptieren wollten, weil sie fürchteten, so würden ihre Wachstumschancen beeinträchtigt. Die Unterhändler in Doha wussten das, starteten die Runde aber trotzdem in der Hoffnung, die Dinge im Lauf der Zeit zu klären.

Tatsächlich brachten die Verhandlungen für die umstrittensten Themen aber keinen Fortschritt. Also sank auch das Interesse der reichen Nationen an Doha. Sie begannen sich auf bilaterale Handelspolitik zu konzentrieren. Der Nachteil daran ist, dass unterschiedliche Abkommen zwischen verschiedenen Ländern und Ländergruppen zu einem unübersichtlichen Gewirr unterschiedlicher Regeln führen, die sich teils widersprechen, teils aber auch überlappen. Große Konzerne können sich genug Anwälte leisten, um den Durchblick zu behalten, aber kleine Unternehmen sind überfordert.

Heute ist die Weltwirtschaft wieder in einem schlechten Zustand. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 gab es einen Abschwung, und mittlerweile sind aus der globalen Finanzkrise die Schuldenkrisen der EU und der USA geworden. Die nächste Rezession scheint wahrscheinlich und könnte sich sogar zur globalen Depression auswachsen. Viele reiche Volkswirtschaften haben ihr BIP von 2008 noch nicht wieder erreicht. Die globale Nachfrage bleibt schwach.

Multilaterale Politik ist nötig, um globale Herausforderungen zu meistern. In einer Zeit allzu geringer Nachfrage könnte ein weltweites Liberalisierungsabkommen neue Zuversicht schaffen. Angesichts des schnellen Klimawandels könnte ein globaler Vertrag öffentliche Investitionen für notwendige neue Infrastrukturen und Energieeffizienz mobilisieren und damit die Nachfrage stärken. Minister aus aller Welt sollten im Dezember beim WTO-Gipfel in Genf und beim UN-Klima­gipfel in Durban ihre Chancen nutzen, um Weichen in die richtige Richtung stellen. Zumindest könnten sie es, wenn sie den politischen Willen aufbringen. Werden sie das tun?

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