Aid Effectiveness

Offene Daten

Seit 2008 engagiert sich die OECD verstärkt für mehr Transparenz in der Entwicklungspolitik. Entsprechend fordern Open-Data-Initiativen, dass Institutionen ihre Daten zugänglich machen. Während einige Geber mutig vorangehen, hat Deutschland Nachholbedarf.


Von Claudia Schwegmann

Die USA und Britannien wollen das Thema Transparenz auf dem High Level Forum in Busan im November 2011 ganz oben auf der Tagesordnung sehen, und auch Bundesminister Dirk Niebel fordert immer wieder mehr Offenheit. Schon bei dem High Level Forum on Aid Effectiveness 2008 in Accra verpflichteten sich verschiedene Staaten zu mehr Transparenz. Dennoch gab es besonders bei den Geldgebern in den letzten drei Jahren nur wenig Fortschritt – zu diesem Ergebnis kommt die OECD in ihrer Evaluierung. Deutschland liegt bei internationalen Vergleichen der Gebertransparenz im Mittelfeld, wie eine unabhängige Studie kürzlich ergab.

Seit 2010 untersucht die britische zivil­gesellschaftliche Organisation PublishWhatYouFund die Transparenz staatlicher entwicklungspolitischer Institutionen. Zusammen mit örtlichen nichtstaatlichen Organisationen prüft sie die 30 OECD-Mitgliedsländer auf sieben Kriterien:
– Berichterstattung an das Creditor Reporting System (CRS) der OECD,
– Existenz eines Informationsfreiheitsgesetzes,
– Mitgliedschaft in der in Accra gegründeten International Aid Transparency Ini­tiative (IATI),
– Bereitstellung von vorausschauenden Daten an die Regierungen der Partnerländer,
– Berücksichtigung der Hilfe im nationalen Haushalt, öffentlicher Zugang zu Daten,
– Einschätzung der Transparenz durch zivilgesellschaftliche Organisationen.

Deutschland belegt im Ranking Platz 15 von 30. Bei den ersten drei Kriterien kann es leicht punkten: Die Berichterstattung an das CRS ist für OECD-Mitglieder ohnehin verpflichtend. Auch hat Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und ist Mitglied bei IATI. Dennoch bestehen in Deutschland noch Probleme bei der Anwendung des IFG, und auch der im Februar 2011 verabschiedete IATI-Standard wird bisher nicht umgesetzt.

Eine der Hauptforderungen der OECD ist, dass Entwicklungshilfemittel im nationalen Haushalt der Empfängerländer ausgewiesen werden. Für deutsche Gelder trifft dies nur in knapp 40 Prozent der Fälle zu. Auch bei der Planungssicherheit liegt Deutschland eher im Mittelfeld: Partnerländer haben in etwa 60 Prozent der Fälle Zugang zu Planungsdaten.

Nicht so gut schneidet Deutschland bei der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft ab; hier rangiert das Land auf Platz 26.

International gibt es derweil drei positive Trends:
– Einzelne Geldgeber führen mehr Maßnahmen für höhere Transparenz durch.
– Die Wissenschaft bemüht sich verstärkt nachzuweisen, wie sich Transparenz auf die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe auswirkt.
– Der Einfluss der Open-Data-Initiativen steigt.

Die Weltbank hat sich zum Beispiel zu mehr Offenheit durchgerungen. Sie hat ihre Finanzdaten sowie sozioökonomische Statistiken der Entwicklungsländer frei zugänglich gemacht. Auch die Welt­ernährungsorganisation (FAO) und der MultiDonorTrustFund (MDTF) veröffentlichten bisher nicht zugängliche Daten im Internet. Die USA, Schweden und Norwegen schufen Webseiten zur Visualisierung ihrer Entwicklungspolitik. Auch in Empfängerländern gibt es zunehmend Bemühungen um Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit, so zum Beispiel die Transparenzinitiative der Geldgeber in Nepal.

Auch das wachsende wissenschaftliche Interesse am Thema ist zu begrüßen, wenngleich die Zahl der Studien noch überschaubar ist. Im Internet zugänglich sind Arbeiten von Reinikka/Svensson (2003) zum Einfluss der Transparenz auf Bildung und Gesundheit in Uganda und von Jörg Faust (2010) über den statistischen Zusammenhang zwischen der Transparenz der Geldgeber und wirksamer Allokation der Entwicklungshilfe.

Im Mai 2011 startete zudem ein Zusammenschluss von acht internationalen Stiftungen – darunter die Ford Foundation und die Open Society Foundations von George Soros – die Transparency and Accountability Initiative (T/A Initiative), die zu einschlägigen Themen forschen soll. Auch im Umfeld von IATI laufen Pilotstudien, beispielsweise von aidinfo in Nepal und Uganda.

Die dritte und vielleicht wichtigste Neuerung ist die globale Open-Data-­Bewegung. Seit langem sammeln Behörden große Mengen von Daten, die jedoch bisher nicht öffentlich zugänglich waren. Der Kerngedanke von offenen Daten da­gegen ist „re-use“, also die Nutzung öffentlicher Daten durch Dritte. In Zukunft ­werden Informationen nur dann als transparent gelten, wenn Bürger oder Vereine sie nutzen können.

Dafür reicht die Veröffentlichung von Jahresberichten, wie es noch vor zehn Jahren üblich war, nicht aus. Um „re-use“ zu fördern, haben viele Regierungen und Gemeinden in den letzten Jahren Open-Data-Plattformen geschaffen – neben den USA und Britannien haben das auch Kanada, Brasilien, Südafrika, Moldawien, Osttimor und Kenia getan. Die IATI hat für solche Zwecke einen Standard entwickelt, der zivilgesellschaftlichen Gruppen, Regierungen, Forschern und Geldgebern helfen soll, einschlägige Informationen zu bekommen. Dies ist der bisher einzige internationale Open-Data-Standard in der Entwicklungspolitik.

Argumente der Skeptiker

Dennoch gibt es Widerstand gegen IATI – auch in Deutschland. Argumente sind dabei
– hohe Kosten,
– Datenschutz und
– angeblich mangelnde Nachfrage.

Es stimmt: Transparenz zu schaffen kostet Geld. Doch auch Intransparenz ist mit erheblichen Kosten verbunden: Durch Korruption, mangelnde Vorhersagbarkeit der Hilfe und fehlende Koordination gehen in der Entwicklungspolitik hohe Summen verloren. Transparente Verfahren würden dem entgegenwirken. Wie Mitarbeiter des britischen Entwicklungsministeriums (DfID) oder des MDTF berichten, sorgen offene Daten auch innerhalb von Geberinstitutionen für mehr Effizienz. Sorgen um Datenschutz müssen grundsätzlich ernst genommen werden, sind jedoch häufig übertrieben. In den allermeisten Informationsfeldern, auf die sich der IATI-Standard bezieht, gibt es keine Datenschutzbedenken. Sollten einige Daten dennoch vor der Öffentlichkeit geschützt bleiben, so kann man die jeweilige Datenbank so einstellen, dass genau diese Informationen nicht für jedermann zugänglich sind.

Der Einwand, dass es keinen Bedarf an mehr öffentlichen Daten gäbe, ist dagegen falsch. Zu dem Thema findet schon der Accra-Aktionsplan deutliche Worte. Auch die aktuelle OECD-Evaluierung ist eindeutig. Gewichtiger als diese gängigen Einwände ist das Argument, dass für bessere Rechenschaftslegung mehr nötig ist als nur Transparenz. Zu den relevanten Bausteinen ­gehören eine aktive Zivilgesellschaft, Informationsfreiheit und ihre egalitäre Nutzung sowie eine funktionierende Justiz.

Diese Bedingungen sind in vielen Entwicklungsländern nicht gegeben. Wo aber beispielsweise der Zugang zu mehr Informationen auf eine Elite beschränkt ist, kann öffentliche Transparenz bestehende Machtgefälle zu Lasten der Armen verstärken. Das spricht jedoch nicht gegen Transparenz als solche, sondern zeigt, dass mehr als Transparenz nötig ist. Karin Christiansen, die Direktorin von PublishWhatYouFund, sagte während der Weltbanktagung im Frühling zu Recht: „Transparenz alleine kann nicht Armut bekämpfen, Rechenschaftslegung stärken, Korruption eindämmen, die Geber-Koordination verbessern und die Effizienz steigern. Aber es ist nicht ersichtlich, wie wir all diese Ziele ohne Transparenz erreichen sollen.“

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