Steuerabkommen

Der wahre Preis von Verwaltungsgebühren

Steuerabkommen sollen zwei Zwecken dienen: Sie sollen Doppelbesteuerung und Steuerflucht verhindern. In der Praxis jedoch handelt es sich eher um Nicht-Besteuerungs-Abkommen.
Blühende Steuervermeidungsindustrie: kenianische Blumenfarm. picture-alliance/Photoshot Blühende Steuervermeidungsindustrie: kenianische Blumenfarm.

Steuern sind wie ein Kuchen. Jeder will ein Stück abhaben, aber man will nur denen etwas abgeben, die man mag. Wenn jeder etwas bekommt, ist der Kuchen schnell alle. Deshalb schließen Staaten Steuerabkommen, die festlegen, welches Land welchen Bereich eines internationalen Geschäfts besteuern darf.

Steuerabkommen sind komplexe Rechtsverträge. Grob gesagt, unterscheiden sie aktive von passiven Einkünften. Normalerweise darf ein Gastgeberland die in seinen Grenzen stattfindenden Unternehmensaktivitäten besteuern, während der Staat, in dem der Unternehmenssitz liegt, Steuern auf Dividenden, Lizenzen, Zinszahlungen und andere passive Einkünfte erheben darf. Die passiven Einkünfte reduzieren den im Gastgeberland gemachten Gewinn, wodurch sich wiederum die dort zu versteuernde Summe reduziert.

Mit Hilfe von „Verwaltungsgebühren“ können die passiven Einkünfte gesteigert werden. Dabei erhebt ein ausländisches Unternehmen etwa von seinen afrikanischen Tochterfirmen Gebühren für alle Art von Dienstleistungen und zieht so Gewinne aus dem Gastgeberland ab. Multinationale Konzerne wie Google, Amazon oder Starbucks nutzen Verwaltungs- und Lizenzgebühren dazu, ihre Gewinne in Steueroasen zu verlagern. Dabei behaupten sie, dass ihre Tochterfirmen für geistiges Eigentum, Management-Dienstleistungen und anderes zahlen – in Wahrheit jedoch betreiben die multinationalen Konzerne in den Steueroasen keine nennenswerten Aktivitäten.

Kenia gehört zu den größten Schnittblumenexporteuren in die Europäische Union. Trotzdem zahlen die meisten Blumenunternehmen keine Steuern in Kenia. Die ausländischen Eigentümer, meist Niederländer, stellen das Kapital zur Verfügung und verschieben die Gewinne, indem sie von den kenianischen Blumenunternehmen alle möglichen Gebühren erheben. Im Sinne der Buchhaltung machen sie in Kenia keine Gewinne. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sie in den Niederlanden Steuern zahlen. Die Steuersysteme der Industriestaaten haben allerlei Schlupflöcher, mit denen sie sich ihre eigenen Steueroasen schaffen. Die Niederlande sind bekannt als Niedrigsteuerland.

Kenia braucht dringend Steuereinnahmen für den Ausbau der Infrastruktur und staatliche Dienstleistungen. Aber in einem wesentlichen Teil der Wirtschaft werden zahlreiche Firmen gar nicht besteuert. Das ist nicht gerecht – aber völlig legal.

Es wäre falsch, nur die Regierungen der reichen Länder für diese traurige Lage verantwortlich zu machen. Auch afrikanische Regierungen haben die Abkommen unterschrieben. Die Wahrheit ist, dass vor allem die Eliten von ihnen profitieren, weshalb die Afrikanische Union (AU) kaum ein starker Partner für positive Veränderung in internationalen Steuerfragen sein dürfte. Schließlich sind die Entscheidungsträger in der AU diejenigen, die Geld auf Schweizer Bankkonten haben.

Steuerabkommen haben häufig Schlupflöcher. In Kombination mit nationalen Schlupflöchern werden sie dadurch zu doppelten Nicht-Besteuerungs-Abkommen. Die gute Nachricht ist, dass afrikanische Staaten mit dem Schließen ihrer Schlupflöcher begonnen haben. Wenn die Steuerbehörden sich anstrengen, ihre Verrechnungspreissysteme zu verbessern, können sie Geld von den multinationalen Konzernen zurückholen. Kenia war damit gerade recht erfolgreich.

Auf der anderen Seite sind afrikanische Staatenlenker versucht, selbst Steueroasen zu schaffen. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ist vor den Wahlen in Kenia im Sommer ein Gesetz über die Gründung des Nairobi International Financial Centre verabschiedet worden. Was offiziell ein international wettbewerbsfähiger Finanzplatz sein soll, wird in Wahrheit eine Steueroase sein. Dort registrierte Firmen genießen strenge Vertraulichkeit und unterliegen nicht der Aufsicht der Zentralbank. Ranghohe Politiker, darunter der Staatspräsident, sitzen im Vorstand.

Sie sind entschlossen, ihre eigene Steueroase zu schaffen, aber ob es ihnen gelingt, bleibt abzuwarten. Kenianer sind bekannt für ihre Streitlust. Und das neue Finanzzentrum wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht landen.


Catherine Ngina Mutava ist Vize-Direktorin des Zentrums für Steuer-forschung an der Strathmore-Universität in Nairobi.
cmutava@strathmore.edu

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