Amazonien

Wald- und Klimaschutz

Rund 15 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entstehen durch Zerstörung des Tropenwaldes. Die fünf Millionen Quadrat­kilometer Amazonaswald in Brasilien müssen geschützt werden, damit sie weiter Kohlenstoff fixieren und vermeiden, dass Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt. Die Waldschutz-Projekte sollten jedoch an die Heterogenität der Region angepasst werden. Integrale Ansätze bieten sich an.

Von Thomas Jaeschke und Heike Friedhoff

Brasilien hat in den letzten Jahren viel für den Klimaschutz getan. Beispielsweise hat es nationale Ziele zur Emissionsminderung festgelegt. Damit hat das Land vor den Klimaverhandlungen in Kopenhagen den Anspruch erhoben, die internationale Klimapolitik aktiv mitzugestalten, und seine Vorreiterrolle unter den Schwellenländern unterstrichen. Die mittlerweile in nationales Recht umgesetzten Ziele sehen vor, dass Brasi­lien seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 36,1 bis 38,9 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 2005 senkt. Bis dahin plant Brasilien, die Entwaldung in Amazonien um 80 Prozent zu reduzieren.

Doch die Agrarlobby Brasiliens ist sehr stark und nimmt Einfluss auf die Regierungspolitik. Dies zeigt sich an der Diskus­sion um das Waldgesetz: Die Lobby ­möchte, dass Schutzgebiete eingeschränkt werden und Umweltsünder, die in der Vergangenheit abgeholzt haben, straffrei ausgehen. Eine große Gefahr für den Wald und die Bevölkerung sind außerdem große Infrastrukturprojekte, wie der Bau von Bundesstraßen oder von Wasserkraft­werken, deren Kosten-Nutzen-Verhältnis
ohnehin oftmals umstritten ist – unter anderem aufgrund des Klimawandels.

Reich ist der Wald, nicht der Boden

Im brasilianischen Amazonien leben fast 25 Millionen Menschen, und die Region hat sowohl wirtschaftlich wie geopolitisch eine große und weiter wachsende Bedeutung. Dies zeigt sich auch an den großen Investitionen der Interamerikanischen Entwicklungsbank sowie ihrem brasilianischen Gegenstück in Infrastruktur.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Amazonasregion beträgt acht Prozent des nationalen BIP und ist in den letzten Jahren doppelt so stark gewachsen wie in ­anderen Regionen. Gleichzeitig stammen nach Studien des Instituts IMAZON jedoch 75 Prozent der nationalen CO2-Emissionen aus der Amazonasregion. Die Gemeinden mit den größten abgeholzten Flächen liegen zudem unter dem regionalen Durchschnitt des BIP und des Human Development Index.

Mit 38 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze hat in der Region das traditionelle Entwicklungsmodell der Rohstoffexporte nicht ausreichend gefruchtet. Für Amazonien galt bis vor nicht allzu langer Zeit von staatlicher Seite das Motto: Nur abgeholzte Flächen, auf denen zum Beispiel Soja angepflanzt oder Vieh gehalten wird, können wirtschaftlich sein. Dieses Verständnis von Entwicklung, das von Großgrundbesitzern und ihrer einflussreichen politischen Lobby – den so genannten Ruralistas – geteilt wird, steht im Gegensatz zu dem der traditionellen Bevölkerungsgruppen wie Sammlern, Flussbewohnern und Indigenen, die seit jeher um den wirklichen Wert des Waldes wissen und versuchen, im Einklang mit ihm zu leben.

Da sowohl internationale als auch nationale Umweltbewegungen Druck ausüben und die Bedeutung Amazoniens für das Weltklima zunehmend anerkannt wird, werden auch die Anliegen dieser traditionellen Bevölkerungsgruppen stärker gehört. Die politische Agenda Brasiliens legt Wert auf den Schutz des Tropenwaldes und dessen nachhaltige Nutzung. Heute sind etwa 42 Prozent Amazoniens Schutzgebiete, was die Abholzung effektiv eindämmt. Und auch die amazonischen Kleinbauern denken um und wollen den Wald nachhaltig bewirtschaften. Nach und nach setzt sich die Überzeugung durch, dass der Wald und seine Produkte mittel- und langfristig rentabler sind als abgeholzte Flächen, die meist nur ein paar Jahre lang bewirtschaftbar sind, da der Boden sehr schnell seine Nährstoffe verliert.

Der komparative Vorteil Amazoniens liegt über der Erde – also im Wald, nicht im Boden. Brasilien muss den Amazonaswald nicht nur zur Klimastabilisierung erhalten, sondern auch, um das wirtschaftliche Wachstum anzukurbeln und die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung zu ­verbessern. Seit vielen Jahren engagieren sich zivilgesellschaftliche und staatliche Organisa­tionen in Amazonien für den Walderhalt und werden dabei von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt.

Es geht um mehr als lediglich Maßnahmen zum Waldschutz: Die Vorhaben, bei denen die Zielgruppen (traditionelle Bevölkerung und Kleinbauern) von Anfang an miteinbezogen werden, fördern über nachhaltige Waldnutzung und Landwirtschaft hinaus auch Demokratie und Wertschöpfungsketten. Nachhaltige Entwicklung im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinne kann es nur geben, wenn alle drei Dimensionen in einem integralen Ansatz zusammenkommen.

Nachhaltige Nutzung schützt den Tropenwald, wenn beispielsweise die Bewirtschaftung von Holz- und Nichtholz­produkten (etwa Naturöle, Nüsse und Kautschuk) angepasst wird, wenn Kleinproduzenten ihre Wälder besser verwalten oder die Nutzungspläne in Schutzgebieten partizipativ erstellt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Dazu zählen kleinflächige Produktionen für den Eigenbedarf ebenso wie die von Regierungsprogrammen geförderten Cashcrops (für den Verkauf bestimmte Güter wie Kakao) in den Siedlungen. Diese sollten agroökologische und Agroforstsysteme einführen.

Nur wenn die Bevölkerung an der Politik zur Walderhaltung beteiligt ist, werden die Pläne auch sicher umgesetzt. Das gilt etwa, wenn Bewirtschaftungspläne für Schutzgebiete erstellt werden. Deshalb tragen die Projekte auch zur Demokratieförderung bei. Sie setzen sich dafür ein, Basisorganisationen institutionell zu stärken, die Zivilgesellschaft an Beiräten und anderen Gremien zu beteiligen sowie den Dialog zwischen nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren auszuweiten.

Schließlich fördern die Projekte auch bestimmte Wertschöpfungsketten. Die ­Berater helfen, geeignete Organisations­formen zu finden, die verschiedenen ­Akteure der Wertschöpfungskette einzubinden sowie die Produkte zu verarbeiten und zu vermarkten. Die Produktion muss zwar an der Marktnachfrage ausgerichtet sein, gleichzeitig aber umweltverträglich gestaltet werden und darf die lokalen ­Kapazitäten nicht überschreiten. Aufgrund der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen „Megadiversität“ der Amazonasregion sollten Vorhaben schon bei der Planung mehrere Wertschöpfungsketten anvisieren.

Lokale Ansätze sind gefragt

Amazonien ist keine homogene grüne ­Fläche mit einheitlicher Bevölkerung und man darf nicht in Versuchung kommen, Pauschallösungen zu suchen, die diese ­Diversität nicht berücksichtigen. Vielmehr müssen lokale Lösungen erarbeitet werden, die weder die globale Bedeutung der Region noch die verschiedenen Ziel­gruppen (Indigene, Sammler oder Klein­bauern) außer Acht lassen.

Auch neue Entwicklungen müssen in die Planungen zum Walderhalt einfließen. Die UNFCCC-Verhandlungen über REDD (Reduction of Emissions from Deforestation and Degradation) sehen die Bezahlung von Umweltdienstleistungen wie die Kohlendioxidspeicherung vor. Sie zeigen zahlreiche neue Chancen und Risiken auf.

Es besteht unter anderem die Gefahr, dass Waldflächen, die gut geschützt wurden (wie Schutzgebiete), von REDD-Vorhaben ausgeschlossen werden. Grundsätzlich muss gewährleistet werden, dass alle Finanzierungen und Kompensationen transparent und gerecht implementiert werden und denjenigen, die den Wald lokal schützen, zugute kommen. Dafür muss der Dialog zwischen der lokalen, nationalen und internationalen Ebene gefördert werden, sowohl durch ge­meinsame Austauschplattformen als auch durch die Stärkung der lokalen Akteure für eine qualifizierte Beteiligung. Um Transparenz zu erreichen, müssen außerdem Technologien entwickelt werden, die Daten verlässlich prüfen, ohne zu teuer zu sein. Die REDD-Mechanismen können schon deswegen nicht alle Probleme lösen, weil die Kohlenstofffixierung nicht die einzige Umweltdienstleistung der Wälder ist. Deshalb muss REDD mit anderen Strategien zur nachhaltigen Entwicklung kombiniert und integrale Ansätze gefunden werden.

Schließlich müssen die Vorhaben auch an Klimaveränderungen angepasst werden. Aktuelle Schätzungen des Forschungsinstituts IPEA zeigen eine Stei­gerung der Durchschnittstemperatur in Amazonien um sieben bis acht Grad Celsius bis zum Jahr 2100. Das kann unter anderem die Regenzyklen und den Wasserspiegel beeinflussen, was wiederum das Leben der lokalen Bevölkerung beeinträchtigen wird.

Es ist nicht einfach, die guten Erfahrungen im Sinne des Mehrebenenansatzes in die öffentliche Politik einfließen zu lassen, doch nur so können sie in größerem Rahmen umgesetzt werden und bleiben keine Einzelfälle. Die bessere Verzahnung der Instrumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit durch die Fusion kann neue Möglichkeiten für die Amazonien-Klima-Strategie bieten.

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