Kommunale Entwicklungspolitik

„Begegnung auf Augenhöhe“

Bonn ist mittlerweile der Sitz von 19 UN-Organisationen. Viele deutsche Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit sind ebenfalls hier angesiedelt. Ihr Profil als deutsche „Nord-Süd“-Stadt schärft die ehemalige Bundeshauptstadt aber auch mit eigenen Initiativen, wie der Oberbürgermeister im Interview erläutert.


[ Interview mit Jürgen Nimptsch ]

Warum unterhält die Stadt Bonn Partnerschaften mit Städten in Entwicklungsländern?
Wir möchten nicht nur ein guter Standort für Entwicklungsorganisationen sein, sondern auch selbst einen Beitrag für eine sozial gerechte, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung leisten. Daher hat der Rat der Stadt Bonn bereits im Jahr 1999 ein „Konzept für internationale Kontakte“ beschlossen, das die projektbezogene Zusammenarbeit mit Städten aus Schwellen- und Entwicklungsländern vorsieht. Heute unterhält Bonn im Rahmen dieses Konzepts Partnerschaften mit La Paz (Bolivien), Cape Coast (Ghana), Buchara (Usbekistan), Chengdu (VR China), Minsk (Weißrussland) und Ulan Bator (Mongolei).

Wie unterstützt Bonn die Partner?
Schwerpunkte der Zusammenarbeit bilden die Bereiche Kultur, der Jugend- und Jugendexpertenaustausch sowie der Erfahrungsaustausch in kommunalen Aufgabenfeldern wie etwa Umwelt- und Klimaschutz, die Förderung eines nachhaltigen Tourismus, die Qualifizierung von Verwaltungsfachkräften und andere Dinge. Dabei arbeiten wir eng mit den Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Bonn und in unseren Partnerstädten zusammen. Ein Beispiel hierfür ist der Austausch von Umweltexperten zwischen Bonn und Chengdu, der nun bereits im dritten Jahr mit Unterstützung von InWEnt durchgeführt wird. Dabei geht es uns nicht darum, Aufgaben von EZ-Organisationen in unseren Partnerstädten zu übernehmen. Vielmehr möchten wir einen kleinen, aber sinnvollen Beitrag zum Erfahrungsaustausch und zur Stärkung kommunaler Strukturen leisten.

Was werten Sie als den bisher größten Erfolg?
Erfolge gibt es viele. Ich bin erst vor wenigen Tagen von einem Besuch aus Buchara zurückgekehrt. Dort habe ich eine Schule besucht, die gemeinsam mit einer Bonner Realschule über zwei Jahre hinweg an einem Projekt zur Energieeinsparung und zur Nutzung erneuerbarer Energien gearbeitet hat. Die Schule in Buchara verfügt heute nicht nur über moderne Unterrichtsmaterialien, die gemeinsam von Lehrern und Schülern aus beiden Städten erarbeitet wurden, sondern auch über eine eigene Solaranlage, mit der sie Solarstrom erzeugen und ins öffentliche Stromnetz einspeisen kann. Die Hälfte dieser „Verkaufserlöse“ fließt an die Schule zurück und kann für eigene Projekte verwendet werden. In Bonn nutzen wir dieses Fifty-Fifty-Projekt schon länger und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Es war eine große Freude zu sehen, wie stolz die Schülerinnen und Schüler auf dieses Projekt sind, das übrigens weit über Bonn und Buchara hinaus Anerkennung gefunden hat und bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Im September wollen wir das Projekt mit Schülern aus Bonn und Buchara auf der Internationalen Weltausstellung EXPO 2010 in Shanghai vorstellen. Wer mehr über dieses Projekt erfahren möchte, dem empfehle ich einen Besuch auf http//:www.spice.bonn.de

Welche Rolle spielt Klimaschutz für die Städtepartnerschaften?
Klimaschutz ist ein zentrales Thema in unseren Partnerschaftsaktivitäten. Neben dem bereits erwähnten Schulprojekt mit Buchara und dem Austausch von Umweltfachkräften mit Chengdu führen wir auch mit anderen Partnerstädten einschlägige Projekte durch. Dahinter steckt die Überzeugung, dass wir Kommunen von den Folgen des Klimawandels am unmittelbarsten betroffen sind. Dies gilt natürlich ganz besonders für Kommunen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Stadt Bonn organisiert deshalb seit Jahren in die Kooperation mit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von InWEnt und mit dem Dachverband ICLEI – Local Governments for Sustainability Bürgermeisterkonferenzen zu Themen wie Klimaschutz, Frühwarnung vor Naturkatastrophen und Erhalt der biologischen Vielfalt. Ich selbst engagiere mich als stellvertretender Vorsitzender des Weltbürgermeisterrates zum Klimawandel (WMCCC) und als Mitglied im Konvent der Bürgermeister zum Klimaschutz, einer Initiative der Europäischen Kommission, international. Darüber hinaus unterhält die Stadt Bonn zahlreiche Projekte und Maßnahmen zum Klimaschutz auf lokaler Ebene, über die wir regelmäßig in unserem Nachhaltigkeitsbericht Rechenschaft ablegen.

Good Governance ist ein Kernthema der Entwicklungspolitik – wie fließt es in die Städtepartnerschaften ein?
Gute Regierungsführung fängt auf der kommunalen Ebene an. Städte und Gemeinden bilden die staatliche Ebene, die den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten steht. Kommunen können Vorreiter sein, zum Beispiel, wenn es um die Förderung von Transparenz und Bürgerbeteiligung geht. Als Bonner Oberbürgermeister liegt mir das Thema Bürger¬beteiligung ganz besonders am Herzen. Dass wir dabei auch vom Süden lernen können, zeigt die Idee des Bürgerhaushaltes, die in den vergangenen Jahren in immer mehr deutschen Kommunen Anwendung findet. An dieser Stelle möchte ich der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt einen herzlichen Dank dafür aussprechen, dass sie uns Kommunen zum Thema Bürgerhaushalt seit Jahren engagiert begleitet und berät. Eine weitere Stärke kommunaler Zusammenarbeit liegt für mich in der Begegnung auf Augenhöhe. Wo Bürgermeister, Verwaltungsexperten, Bürgerinnen und Bürger von gleich zu gleich aufeinander treffen, wachsen Akzeptanz, Vertrauen und Verlässlichkeit.

Wie unterstützen die Bonner Bürger/innen die Städtepartnerschaften?
Unsere Partnerschaften sind eng mit der Bürgerschaft vernetzt. Für jede Partnerschaft gibt es einen eigenen Verein, der das bürgerschaftliche Engagement bündelt. Die Unterstützung unserer Projektpartnerschaften durch die Bonner Bürgerinnen und Bürger ist sehr vielfältig und reicht von Bürgerreisen und -begegnungen über Kultur- und Vortragsveranstaltungen bis hin zur Durchführung von gemeinsamen Projekten. Auf diese Weise tragen die Vereine dazu bei, dass unsere Partnerschaften ein „Gesicht“ bekommen, dass Kultur und Tradition der Partnerstädte lebendig werden. So feiert zum Beispiel die Deutsch-Usbekische Gesellschaft jedes Jahr das traditionelle Nawruz-Fest in Bonn mit mehreren hundert Gästen. Auch zahlreiche Bonner Schulen unterhalten Partnerschaften in unseren Partnerstädten und sorgen so dafür, dass die Partnerschaften auch auf die nachkommenden Generationen übertragen werden.

Welche Rolle spielen Migranten bei den Städtepartnerschaften?
Bonn ist eine multikulturelle Stadt. Menschen aus über 170 Nationen leben in Bonn, zahlreiche davon aus Entwicklungsländern. Viele dieser Migrantinnen und Migranten unterstützen Menschen in ihrer Heimat durch entwicklungspolitische Projekte und andere Kontakte, wie zum Beispiel durch den Transfer von Geld, Materialien oder Know-how. Diese Menschen sind Brückenbauer zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Sie haben Kompetenzen entwickelt, die sowohl für die Integration vor Ort als auch für den Austausch mit Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika von Bedeutung sind. Auch Eine-Welt-Initiativen üben hier eine wichtige Funktion aus. Daher ist es unser Ziel, Migrantinnen und Migranten noch stärker als bisher in die kommunale Entwicklungs¬zusammenarbeit einzubeziehen. Die Stadt Bonn hat sich im vergangenen Jahr an einem Modellprojekt der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt zur interkulturellen Kompetenzbildung in deutschen Kommunen beteiligt. Ziel des Projektes ist es, die Zusammenarbeit zwischen Migrantenorganisationen, Eine-Welt-Initiativen und anderen Akteuren aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern, und Möglichkeiten zur Vernetzung und Begegnung zu schaffen. Wie sinnvoll und nützlich diese Vernetzung ist, zeigt sich in der Arbeit der Partnerschaftsvereine, in denen sich bereits heute zahlreiche Menschen aus unseren Partnerstädten aktiv einbringen.

Relevante Artikel

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.