Gesundheit

Zika und die Pharmaforschung

Das öffentliche Interesse am Zika-Virus ist groß. In Brasilien sorgt sich die Bevölkerung; in Genf denkt die Weltgesundheitsorganisation WHO über einen Notfallplan nach. Wichtig ist aber auch, was Zika für die Forschung bedeutet.
Von Christian Wagner-Ahlfs
Brasilianisches Baby: Zika steht im Verdacht, bei ungeborenen Kindern das Gehirnwachstum zu bremsen („Mikrozephalie“). Dana/AP Photo/picture-alliance Brasilianisches Baby: Zika steht im Verdacht, bei ungeborenen Kindern das Gehirnwachstum zu bremsen („Mikrozephalie“).

Es gibt bisher weder einfach zu handhabende Diagnostik noch Therapie. Impfungen wurden auch noch nicht entwickelt. Das verwundert nicht weiter, da Zika bisher nicht als Problem wahrgenommen wurde. Solche Situationen wird es künftig immer wieder geben, denn die Natur bietet ein schier unerschöpfliches Reservoir an Erregern, die bisher keine Sorgen bereiten, das aber eines Tages tun können. Zika ist seit langem bekannt – aber nun besteht der Verdacht, dass es nicht nur vergleichsweise harmlose Hautausschläge und Fieber verursacht, sondern bei ungeborenen Babys zu schweren Missbildungen führen kann.

Für Fälle wie Zika ist öffentliche Forschungsförderung nötig. Nur so kann sichergestellt werden, dass im Ernstfall neue Medikamente, Impfungen und Diagnostik schnell, günstig und weltweit verfügbar gemacht werden.

Zika betrifft aufgrund der Übertragungswege bisher hauptsächlich Menschen in tropischen Regionen, und dort vor allem Wohngebiete mit hoher Armut. Es gibt Analogien zu Ebola und zu den so genannten vernachlässigten Krankheiten. Das sind tropische Infektionskrankheiten, die längst bekannt sind und viele Menschen betreffen – aber eben die Industrieländer nicht plagen. Deshalb interessiert sich die kommerzielle Forschung nicht für sie.

Die WHO warnt, die Initiative dürfe in solchen Fällen nicht allein den Pharmaunternehmen überlassen werden. Deren Geschäftsmodell, bei dem Forschungskosten dank exklusivem Patentschutz wieder hereingeholt werden, funktioniert hier nicht. Obendrein bedeutet Exklusivität, Menschen bewusst auszugrenzen.

Für Krankheiten, die vor allem ärmere Länder betreffen, hat die Weltgesundheitsversammlung 2008 eine Strategie und einen globalen Aktionsplan veröffentlicht. Dabei spielen neue Forschungsanreize eine wichtige Rolle. Die Diskussion darüber, wie günstige Pharmaka entwickelt und breiter Zugang sichergestellt werden kann, kommt seither voran. Für die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern ist sie existenziell wichtig.

Für einige Krankheiten gibt es inzwischen Produktentwicklungspartnerschaften von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren. Das Geld kommt meist von staatlicher Seite und Stiftungen. Pilotprojekte testen, wie sich neue Behandlungen ohne Patentschutz entwickeln lassen. Dabei geht es um Fragen, für die sich börsennotierte Unternehmen typischerweise nicht interessieren:

  • Wie lassen sich Produktpreise von hohen Forschungskosten abkoppeln („delinkage“)?
  • Welche Finanzierungsmechanismen sind sinnvoll („pooled funding“, Prämien et cetera)?
  • Wie können Forschungsergebnisse und Studiendaten schnell und kostenfrei allen interessierten Akteuren zugänglich gemacht werden („open knowledge“)?

Es geht um Forschungspolitik im Dienst der öffentlichen Gesundheit. Ein Pilotprojekt, um eine Schistosomiasis-Impfung zu entwickeln, läuft derzeit in Brasilien. Dabei gewonnene Erfahrungen lassen sich sicherlich auf die Zika-Forschung übertragen.

Auch bei Ebola wäre die Forschung ohne zügige staatliche Förderung übrigens kaum vorangekommen. 2014 wurden 165 Millionen Dollar in die Ebola-Forschung gesteckt. Davon kamen 118 Millionen Dollar aus Staatskassen, und zwar fast ausschließlich aus dem US-Haushalt.

Die Diskussion über Alternativen zur patentorientierten Pharmaforschung ist lebenswichtig. Klar ist: Wir brauchen ein System, das sich nicht primär an multinationalen Konzerninteressen orientiert, sondern den globalen gesundheitlichen Bedarf in den Mittelpunkt stellt. Die Menschheit braucht bezahlbare Produkte ohne Exklusivität. Konzepte, die auf möglichst hohe Preise und Profite abzielen, sind destruktiv.

Öffentliche Finanzierung ist unverzichtbar. Es wäre sinnvoll, einen internationalen Fonds einzurichten, um wichtige Projekte gemeinsam zu finanzieren. Krankheitserreger kennen keine Grenzen – und Gesundheit geht alle an.


Christian Wagner-Ahlfs arbeitet für die zivilgesellschaftliche BUKO Pharma-Kampagne.
cw@bukopharma.de


Link:
Strategie und Aktionsplan der Weltgesundheitsversammlung:
http://apps.who.int/gb/CEWG/pdf/A61_R21-en.pdf
 

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