Leserbrief

Kuriositäten verfehlter Dezentralisierung in Benin

Betr.: Schwerpunkt „Streit um Steuern“, E+Z/D+C e-Paper 2018/01
Eintrittskarte mit Touristensteuer. Bliss Eintrittskarte mit Touristensteuer.

An einem Sonntag im vergangenen November habe ich in Abomey, Benin, die historischen Königspaläste des alten Dahomé besucht, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Ich zahlte für meinen Eintritt 1500 CFA-Franc (circa 2,25 Euro), um dann an der Kasse erneut zu einer Extrazahlung aufgefordert zu werden: bitte 1000 CFA-Franc als Tourismussteuer, das habe der Bürgermeister von Abomey kürzlich verordnet. Immerhin ein Aufschlag von zwei Dritteln. Das Foto zeigt diese nun zu einem Politikum gewordene Eintrittskarte für den bedeutenden historischen Komplex. Politikum, warum?

Ein durchgehender Diskussionspunkt in Ihrem Schwerpunkt ist der negative Zusammenhang zwischen politisch-administrativer und fiskalischer Dezentralisierung. Der Zentralstaat – so auch in Benin – tritt Rechte und vor allem bisher von ihm wahrgenommene Aufgaben an die Kommunen ab. Gleichzeitig sind aber Regierung und Parlament nicht bereit, die für die Wahrnehmung der Aufgaben benötigten Mittel ebenfalls weiterzureichen. Dies hat in der Regel und ganz besonders in den Staaten Subsahara-Afrikas zweierlei Konsequenzen: Zum einen sind die Kommunen gezwungen, sich selbst Einnahmequellen zu schaffen, zum anderen gelingt dies aber in der Praxis nirgendwo in hinreichendem Umfang, sodass die delegierten beziehungsweise übertragenen Aufgaben allenfalls rudimentär wahrgenommen werden können. Schulen und andere Gebäude verrotten, Trinkwassersysteme werden nicht gewartet, und öffentliche Anlagen verwahrlosen. Übrigens hat der Bürgermeister von Abomey auch für Letzteres eine Lösung: Kaum steigt jemand aus seinem Auto, um ein Denkmal zu fotografieren, kommt eine städtische Angestellte mit einem Ticketblock, um eine Gebühr „für den Unterhalt der Anlage“ zu erheben.

Im Fall des UNESCO-Kulturerbes hat die Gebühr die Besucherzahlen drastisch sinken lassen; vor allem einheimische Touristen kamen nach Auskunft eines Museumsführers so gut wie gar nicht mehr, denn sie mussten die Gebühr auch auf die für sie deutlich billigeren Grundtickets von 500 CFA-Franc bezahlen. Dies hat den Bürgermeister zwischenzeitlich – im März 2018 – zum Umdenken und zur kommentarlosen Streichung der Gebühr veranlasst. Der Versuch, eigene Einnahmen für die Kommune zu erzielen, ist hier offenkundig gescheitert und hat nicht einmal allzu großen Schaden angerichtet.

In den meisten Fällen allerdings sind die Schäden durch die mangelhafte fiskalische Dezentralisierung und die Versuche der Kommunen, wenigstens einen Teil des Defizits auszugleichen, immens. Und die internationale Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Kommunen auch noch häufig dabei, diese Schäden zu vergrößern. Überall in Benin finden sich zum Beispiel nagelneue Marktgebäude, meistens am Rande eines ländlichen Zentrums, deutlich erkennbar an den Hinweisschildern „geberfinanziert durch ...“, oft erkennbar niemals bisher genutzt – bis auf ein paar Ziegen, die dort Schatten suchen.

Hinter solchen Infrastrukturgeschenken (es gibt auch viele andere wie Gewerbe-hangars oder „Autohöfe“) steckt die Idee, den Kommunen die Möglichkeit zu eröffnen, für ihre Nutzung Gebühren einzuziehen und damit das eigene Budget aufzubessern. Die Wirkungen sind das Gegenteil von Entwicklung beziehungsweise Armutsminderung: Der zumeist armen ländlichen Bevölkerung werden für dringend benötig­te Dienstleistungen – vormals einfachste Marktflächen oder ein staubiger Platz als Rast- und Warenumschlagplatz für Transportfahrzeuge – auf einmal saftige Gebühren abverlangt. Das Beispiel einer Marktfrau aus Atakora: Sie macht mit Maniok-Knollen einen Tagesumsatz von 1200 CFA-Franc (circa 1,80 Euro). Der Gewinn bei vier Stunden Anmarsch und Nachhauseweg beträgt etwa die Hälfte. Nun will der Bürgermeister von ihr aber 300 CFA-Franc am Tag als Standgebühr in seinem neuen Markt. Damit reduziert sich ihr Einkommen um genau die Hälfte. Und deshalb stehen sehr viele Anlagen leer. Andere werden genutzt, aber nur, weil es keine Alternative gibt – und immer zahlen die Ärmsten drauf.

Frank Bliss, Remagen


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