Interview

„Das Rad nicht neu erfinden“

Zivilgesellschaftliche Kritiker sehen Multi-Akteurs-Partner­schaften wie etwa Public-Private-Partnerships (PPPs) mit großer Skepsis, weil sie meinen, diese dienten vor allem Unternehmens­interessen. Sie übersehen aber, dass es auch entwicklungs­politisch wertvolle Partnerschaften gibt. Aus Sicht von Marianne Beisheim von der Stiftung Wissenschaft und Politik kommt es darauf an, aus positiven und negativen Erfahrungen zu lernen.
Der Impfschutz hat in Entwicklungsländern dank der GAVI Alliance deutlich zugenommen. Manpreet/AP photo/picture-alliance Der Impfschutz hat in Entwicklungsländern dank der GAVI Alliance deutlich zugenommen.

Was ist an der Kritik der zivilgesellschaftlichen Organisationen dran?
Partnerschaften basieren auf Win-win-Konstellationen, die für alle Seiten Vorteile bieten. Selbstverständlich sind die Interessen der verschiedenen Partner nicht identisch, und ja, Unternehmen wollen Gewinn machen und ihr Image aufpolieren. Das ist auch in Ordnung, wenn das den gemeinsamen Zielen nicht widerspricht. Die Gretchenfrage ist, ob für die örtliche Bevölkerung ein entwicklungspolitischer Vorteil entsteht.

Ist das denn gewährleistet?
Nein, das wird nicht immer erfüllt. In Ihrem Augustheft hat Marita Wiggerthale von Oxfam die German Food Partnership scharf kritisiert, und hier kann man tatsächlich die Frage stellen, ob diese Partnerschaft optimal auf die Anliegen der armen Agrarbevölkerung in Entwicklungsländern ausgerichtet ist. Es ist aber falsch, die Kritik zu pauschalisieren und aus Schwächen einzelner Partnerschaften zu schließen, dass der ganze Partnerschaftsansatz nichts taugt.

Was muss passieren, damit er funktioniert?

  • Grundsätzlich darf die Verantwortung von Staaten und die Verbindlichkeit multilateraler Abkommen nicht verdrängt werden. Bei PPPs sind Regierungsvertreter nicht einfach nur ein Partner unter anderen. Sie tragen die Letztverantwortung für die notwendige Rahmenregulierung und Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen.
  • Alle Partner sollten aus Erfahrung lernen. Ein angepasstes Design, begleitendes Monitoring, Evaluierung und so weiter sind wichtig. PPPs müssen als lernende Initiativen angelegt sein. Dabei muss auch lokales Wissen von Anfang an eingebunden werden.

Wenn beides erfüllt ist, können PPPs tatsächlich einen Mehrwert bringen. Die Kritiker übersehen oft, dass der Ansatz ja überhaupt nur entstanden ist, weil es vielfach Grund zur Unzufriedenheit mit staatlichen, aber auch multilateralen Leistungen gibt. Das betrifft nicht nur schwache Staatlichkeit und dysfunktionale Regierungsführung in Entwicklungsländern. Auch die Geber haben Versprechen nicht eingehalten. Das betrifft zum Beispiel das Kyoto-Protokoll zur Vermeidung von Klimagasen oder die alte Zusage, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Official Development Assistance (ODA) bereitzustellen. Angesichts all dieser Defizite ist aber auch klar, dass wir, um wirklich nachhaltige Entwicklung zu erreichen, alles nutzen müssen, was der nötigen Transformation dient. Wenn Partnerschaften dafür einen Mehrwert schaffen, dürfen wir darauf nicht verzichten.

Wie hoch ist denn die Erfolgsquote?
Bei der UN Commission on Sustainable Development konnten sich Partnerschaften in einer Datenbank eintragen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass etwa ein Drittel der dort gelisteten rund 340 Partnerschaften Karteileichen waren und ein weiteres Drittel nur wenig Sinnvolles zustande gebracht hat. Ein gutes Drittel hat aber den angestrebten Beitrag geleistet, und unter diesen waren sehr innovative Partnerschaften. Es gilt, deren Erfolgsfaktoren zu analysieren, um das Modell weiterzuentwickeln und auszubauen.

Für welche Dinge bewähren sich PPPs denn?

  • Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Arten von PPPs, und Erfolgsbeispiele lassen sich für alle drei nennen.
  • PPPs können dazu dienen, Projekte durchzuführen und Dienstleistungen bereitzustellen. Prominente Erfolgsbeispiele sind etwa die Impfpartnerschaft GAVI und der Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria.
  • Partnerschaften können auch Wissens- und Erfahrungsaustausch als Ziel haben. Der Global Compact, der unter anderem Menschenrechtstrainings für Unternehmen organisiert, oder die Global Water Partnership, die sich für das integrierte Management von Wasserressourcen einsetzt, sind wertvolle Initiativen.
  • Schließlich können Partnerschaften auch freiwillige Standards definieren, wo starke staatliche Regelungen fehlen, und die Einhaltung zertifizieren. Das tut beispielsweise der Forest Stewardship Council.

Der entscheidende Punkt ist jedes Mal, dass es eine Win-win-Situation gibt, bei der alle Partner einander brauchen, um sie voll auszuschöpfen.

Wie müssen PPPs strukturiert sein, damit sie gut funktionieren?
Das hängt vor allem davon ab, was sie erreichen sollen. Wenn Projekte und Dienstleistungen verwirklicht werden sollen, müssen die lokalen Bedürfnisse verstanden und berücksichtigt werden. Für erfolgreichen Wissensaustausch brauchen wir dagegen vor allem offene und attraktive Plattformen. Was Standards und Zertifizierung angeht, ist es wichtig, dass möglichst alle eingebunden werden, die sich an die Standards halten sollen. Es gibt keine Blaupause, die für alle Partnerschaften gelten würde. Dafür sind sie einfach zu unterschiedlich. Für alle Partnerschaften gilt aber, dass eine gemeinsame Vision ebenso nötig ist wie die Bereitschaft, sich langfristig zu engagieren. Und nur wenn genug Mittel bereitgestellt werden, sind professionelles Management, solide Kapazitätsentwicklung und, wie schon erwähnt, systematisches Lernen aus Erfahrung möglich.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erarbeitet zurzeit mit breiter öffentlicher Beteiligung eine Zukunftscharta unter dem Motto „Eine Welt – Unsere Verantwortung“. Sie sind dabei die Themenpatin für Partnerschaften. Wie sieht denn die Fachwelt in Deutschland das Thema PPP?
Generell ist Skepsis zu spüren. Das ist auch verständlich, denn eine Zeitlang gab es einen regelrechten PPP-Hype – da ist angesichts der gemischten Bilanz etwas Besonnenheit durchaus angemessen. Bei dem Themenforum für die Zukunftscharta, das Anfang September in Bonn stattfand, zeigten die Teilnehmer aber auch reges Interesse an Erfolgen. Großen Anklang fand beispielsweise die SEED-Initiative, die Projektideen von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Entwicklungsländern finanziert, wenn diese für nachhaltige Entwicklung wertvoll sind. Gefördert hat sie unter anderem EcoPost in Kenia, ein lokales Unternehmen, das Zaunpfähle aus Plastikmüll herstellt. Damit schafft EcoPost Arbeitsplätze, sammelt und verwertet Abfälle und wirkt der Entwaldung entgegen. Solche Projekte interessieren die Leute.

Welchen Rat geben Sie der Bundesregierung?
Das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden. Wichtig ist, aus positiven und negativen Erfahrungen zu lernen, um einen Rahmen dafür zu schaffen, dass Partnerschaften künftig möglichst viel bewirken, um nachhaltige Entwicklung möglich zu machen.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

Marianne Beisheim arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Rahmen der Zukunftscharta des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist sie die Themenpatin für Partnerschaften.
marianne.beisheim@swp-berlin.org
http://www.zukunftscharta.de

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