Süd-Süd-Kooperation

Chinas Rolle in Afrika

Experten beschäftigen sich damit, welche Entwicklungsimpulse Chinas wirtschaftliches Engagement in Afrika bietet. Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Südwind analysiert die Rolle Chinas als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit.
Eine chinesische Firma, der eine Kupfermine in Sambia gehört, half, ein neues Fußballstadion in der Hauptstadt Lusaka zu bauen. Jörg Böthling/Photography Eine chinesische Firma, der eine Kupfermine in Sambia gehört, half, ein neues Fußballstadion in der Hauptstadt Lusaka zu bauen.

Seit dem Jahr 2000 tritt China als wichtiger Akteur in Afrika auf. Seine „going global“-Strategie besteht laut der Studie hauptsächlich darin, Direktinvesti­tionen in Übersee zu fördern. Das dient in der Regel dazu, den wachsenden Rohstoffhunger zu stillen. Die großen staatlichen Entwicklungsbanken China Exim-Bank und China Development Bank unterstützen chinesische Unternehmen in Afrika. Derzeit sind über 2000 solcher Firmen dort aktiv.

2011 verdrängte die Volksrepublik China die USA als größten nationalstaatlichen Handelspartner des afrikanischen Kontinents. Laut Südwind-Studie importiert China zu 90 Prozent unverarbeitete Rohstoffe. 2012 entfielen dabei 48 Prozent auf Rohöl. Bei Chinas Exporten nach Afrika handelt es sich hingegen fast ausschließlich um fertig verarbeitete Produkte, von Frachtschiffen über Klimaanlagen und Kommunikationstechnik bis hin zu Schuhen und Plastikar­tikeln. Der sino-afrikanische Handel unterscheidet sich also nicht wesentlich vom europäisch-afrikanischen Handel.

Die Datenlage zu chinesischen Investitionen in Afrika ist den Autoren zufolge dünn. Sie beklagen fehlende Transparenz und komplizierte Statistiken. Eine klare Trennung zwischen profitorientierten Investitionen und Entwicklungshilfe sei schwer. Schätzungen schwanken zwischen 1,5 Milliarden und 18 Milliarden Dollar an jährlicher chinesischer Entwicklungshilfe. Mit Sicherheit sei der Umfang offizieller Geldtransfers ohne direkte Gewinnabsicht von China nach Afrika in den letzten ­Jahren deutlich gestiegen, schreiben die Autoren. Von 2000 bis 2010 wurden rund 1500 Projekte in 50 afrikanischen Staaten mit chinesischer Hilfe finanziert.

Das bedeutendste Gremium für Chinas Beziehungen zu Afrika ist das 2000 gegründete Forum für China-Afrika-Kooperation (FOCAC). Die Südwind-Autoren erläutern, die Aufgabe dieser Ministerkonferenzen sei, die wirtschaftliche, politische und entwicklungsbezogene Zusammenarbeit zu stärken. Die chinesischen Leitlinien seien dabei:

  • Strategische Partnerschaft auf Augenhöhe mit Win-win-Situation für beide beteiligte Länder: Die „neuen“ Süd-Süd-Partnerschaften“ sollen nicht dem herkömmlichen Geber-Nehmer-Verhältnis der Nord-Süd-Kooperation entsprechen.
  • Keine Einmischung in innere Angelegenheiten: China betrachtet alle beteiligten Staaten als absolut souverän, unabhängig und territorial integer und sieht die Strategie der Nichteinmischung als Gegenpol zu den an Konditionen gebundenen Krediten westlicher Geber.
  • Solidarisierung und Identifizierung Chinas als Entwicklungsland: China definiert sich als Entwicklungsland und ­appelliert an den Zusammenhalt der Entwicklungsländer, die unter Ungerechtigkeiten des internationalen Systems leiden und in multilateralen Gremien unterrepräsentiert sind.

Diese Aspekte der chinesischen Afrikapolitik entsprechen der Studie zufolge auch dem Vorgehen anderer Schwellenländer: „Geleitet werden sie dabei sicher auch von den eigenen, nicht selten auch negativen, Erfahrungen, die sie selbst in ihrer Rolle als Empfängerländer von Entwicklungshilfegeldern gemacht haben.“ Die Autoren schätzen das zunehmende Engagement Chinas in Afrika nicht nur als einfache Interessenpolitik ein, sondern auch als Versuch, sich in der Staatengemeinschaft zu profilieren und mehr Einfluss zu gewinnen.


Relevante ­Kritikpunkte

Westliche Geberstaaten kritisierten Chinas Handeln in Afrika wiederholt – und die Südwind-Autoren tun das auch. Für China haben demnach die eigenen wirtschaft­lichen Interessen wie Versorgungssicherheit und Erschließung von Absatzmärkten absoluten Vorrang. Von China geförderte Infrastrukturvorhaben dienten diesen Zielen. So sei in Mosambik oder der DR Kongo der Straßenausbau auf Bergbau ausgerichtet. Die Südwind-Experten geben aber zu Bedenken, dass solche Interessen auch lange die Entwicklungspolitik der etablierten Geber prägten – und dies teils immer noch tun.

Ein weiterer Kritikpunkt des Westens ist, dass China mit autoritären Regimen ungeachtet ihres Umgangs mit Menschenrechten zusammenarbeitet. Das sei durchaus berechtigt, finden die Autoren, ergänzen aber: „Westliche Geber wären ­allerdings glaubwürdiger (…), wenn sie nicht ihrerseits über Jahrzehnte Regime unterstützt hätten, die die Menschenrechte missachten.“

Das Entwicklungskonzept Chinas unterscheidet sich vom westlichen insofern, als es ökonomischen Fortschritt und so­ziale Verbesserung für die Masse vor individuelle Freiheitsrechte des Einzelnen stelle, erklärt die Studie. Dieses Modell hat in China selbst großen Erfolg (siehe Interview mit Ayumi Konishi in E+Z/D+C 2014/12, S. 460 ff.). In diesem Sinne entspricht Chinas Afrikapolitik also den eigenen Erfahrungen.

Zivilgesellschaftliche Akteure in demokratischen Staaten innerhalb und außerhalb Afrikas sehen das chinesische Engagement mit gemischten Gefühlen. Laut der Südwind-Publikation betrachten viele aufstrebende Staaten wie China tatsächlich als Gegengewicht zu den alten Hegemonialmächten und hoffen, dass ungerechte Weltwirtschaftsstrukturen überwunden werden. Zugleich betrieben aber die Schwellenländer nachholende Entwicklung, kopierten also die nicht nachhaltigen Konsum- und Produktionsgewohnheiten der reichen ­Nationen. Viele Nichtregierungsorganisationen kritisieren vor allem den Raubbau an der Natur, unzureichende Sozialpolitik, verheerende Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne.

Das Resümee der Südwind-Autoren lautet, dass die Entwicklungsimpulse Chinas landesspezifisch betrachtet werden müssen. In autoritären Regimen sei Chinas Einfluss sehr fragwürdig, weil es die Autokraten stärke. Zugleich berge die Strategie Chinas die Gefahr, dass Afrika weiter auf seine Rolle als Rohstofflieferant und Billiglohnkontinent festgeschrieben wird.

Dennoch könnten die chinesischen Investitionen die westliche offizielle Entwicklungshilfe ergänzen, urteilen die Autoren. Denn Investitionen in die Infrastruktur, wie sie China unternimmt, wurden von traditionellen Gebern lange vernachlässigt. Welche Impulse chinesisches Engagement setzt, liegt nach Ansicht der Südwind-Wissenschaftler vor allem daran, wie die Regierungen in Afrika damit umgehen: „Sie müssen Eigenverantwortung zeigen, um den maximalen Nutzen aus dem Engagement Chinas für sich zu ziehen.“

Sabine Balk

Link:
Südwind-Institut, 2014
: Partnerschaft auf Augenhöhe? Die Rolle Chinas in Afrika.
http://www.suedwind-institut.de/fileadmin/fuerSuedwind/Publikationen/2014/2014-22_Partnerschaft_auf_Augenhoehe._Die_Rolle_Chinas_in_Afrika.pdf

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