Inklusion

Dem Teufelskreis entkommen

Die Leiterin einer zivilgesellschaftlichen Organisation in Bangladesch fordert inklusiven Unterricht für Kinder mit Behinderungen. Das wäre auch in anderen Ländern sinnvoll.
Menschen mit Behinderungen brauchen von Anfang an spezifische Förderung. GBSS Menschen mit Behinderungen brauchen von Anfang an spezifische Förderung.

Die Sandipawn Inclusive School wurde 1990 in einem Dorf im Narshingdi-Distrikt gegründet, um Kinder mit Behinderungen zu unterrichten und eine integrative Gesellschaft zu fördern. Sandipawn wird von der gemeinnützigen Organisation Gram Bikash Shohayak Shangsta (GBSS) betrieben, deren Geschäftsführerin ich bin.

Man weiß, dass Schüler ein Lernumfeld brauchen, das ihren Bedürfnissen entspricht, damit sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Sandipawn gibt den Schülern eine solche Umgebung und eröffnet ihnen Chancen für das spätere Leben.

Behinderung setzt häufig einen Teufelskreis der Armut in Gang. Diesen gilt es zu durchbrechen. In Entwicklungsländern werden Menschen mit Behinderungen oft nicht richtig ausgebildet und können sich nicht qualifizieren. Als Erwachsene haben sie es daher schwer, Geld zu verdienen. Statt zum Einkommen beizutragen, belasten sie die Familie ihr Leben lang.

Das muss nicht sein. Menschen mit Behinderungen haben besondere Bedürfnisse, und wenn diese berücksichtigt werden, können sie ein produktives Leben führen. Wirtschaftlich ist es sinnvoller, wenn es ihnen ermöglicht wird, eine vollwertige Rolle in der Gesellschaft einzunehmen, als sie und ihre Familien Not leiden zu lassen.

Unsere Lehrer arbeiten eng mit den Eltern zusammen. Mütter und Väter spielen eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung ihrer Kinder auf das Leben und sie profitieren am meisten davon, wenn ihre Töchter und Söhne einen Platz in der Gesellschaft finden. Wenn möglich binden wir die Schüler in Entscheidungen bezüglich ihres Lehrplans ein.

Einer unserer Grundsätze lautet: „Alle Schüler erhalten die gleiche Chance, in eine normale Lernumgebung aufgenommen zu werden.“ Wir sorgen dafür, dass unsere Schüler regelmäßig im selben Klassenzimmer mit Gleichaltrigen aus der Nachbarschule unterrichtet werden. Je früher sie sich aneinander gewöhnen, desto besser. Es wird ihnen helfen zu verstehen, dass Gemeinschaftsrechte und individuelle Rechte keine Gegensätze sind und dass Vielfalt etwas Wertvolles ist.

Wir schauen auf die Fähigkeiten eines Kindes, nicht auf seine Einschränkungen. Indem Schüler mit und ohne Behinderungen Zeit miteinander verbringen, ermöglichen wir ihnen, enge Beziehungen und Freundschaften aufzubauen.

Soziale Inklusion ist in Bangladesch eine echte Herausforderung. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen müssen im ganzen Land besser respektiert werden – Minderheiten müssen im öffentlichen wie im privaten Raum vor Gewalt und Misshandlung geschützt werden. Zum Beispiel sind viele Einrichtungen für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich.

Bangladesch muss sich dieser Aufgabe stellen. Ein guter Anfang ist es, Kinder mit Behinderungen zu stärken. Mit genügend Selbstbewusstsein können sie ihre Rechte einfordern. Qualifizieren sie sich beruflich, können sie Geld verdienen. Lernen sie früh, mit Menschen ohne Behinderungen zusammen zu sein, wissen sie später im Leben, wie man Verbündete findet.

Sandipawn-Schüler haben besondere Bedürfnisse und verdienen besondere Aufmerksamkeit. Wir unterrichten in Gebärdensprache und bieten eine systematische Gesundheitsberatung. Sprach-, Musik- und Tanztherapie zeigen guten Erfolg.

Als karitative Einrichtung sind unsere Ressourcen begrenzt. Sandipawn unterrichtet zurzeit 160 Mädchen und Jungen mit Behinderungen von der Vorschule bis zur 5. Klasse. Wir bieten auch eine Berufsausbildung für Schüler zwischen 12 und 22 Jahren an, von denen nicht alle eine Behinderung haben. Sie lernen unter anderem Nähen und Werken und wie man technische Geräte (PCs, Kühlschränke etc.) repariert.

Eine Evaluierung hat gezeigt, dass unsere Arbeit etwas bewegt. In unserem Dorf sind mehr behinderte Kinder eingeschult als je zuvor und es gibt mehr als die Hälfte weniger Schulabbrecher. Themen rund um Behinderung sind in der Gemeinschaft wichtiger geworden.

Integration ist mühsam. Sich die Mühe nicht zu machen, löst aber keine Probleme, sondern verstärkt sie. Es ist kein Nachteil für die Entwicklung der Gesellschaft, wenn sie in Kinder mit Behinderungen investiert – vielmehr fördert es den allgemeinen Wohlstand.


Masuda Farouk Ratna ist Geschäftsführerin von GBSS, der Nichtregierungsorganisation, die die Sandipawn Inclusive School betreibt.
http://www.grambikashbd.org

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